Michael Wollny: "Mondenkind"

Einsam im Mondschatten

13:44 Minuten
Michael Wollny, der deutsche Jazzpianist bei einem Konzert beim Elbjazz Festival 2019 im Hamburger Hafen.
Der Jazzpianist Michael Wollny, hier in einer Aufnahme beim Elbjazz Festival 2019 in Hamburg. © picture alliance / Jazz Archiv Hamburg
Michael Wollny im Gespräch mit Martin Böttcher · 28.09.2020
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Auf seinem ersten Soloalbum "Mondenkind" versenkt sich der gefeierte Jazzpianist Michael Wollny in die Einsamkeit. Ein Leitbild bot ihm dabei der Astronaut Michael Collins, der den Erdtrabanten zwar umrundete, aber nie betrat.
Jeder erinnert sich an Neil Armstrong, den ersten Mann auf dem Mond. Auch der Name Buzz Aldrin ist noch geläufig, denn der verließ kurz nach Armstrong die Mondlandefähre und war somit der Zweite auf dem Mond. Den Dritten im Bunde hingegen kennen nur noch wenige: Michael Collins, der zwar mit Armstrong und Aldrin ebenfalls Teil der "Apollo 11"-Mission zum Mond war, den Erdtrabanten allerdings nur im Orbit umkreiste und keinen Fuß auf ihn setzen konnte.

Zufrieden in der Einsamkeit

Jetzt hat sich der Jazzpianist Michael Wollny dieser Geschichte angenommen und sein erstes Soloalbum dem "Mondenkind" Collins gewidmet. Etwa eine dreiviertel Stunde ist dieses Album lang und entspricht damit in etwa jener Zeit, in der Collins' Funkkontakt zur Erde bei seinen Mondumrundungen unterbrochen war, erklärt Wollny. Dahinter steckt im übrigen keine Panne, sondern reine Physik: Collins befand sich in diesen Phasen im Mondschatten, also von der Erde aus gesehen hinter dem Mond.
Den "einsamsten Menschen der Welt" nannten manche Zeitgenossen den Astronauten daher. Collins hörte das aber eher ungern, weiß Wollny. Er habe "die Einsamkeit eher als sehr beruhigende, zentrierende und kreative Zeitzone wahrgenommen. Insofern ist das auch etwas, was man als Solomusiker im Studio wahrnehmen kann: Dass man sich in der Konzentration auf diesen Moment, im Abgeschnitten-Sein, in dieser Art Meditation mit sich selbst eine Zufriedenheit und Ruhe finden kann."
Dazu passend hat Wollny dieses Album während des Corona-Lockdowns alleine im Studio aufgenommen. Geplant seien die Platte und die Studiotermine allerdings schon lange im Voraus gewesen. Corona spielte eher insofern eine Rolle, als dass fraglich gewesen sei, ob die Aufnahmen überhaupt stattfinden könnten.

Wenn die Ideen versiegen

Jazzfreunde kennen Wollny bislang vor allem von seinen Kollaborationen mit anderen Musikern. Die Erfahrung, alleine ein Album aufzunehmen, war für ihn daher neu: "Wenn die Ideen versiegen, ist Stille."
Dies verstärke die "Erfahrung, dass der Ton, den man gerade spielt, die Melodie, die gerade aus einem herauskommt, den nächsten Schritt triggert und das Material sich vielleicht noch mehr aus dem Moment heraus erzeugt."

Hommage an Tori Amos

Komplett alleine ist Wollny auf "Mondenkind" dann aber doch nicht. Knapp die Hälfte der Stücke sind Interpretationen von Stücken anderer Künstler, darunter "Father Lucifer" von Tori Amos. Als er sein Album konzipierte, sei ihm klar geworden, dass es mit Solisten, Einzelgängern und Unikaten zu tun haben sollte, erzählt Wollny.
Eine Coverversion von Tori Amos lag daher nahe: "Sie ist für mich einfach Sinnbild für eine Solistin, die auch als Pianistin einen sehr unverwechselbaren Personalstil am Instrument hat. Man erkennt sie eigentlich an jedem Ton. Sie hat einen eigenen Stil als Songwriterin: Ihre Arbeiten sind fast wie zeitgenössische Kunstlieder."
(thg)
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