Samstag, 20. April 2024

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Zum Tod der Sopranistin Inge Borkh
"Diese Intensität kriegt man nicht überall"

Sie sang mit den größten Dirigenten ihrer Zeit, am liebsten als Elektra. Passive Frauenfiguren in der Oper langweilten Ingeborg Simon - so ihr bürgerlicher Name. Gestern Nacht starb die Sopranistin mit dem Künstlernamen Inge Borkh im Alter von 97 Jahren.

Thomas Voigt im Gespräch mit Anja Reinhardt | 26.08.2018
    Inge Borkh in London, 1955
    Inge Borkh in London, 1955 (imago / ZUMA / Keystone)
    "Inge Borkh hat die "Salomé" schon in einem Alter gesungen, wo Gesangspädagogen sagen würden: Na, ob das mal gut geht?", so Thomas Voigt über die Anfänge von Borkhs Karriere. Es folgten große Rollen und internationaler Ruhm, aber schon mit 52 Jahren verabschiedete sich die als Ingeborg Simon geborene Sängerin. "Sie bekam nicht mehr die Angebote, auf die sie gehofft und gewartet hatte und sagte: Na, wenn das jetzt nur so tröpfelt, dann hör ich jetzt lieber ganz auf."
    Breites Repertoire
    Inge Borkh hatte ein sehr breites Repertoire, in Italien wurde sie von dem Mailänder Korrepetitor Vittorio Moratti ausgebildet, weswegen sie das italienische Repertoire auch gut singen konnte. Die Sieglinde aus Richard Wagners "Ring des Nibelungen" sang sie zwar auch, aber sie hätte dafür mehr Tiefe gebraucht – so ihre Selbsteinschätzung. Am liebsten aber sang sie die "Elektra" von Richard Strauss, ihre Lebensrolle.
    Flucht vor den Nationalsozialisten
    Ihr Lebensweg war zur Machtübernahme der Nationalsozialisten sehr behütet, 1933 floh die Familie nach Österreich, 1938 in die Schweiz. Schauspielerin wollte sie werden. "Und dann hat man ihr gesagt: Liebstes Kind, geh doch in die Kochschule." Aber Inge Borkh setzte sich durch. Erst am Theater, später als Sopranistin in der Oper. Das schauspielerische Talent setzte sich in der Oper so sehr durch, dass Richard Strauss sogar Angst um seine Musik hatte – er habe doch die Interpretation schon komponiert, so der Musiker. "Man spürte diese Intensität", so Thomas Voigt. Bis zu ihrem Tod war sie sehr aktiv, sie las, spielte Klavier und ging jeden Tag schwimmen. Und wenn die heutigen Stars der Opernbühne auftraten, dann sagte sie bis zuletzt: Das muss ich sehen!