Michel Piccoli ist gestorben

Abschied von einer Kinolegende

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Michel Piccoli in "Die Dinge des Lebens" (Frankreich 1970)
Michel Piccoli in "Die Dinge des Lebens" (Frankreich 1970) © picture alliance / United Archives
Patrick Wellinski im Gespräch mit Timo Grampes · 18.05.2020
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Michel Piccoli ist im Alter von 94 Jahren gestorben. Dies teilte die Familie des Schauspielers mit. Das französische Kino verliert eines seiner bekanntesten Gesichter.
Der französische Theater- und Filmschauspieler Michel Piccoli ist im Alter von 94 Jahren gestorben, wie seine Familie mitteilte. Piccoli galt als einer der bedeutendsten Charakterdarsteller seiner Generation. Er wurde nicht nur in Frankreich gefeiert, sondern erfuhr auch international viel Anerkennung.

Ausgezeichneter Darsteller

In mehr als 200 Filmen spielte Piccoli mit: Mit dem Regisseur Luis Buñuel drehte er "Belle de Jour", "Der diskrete Charme der Bourgeoisie" oder "Das Gespenst der Freiheit", mit Claude Sautet "Die Dinge des Lebens" und "Das Mädchen und der Kommissar", mit Marco Ferreri "Das große Fressen".
Michel Piccoli mit Romy Schneider.
Michel Piccoli mit Romy Schneider.© picture alliance / United Archives
Außerdem stand er mit Romy Schneider für sechs Filme vor der Kamera. Neben vielen anderen Preisen erhielt er 1982 auf der Berlinale den Silbernen Bären als "Bester Darsteller" ("Verwirrung der Gefühle", Regie: Étienne Périer) sowie 2011 den Europäischen Filmpreis für sein Lebenswerk.

Ein subversiver Freund des Surrealen

Das Kino verliere mit Piccoli ein "Arbeitstier", sagt unser Filmredakteur Patrick Wellinski. Piccoli habe eine "imposante physische Präsenz" besessen: "die breite Brust, der dicke Hals und ein Löwenkopf. Alles, was gerade Regisseure wie Buñuel perfekt in Szene setzen konnten. Auch steht seine Karriere unter dem Aspekt der kontrollierten Anarchie. Seine Figuren sind elegante, wissende, sardonische Connaisseure, die sich den Spaß gönnen, uns zu empören."
Das französische Publikum hatte Piccoli ursprünglich im Fernsehen als Don Juan kennengelernt. Dann aber folgten Filme, in denen er die Öffentlichkeit immer wieder gezielt brüskierte - etwa in "Der diskrete Charme der Bourgeoisie" oder "Das große Fressen", vor allem aber in dem von ihm selbst produzierten Film "Themroc", in dem Piccoli die Grenzen des sozialen Lebens überwindet, seine Wohnung zerstört und zum Kannibalen wird.

Warum Michel Piccoli im Theater für jede Schamlosigkeit bereit war und sich bis ins hohe Alter gegen Rassismus engagierte, zeichnet Bernd Sobolla in seinem Nachruf "Grand Senior der bürgerlichen Rebellion" auf den französischen Schauspieler nach. Nachhören können Sie den Beitrag hier:
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