Michela Murgia: "Chirù"

Wenn der Jüngere in der Beziehung der Mächtigere ist

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Die sardische Schrifstellerin Michela Murgia © imago/MarceollxMencarini/Leemage
Michele Murgia im Gespräch mit Frank Meyer · 12.05.2017
Ein ungewöhnliches Beziehungsmuster sieht die Schriftstellerin Michela Murgia in der Ehe der Macrons. Denn hier sei anders als üblich der jüngere Part der Mächtigere. Auch Murgias neuer Roman "Chirù" handelt von der Beziehung einer älteren Frau zu ihrem Schüler.
Die Beziehungskombination ältere Frau - jüngerer Mann komme viel häufiger vor, als man denkt, meint die italienische Schriftstellerin Michela Murgia.
"Eigentlich passiert es jeden Tag, aber das wissen wir nicht. Das wissen wir erst, wenn ein Macron auftaucht", sagte Murgia im Deutschlandfunk Kultur.
In der Beziehung zwischen Emmanuel Macron und seiner 24 Jahre älteren Ehefrau Brigitte sieht Murgia für etwas ganz Besonderes. Denn hier sind die Machtpositionen anders verteilt als typischerweise in Beziehungen mit großem Altersunterschied - unabhängig davon, ob der ältere Partner Mann oder Frau ist.
Während sonst gelte, "der Ältere ist der Mächtigste", sei das im Fall der Macrons anders: "Der Jüngere ist der Mächtigste", betont Murgia. "Das heißt vielleicht, dass er sie liebt. Ist das vielleicht eine Revolution?"

"Die beiden gehen nicht ins Bett. Sie machen viel Schlimmeres"

Auch Murgias Roman Chirù erzählt die Geschichte der Beziehung einer älteren Frau zu einem jüngeren Mannes: der 38-jährigen Musiklehrerin Eleonora und dem 18-jährigen Schüler Chirù.
"Es ist keine sexuelle Geschichte, es ist keine erotische Initiation", betonte die Autorin, die zu wichtigen Stimmen der neuen sardischen Literatur zählt. "Es gibt Intelligenz, es gibt vielleicht Manipulation. Aber die beiden gehen nicht ins Bett. Sie machen viel Schlimmeres."
So erziehe Eleonora Chirù zum Geschmack und bringe ihm bei, wie die Welt zu interpretieren sei. "Sie gibt ihm eine Form letztendlich." Umgekehrt gebe er ihr die Chance, die Welt wiederzuentdecken.
"In einem gewissen Alter hat man ja so viel erlebt", sagt Murgia. "Wir sind nicht mehr die Unversehrten." Situationen, Orte , Geschichten, alles habe man kennengelernt. "Wenn es nicht jemanden gäbe, der die Welt neuentdeckt, wären wir alle konservativ."
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