Meyer fordert längere Laufzeiten für sichere Atomkraftwerke

Laurenz Meyer im Gespräch mit Marcus Pindug · 29.07.2009
Der CDU-Politiker Laurenz Meyer hat sich dafür ausgesprochen, sichere Atomkraftwerke weiter laufen zu lassen. Seine Partei setze zwar auf den Ausbau erneuerbarer Energiequellen, aber um die Klimaziele zu erreichen, könne mittelfristig auf den Einsatz von Atomkraftwerken nicht verzichtet werden.
Marcus Pindur: Selten hat eine Industriebranche so viele Publicity-Eigentore hintereinander geschossen wie die Kernkraftbetreiber. Der Fall des Atomreaktors Krümmel offenbarte ein Ausmaß an Nachlässigkeit, das auch Kernkraftbefürworter in Rage bringen konnte. Ein Transformator brannte ab, ein neuer wurde nicht neu, sondern gebraucht gekauft, und die Sicherung gegen das erneute Abbrennen - ja, die hatte man leider vergessen. Ein halbes Dutzend Atomreaktoren liegt derzeit still: Reparaturen, Inspektionen, Nachrüstungen. 9000 Megawatt Stromleistung, fast die Hälfte der deutschen Atomkraftkapazität.

Wir sind jetzt verbunden mit Laurenz Meyer, CDU-Bundestagsabgeordneter, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Technologie der Unionsfraktion. Guten Morgen, Herr Meyer!

Laurenz Meyer: Grüß Sie, Herr Pindur!

Pindur: Herr Meyer, da stellt sich doch die Frage: Brauchen wir überhaupt die Atomkraft noch, wenn auch so genügend Strom produziert wird?

Meyer: Nun, wir müssen das also mittelfristig sehen, wir wollen, dass also in erheblichem Umfang die regenerativen Energien ausgebaut werden, haben uns deshalb vorgenommen, bis zum Jahr 2020 hier die Leistungsfähigkeit zu verdoppeln. Und wenn man da mal unterstellt, dass da insgesamt 30 Prozent der Energieerzeugung dann aus regenerativen Energien kommen, dann taucht die Frage natürlich auf: Woher sollen die restlichen 70 Prozent kommen? Und wenn wir die CO2-Gesichtspunkte mit in Betracht ziehen, dann müssen wir sichere Kernkraftwerke eine Zeit lang auf alle Fälle weiterbetreiben, um hier unsere Ziele erreichen zu können, insbesondere die Klimaziele, die wir uns selbst gesteckt haben.

Pindur: Wenn man aber auf sechs oder sieben Kernkraftwerke problemlos verzichten kann, was ja auch geplant ist für die nächste Legislaturperiode laut Atomausstiegsvereinbarung, dann sehen wir doch, dass es zumindest nicht zu Energieproblemen führt, diese Kraftwerke auch stillzulegen?

Meyer: Na ja, die kurzfristige Betrachtung, noch dazu in einer Lage, in der die Wirtschaft ziemlich runtergefahren ist, darf man nicht vergleichen mit der mittelfristigen Situation. Wir haben ja die Alternative nur, dass wir zusätzliche Kohlekraftwerke dann bauen würden, und das in erheblichem Umfang über das Vorhergesehene hinweg. Manche stellen sich vor, man könnte ...

Pindur: Die Frage stellt sich ja genau, Herr Meyer, die Frage stellt sich genau: Müssten wir zusätzliche Kraftwerke bauen, wenn wir jetzt schon ohne die Kapazität von sechs Kernkraftwerken oder sieben Kernkraftwerken auskommen können?

Meyer: Ja, ganz sicher müssten wir das. Das zeigen ja auch sämtliche Planungen. In den Planungen ist sogar noch in erheblichem Umfang enthalten, dass wir also Gas zusätzlich einsetzen auch zur Stromerzeugung. Hier habe ich also ganz persönlich meine erheblichen Probleme damit, denn das Gas - das haben wir im letzten Winter gesehen, bei den Verflechtungen, die wir da haben und wo das Gas herkommt -, da würde ich auch nicht so drauf setzen, noch dazu, wo die Verbraucher das in ihren Heizungen in den Haushalten auch brauchen werden. Ich glaube, dass wir die Kernkraftwerke eine bestimmte Zeit brauchen werden, sicherlich sollten sichere Kernkraftwerke - nur von denen reden wir -, sollten verlängert werden in ihrer Laufzeit, auch die, die jetzt also abgeschaltet werden sollten kurzfristig, nach der bisherigen Vereinbarung, die es da gegeben hat.

