Mietpreisbremse

Zu viele Schlupflöcher

Nagelneue Häuser mit Mietwohnungen und Eigentumswohnungen sind in Berlin an der Grenze der Bezirke Mitte und Kreuzberg zu sehen.
Neubauten wie diese hier in Kreuzberg sind von der Mietpreisbremse ausgenommen. © picture-alliance / dpa / Wolfram Steinberg
Von Anja Nehls · 01.06.2015
Mit der Mietpreisbremse soll exorbitanten Mieterhöhungen in Großstädten entgegengewirkt werden. Berlin macht den Anfang. Doch es gibt zu viele Ausnahmen in dem neuen Gesetz, monieren Mietervereine, beispielsweise für Neubauten oder grundsanierte Wohnungen.
Sonntagsbesichtigung einer Mietwohnung im Berliner Süden. Vier Zimmer, Altbau, Dielen, direkt an der S-Bahn. 100 Quadratmeter sollen 900 Euro kalt und knapp 1200 warm kosten. Dass in wenigen Stunden in Berlin eigentlich die Mietpreisbremse gilt, ist Nadia Wackermann egal:
"Letztendlich machen die Vermieter das, was sie wollen, und da es kaum Wohnungen gibt, sind wir gezwungen, das zu nehmen, was da ist, egal was für ein Preis, also wenn es für mich bezahlbar ist, werde ich umziehen."
Die Idee bei der Einführung der Mietpreisbremse war eigentlich eine andere. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat das Gesetz vorangetrieben:
"Die Mietpreisbremse ist wichtig auch für Normalverdiener, die das mittlerweile nicht mehr bezahlen können in Hamburg, in Berlin, Köln, Düsseldorf und wo auch immer und um die geht es und denen werden wir mit der Mietpreisbremse ganz besonders helfen."
Ob das klappt, will Berlin nun ausprobieren. Berlin hat als erstes Bundesland das sogenannte Mietrechtsnovellierungsgesetz mit der dazu erforderlichen Landesverordnung umgesetzt. Andere Bundesländer wollen nachziehen. Die Mietpreisbremse besagt, dass die Miete bei Neuvermietung nur zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Die wird in Berlin durch den Mietspiegel ermittelt.
Ausnahmen für Neubauten
Aber es gibt Ausnahmen. Die Mietpreisbremse gilt nicht bei Vermietungen nach umfangreicher Modernisierung, nicht für Neubauten und nicht, wenn der Vormieter auch schon mehr gezahlt hat. Für den Mieter heißt es also, erstmal zahlen und dann prüfen und gegebenenfalls reklamieren, klagt Reiner Wendt vom Berliner Mieterverein:
"Das wird dazu führen, dass Mieter wegen des Kündigungsrisikos die überhöht zu zahlende Miete auch leisten müssen. Und wer die sich nicht leisten kann bei einem neuen Mietvertrag, der geht ein sehr hohes Risiko ein. Wir hätten uns gewünscht, dass diese Ausnahmen sehr stark reduziert worden wären, dann hätte man auch sagen können, auch für Haushalte mit niedrigerem Einkomme wäre es eine höhere Chance gewesen."
Der Berliner Mieterverein will jetzt den Mietern helfen, herauszufinden, ob für ihre Wohnung die Mietreisbremse gilt, ob die gezahlte Miete korrekt ist und wie sie sie gegebenenfalls zurückfordern können.
Vermieter wollen Mietpreisbremse boykottieren
Den Vermietern gefällt das gar nicht. Sie zweifeln deshalb den Berliner Mietspiegel an, der für die ortsübliche Vergleichsmiete maßgebend ist. Der Verband Haus und Grund hat seine Mitglieder aufgerufen, sich vorerst nicht an die Mietpreisbremse zu halten. Carsten Brückner von Haus und Grund:
"Wenn wir raten würden, sich daran zu halten und später stellt sich heraus, dass tatsächlich – wovon ja Haus und Grund Deutschland ausgeht – eine Verfassungswidrigkeit der Mietpreisbremse gegeben ist, dann hätte man sich nach etwas gerichtet, was keine Wirkung hat."
In der Tat. Zwischen 2010 und 2014 sind Angebotsmieten in Berlin um 50 Prozent gestiegen. Die ortsübliche Vergleichsmiete ist in Berlin im Vergleich zu anderen Städten zwar mit 5,84 pro Quadratmeter immer noch recht niedrig, steigt aber kontinuierlich.
Die Mieterstadt Berlin ist in Aufruhr. Ein Aktionsbündnis hat bereits über 30.000 Unterschriften für ein Mietenvolksbegehren gesammelt. Ziel ist es, per Gesetz für die öffentlichen Wohnungen sozialverträgliche Mieten festzuschreiben und Wohnungsneubau mit Mietobergrenzen durchzusetzen.
Die Initiatoren des Volksentscheids wollen ihr Vorhaben durchziehen – auch weil es ihrer Meinung nach bei der Mietpreisbremse viel zu viele Ausnahmen und Schlupflöcher gibt.
Makler verlangen nach wie vor Vermittlungsgebühr
Zurück in die 100 Quadratmeter Vier-Zimmer-Altbau, Dielen, direkt an der Berliner S-Bahn. Mit der Mietpreisbremse gilt auch das Bestellerprinzip. Wer den Makler beauftragt, zahlt.
Auf dem Zettel, der den Interessenten in die Hand gedrückt wird steht: Vermittlungsgebühr: Zwei Netto-Kaltmieten plus 19 Prozent Mehrwertsteuer. Der Makler macht Druck – die Interessenten sollen die Vereinbarung möglichst sofort unterschreiben:
"Es kann sein, dass Kollegen da heute schon alles unter Dach und Fach gebracht haben, von den zwölf Wohnungen, die heute besichtigt wurden, sind fünf bereits vermietet, geht relativ zügig."
Mehr freie Wohnungen wird es nur durch die Einführung der Mietreisbremse in Berlin nicht geben. Ob es deshalb wirklich wie erhofft zu einem gebremsten Anstieg der Mieten kommen wird, soll nun erstmal beobachtet werden. Für zunächst fünf Jahre soll die Mietpreisbremse in Berlin gelten.
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