Michael Naumann über Horst Seehofer und die "taz"

"Dünnhäutiger bayerischer Politiker"

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Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wartet auf den Beginn der Kabinettssitzung. 24. Juni 2020
Für Michael Naumann zählt Horst Seehofer zur Spezies "dünnhäutiger bayerischer Politiker". © picture alliance / Reuters Pool /dpa / Hannibal Hanschke
Moderation: Korbinian Frenzel · 25.06.2020
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Darf Satire alles? Horst Seehofer war anderer Meinung und wollte eine Journalistin wegen eines polizeikritischen Textes verklagen, besann sich jedoch. Der Publizist Michael Naumann meint: Satire komme an Grenzen, wenn die Menschenwürde verletzt werde.
Die Empörung im Bundesinnenministerium und bei der Polizeigewerkschaft war groß: Die "taz"-Kolumnist*in Hengameh Yaghoobifarah hatte in einer Kolumne unter dem Titel "All cops are berufsunfähig" Überlegungen angestellt, dass Polizisten doch besser in einer Mülldeponie arbeiten sollten – als einzig geeigneter Option, sollte die Polizei abgeschafft werden. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ging so weit, der Journalistin eine Strafanzeige anzudrohen. Jetzt hat er das wieder zurückgezogen.
Gut so, findet unser Studiogast, der Verleger und Publizist Michael Naumann. Seehofer gehöre zu der Sorte "dünnhäutiger bayerischer Politiker", die sich über derlei leicht erregten – insofern zeuge Seehofers Verhalten von Vernunft.
"Er hat nichts Unsinniges getan, er war empört – mit Recht. Journalisten dürfen dummes Zeug schreiben, Politiker dürfen darauf hinweisen, dass etwas dumm ist. Aber gleich mit der Macht des Staates zu drohen, mit Anzeigen und möglicherweise Haft" – das habe zuletzt 1962 Franz-Josef Strauß versucht, der damit die sogenannte "Spiegel"-Affäre auslöste und letztlich auch einlenken musste.

Satire darf nicht alles

Naumann sagte weiter, die "taz"-Autor*in habe sich mit ihrem Artikel keinen Gefallen getan, denn gute Satire sei das nicht, allenfalls Polemik "ohne Tiefgang" und eigentlich missglückt und "nicht druckbar". Dass es sich bei dem Text um eine Satire handele, sei "eine reine Schutzbehauptung".
Michael Naumann, Publizist und Ex-Kulturstaatsminister
Michael Naumann (SPD) war von 1998 bis 2001 Kulturstaatsminister.© Deutschlandradio / Manfred Hilling
Zu der berühmten Tucholsky-Antwort auf die Frage "Was darf Satire?", nämlich "Alles", meint Naumann: "Das ist nicht wahr. Wenn Satire zum Beispiel dazu führt, dass einer der Betroffenen sich umbringt, weil er sich zu Unrecht verhöhnt fühlt – von einem Klasse-Satiriker, der das auch wirklich kann -, dann, muss ich sagen, ist der wunderbare Satiriker zu weit gegangen und hätte das nicht schreiben sollen."
Da man so etwas aber vorher nicht wissen könne, so Naumann, sei "ein gewisser Respekt vor der Menschenwürde des potenziellen Opfers" geboten.
(mkn)

Michael Naumann, geboren 1941 in Köthen, war in seinem Leben schon vieles: Als Redakteur der Wochenzeitung "Die Zeit" gründete er das "Zeit Magazin" mit. Er war Verleger im Rowohlt-Verlag, von 1998 bis 2001 Kulturstaatsminister und kandidierte 2008 für das Bürgermeisteramt in Hamburg. Seit 2012 arbeitet der Publizist als Gründungsdirektor der Barenboim-Said Akademie in Berlin an der Verständigung zwischen Musikern aus dem arabischen Raum und Israel.

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