Pindur: Sie haben jetzt zwei Aspekte schon ins Spiel gebracht, einmal, dass Atomkraftwerk CO2 nicht ausscheiden und insofern klimaneutral sind, das andere ist die Energiesicherheit. Ein dritter Faktor ist aber auch, der in der Öffentlichkeit auch eine große Rolle spielt: Wenn Atomkraft eine Zukunft haben soll in Deutschland, dann müsste es ja endlich mal beim Thema Endlagerung vorangehen. Was ist denn da in Sicht?

Meyer: Ja, unbedingt. Das ist einer der Punkte, der in dieser Legislaturperiode leider Gottes an Tricksereien auch des Umweltministeriums gescheitert ist. Wir hatten ja die klare Verabredung auch übrigens schon getroffen in der rot-grünen Koalition, dass also hier in Gorleben weiter geforscht werden soll, was den Standort angeht, dass hier die Sondierungen fortgesetzt werden und das Moratorium aufgehoben wird. Dazu ist es leider Gottes nicht gekommen, weil also hier insbesondere Herr Gabriel immer wieder die Untersuchungen von vorne anfangen will, und deswegen ist die Endlagerfrage sicher eine der ganz wesentlichen Fragen, die in der nächsten Legislaturperiode gelöst werden müssen oder zumindest vorangetrieben werden müssen.

Pindur: Nehmen wir mal an, es kommt zu schwarz-gelb: Die FDP, Ihr möglicher Koalitionspartner, dringt darauf, diese Frage von Gorleben, ja oder nein, zu klären, und zwar in der nächsten Legislaturperiode. Hand aufs Herz: Ist das zu schaffen?

Meyer: Ja, es müssten die Voraussetzungen geschaffen werden. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die Inbetriebnahme, eine mögliche Inbetriebnahme etwa von Gorleben sicherlich einen Zeitraum umfasst, der also 20 Jahre in der Zukunft liegt, und deswegen ist hier also jetzt auch eine Dringlichkeit vorhanden, dass wir die Endlagerung für Kernkraftelemente, die also hinterher noch radioaktive Strahlung absondern, dass wir die also vorantreiben, damit auch die Zwischenlager, die ja gebaut worden sind, nicht zu Endlagern werden.

Pindur: Das ist in der Tat noch ein langer Zeitraum. Glauben Sie, dass es bis dahin noch Kernkraftwerke gibt in Deutschland?

Meyer: Unabhängig davon, ob es dann noch Kernkraftwerke geben sollte, brauchen wir für die Endlagerung eine Lösung, und das wird unabhängig mal von jeglicher parteipolitischer Zusammensetzung eine Notwendigkeit sein, die sich die Politik in Deutschland, wenn sie verantwortungsvoll zuwege geht, vornehmen muss.

Pindur: Glauben Sie, dass Sie mit der Union im Wahlkampf punkten können, wenn Sie dafür werben, die Laufzeit von Atomkraftwerken zu verlängern?

Meyer: Wir haben immer gesagt, sichere Kernkraftwerke sollen verlängert werden, und ich muss Ihnen ganz offen sagen, dass ich überhaupt nicht verstehe die Argumentation, wie sie jetzt ja bei den Grünen vorhanden ist: Wenn ich also ein Abkommen abschließe und in ein Gesetz schreibe, dass also Kernkraftwerke, sagen wir mal, bis 2015, 2018, 2020 laufen sollen - wenn sie also bis 2015 sicher sind, warum können sie dann nicht auch fünf oder acht Jahre länger laufen? So, das ist der Punkt.

Wenn sie unsicher sind, müssen sie heute abgeschaltet werden, heute am Tag. Aber aus all den Berichten, die da also in der letzten Zeit gewesen sind, hat sich in keinem Fall ein Aspekt ergeben, der irgendwie auf Austritt von Radioaktivität oder Ähnlichem schließen ließ, sodass es keinerlei Ansatzpunkte gibt, etwa Kernkraftwerke jetzt zu schließen. Und die Argumentation der Grünen in dem Zusammenhang, bis 2015 was offenzuhalten und zu sagen, aber bis 2016 darf es nicht laufen, das leuchtet mir nicht ein.