Metropole gegen Mittelgebirge

Kampf ums Wasser

Der Fluss Nidda im Vogelsberg
Der Fluss Nidda im Vogelsberg © picture alliance / dpa / Marko König
Von Ludger Fittkau · 27.08.2018
Den Kommunen im Vogelsbergkreis in Osthessen ging in diesem Sommer das Wasser aus. Schuld daran sei vor allem die Metropole Frankfurt am Main, die Wasser aus dem Vogelsberg-Reservoir anzapft. Das soll sich in Zukunft ändern, fordern die Kommunen.
Heiko Stock begrüßt in der Nähe der Niddaquelle auf dem hessischen Vogelsberg eine Delegation der Linkspartei aus dem rund 70 Kilometer entfernten Rhein-Main-Gebiet: "Schutzgemeinschaft Vogelsberg: Ich bin stellvertretender Vorsitzender. Wir sind seit 1989 – solange bin ich noch nicht dabei – sind wir unterwegs, Thema Wasserentnahme."
Die von Kommunen und Umweltverbänden getragene Schutzgemeinschaft Vogelsberg, für die Stock spricht, kämpft dafür, dass der nahegelegene Ballungsraum künftig weniger Trinkwasser aus den Grundwasser-Reservoirs des Mittelgebirges abzapft:
"Unsere Forderung von der Schutzgemeinschaft Vogelsberg ist, dass sich das Rhein-Main-Gebiet einfach mehr um seine eigene Wasserversorgung kümmern soll."
Dieser Forderung verleiht die Schutzgemeinschaft Vogelsberg aktuell mit unübersehbar großen Transparenten Ausdruck. Diese hängen an den Bundesstraßen, auf denen gerade an Wochenenden Ausflügler aus Frankfurt auf den alten Vulkan fahren, um dort zu wandern oder aus rund 600 Metern Höhe die schöne Aussicht auf die Main-Metropole zu genießen.

Frankfurt zapft zuviel Wasser ab

Seit gut 100 Jahren bezieht Frankfurt per Fernleitung rund 40 Prozent seines Trinkwassers aus dem Vogelsberg. Doch zunehmend schneearme Winter und heiße Sommer wie in diesem Jahr lassen auch immer mehr Quellen im Vogelsberg zumindest zeitweise austrocknen - in diesem Sommer etwa die Brunnen der Kommune Ulrichstein.
"Ich war zwölf Jahre Bürgermeister bis zum 30.6.", erklärt Heiko Stock, "und Ihren Mitbürgern müssen Sie das mal erklären: In Ulrichstein fahren die jetzt täglich mit einem Tanklöschfahrzeug oder mit einem Milchlaster Wasser. Die haben nicht mehr genug Wasser in der Kernstadt und holen das von anderen Brunnen, aus anderen Hochbehältern und fahren es dort hin."
Die Skyline von Frankfurt am Main.
Verbraucht Frankfurt am Main zuviel Wasser?© picture-alliance / dpa / Thomas Muncke
Die Kosten – ökonomisch wie ökologisch – sind hoch für eine ohnehin vergleichsweise strukturschwache Region. Die Vermutung der Vogelsbergkommunen: Weil Frankfurt am Main so viel Wasser aus dem Mittelgebirge abzapft und der Niederschlag zurückgeht, trocknen die Brunnen aus.
Janine Wissler, die stellvertretende Bundesvorsitzende der Linkspartei und Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl am 28. Oktober, ist Frankfurterin und hört Heiko Stock an diesem Nachmittag bei einer Exkursion im Vogelsberg nachdenklich zu:
"Was wir jetzt hier hören, ist schon besorgniserregend. Wenn die Wasserentnahmen hier die ökologischen Probleme mit sich bringen und das auch mit Blick auf den Klimawandel alles problematisch ist, dann muss man jetzt schauen, wie Frankfurt da jetzt eben ein eigenes Brauchwassersystem aufbaut."

Ein zweites Wassernetz für Frankfurt?

Ein zweites Wassernetz für Frankfurt am Main zusätzlich zum Trinkwasser, gedacht für das sogenannte "Grau- oder Brauchwasser", etwa Main- oder geringfügig belastetes Grundwasser – das fordert auch Eva Goldbach. Sie ist Sprecherin für Kommunales und den ländlichen Raum der grünen Landtagsfraktion in Wiesbaden und lebt im Vogelsberg. Trinkwasser aus dem Mittelgebirge sollte in Frankfurt am Main etwa nicht länger für die Toilettenspülung benutzt werden:
"Man muss sich klarmachen: In Frankfurt liegt der durchschnittliche Tagesverbrauch an Trinkwasser bei 141 Litern. Durchschnittlich in Hessen bei 120 Litern, davon gehen allein 30 bis 60 Liter durch die Toilettenspülung. Da ist ganz viel Volumen, was man einsparen könnte. Und neben dieser zweiten Wasserleitung brauchen wir aber auch Wassersparkonzepte. Zum Beispiel Regenwassernutzung ist noch eine Möglichkeit. Da ist noch einiges zu tun und es wäre möglich, allein durch diese Wassersparmaßnahmen, den Verbrauch auf 80 Liter pro Person und Tag zu senken."
Die Hoffnung im Vogelsberg: Eine deutlich verringerte Frischwasserentnahme der Metropole könnte angesichts des Klimawandels nicht nur die Trinkwasserversorgung der Menschen besser sichern, die an den Hängen des alten Vulkans leben. Sondern sie könnte auch zum Erhalt der artenreichen Feuchtgebiete und Hochmoore beitragen, die es dort noch gibt. Die grüne Landtagsabgeordnete Eva Goldbach:
"Wir haben hier im Vogelsberg sehr sensible Feuchtgebiete. Moore mit einer einzigartigen Artenvielfalt und wenn der Wasserspiegel dauerhaft sinkt, dann sind die gefährdet. Deswegen müssen wir diese Biotope hier erhalten."

Wiedereinführung des "Wasserpfennigs"

Die Grünen wie auch die Linkspartei fordern überdies die Wiedereinführung des sogenannten "Wasserpfennigs" in Hessen – eine Abgabe, aus der Kommunen unterstützt werden, die besondere Aufgaben bei der Sicherung der Trinkwasserressourcen übernehmen.
"Es wäre richtig und angemessen, dass sie dafür ein Entgelt oder eine Entschädigung bekommen", sagt Eva Goldbach. "Das könnte man eben durch ein Wasserentnahme-Entgelt machen. Das gab es ja schon mal, das hieß damals der Wasserpfennig. (…) Und mit diesem Wasserentgelt könnt man dann eben diesen Ressourcen-Schutz gewährleisten und könnte auch die Kommunen dafür entschädigen, dass sie besondere Leistungen erbringen, für den Grundwasserschutz."
Wie etwa den Verzicht auf Neubaugebiete auf Grundwasserreservoirs wie im Vogelsberg.
Eine Besuchergruppe an der Quelle der Nidda.
Eine Besuchergruppe an der Quelle der Nidda.© Deutschlandradio - Ludger Fittkau
Janine Wissler, die stellvertretende Bundesvorsitzende der Linkspartei, beendete ihre gestrige Exkursion in den Vogelsberg ebenfalls mit einer klaren Erkenntnis:
"Ich finde, dass Wege gefunden werden müssen, wie eben im Rhein-Main-Gebiet Dinge getan werden, die man eben nicht mit Frischwasser tun muss, mit kostbarem Frischwasser."
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