#MeToo in der Musikbranche

"Wir kommen in Frieden, aber wir meinen es ernst"

Janelle Monae im Juni dieses Jahres bei einem Konzert in Los Angeles
Die Zeit für den Missbrauch von Macht ist vorbei: Janelle Monae im Juni dieses Jahres bei einem Konzert in Los Angeles. © picture alliance / dpa / AP Photo / Richard Shotwell
Von Elissa Hiersemann  · 19.12.2018
In Bezug auf #MeToo war es lange still in der Musikbranche. 2018 ergriffen viele Musikerinnen doch noch das Wort. Auf Preisverleihungen und in ihren Songs erzählten sie von ihren Ängsten als Frau und ihren Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch.
Gleich im Januar ging es los – mit einem Gedicht der Musikerin Halsey, das die 24-Jährige beim "Women’s March on Washington" vor 120.000 Menschen vortrug. Fast jede Frau habe eine Geschichte wie ihre eigene, sagte Halsey.
Eine Geschichte, die von Missbrauch, Vergewaltigung, Sexismus handelt und die gern so gedreht wird, dass Frauen es doch als Kompliment nehmen sollen, begehrt zu werden. Halsey ließ ihrer Wut beim Women’s March Anfang des Jahres freien Lauf.
Auch die US-amerikanische Musikerin Janelle Monáe nutzte die Gelegenheit für eine Rede bei der Grammy-Verleihung im Februar. Sie stehe nicht nur als Künstlerin auf der Bühne, sagte sie, sondern auch als Schwester der unzähligen Frauen, die als Produzentinnen, Texterinnen, Komponistinnen die Musikindustrie ausmachten.
Die Musikerin Janelle Monae 2018 bei den Grammy Awards.
Aufwühlende Rede: Monae bei den Grammy Awards.© dpa / picture-alliance
Und dann sagte sie diesen einen Satz: "Wir kommen in Frieden, aber wir meinen es ernst."

Diskriminiert und sexualisiert

Mit "wir" meinte Janelle Monáe all die unterbezahlten, diskriminierten, sexualisierten Frauen im Musikgeschäft. Und fügte hinzu, dass die Zeit für den Missbrauch von Macht vorbei sei. Die 33-Jährige aus Kansas nimmt #MeToo auch auf ihrem aktuellen Album "Dirty Computer" sehr ernst.
Per Knopfdruck schaltet Janelle Monáe auf ihrem Album "Dirty Computer" das sogenannte "Mansplaining", also herablassendes oder bevormundendes Gerede von Männern gegenüber Frauen, einfach stumm. Der Vagina Monolog übernimmt. Ein starkes Bild, das bei vielen ankam. Janelle Monaes Album ist für mehrere Grammys nominiert.

Song über eine Vergewaltigung

Auch die skandinavische Musikerin Jenny Wilson erzählt ihre Geschichte auf ihrem aktuellen Album "Exorcism". Die Vergewaltigung passiert nach einer durchfeierten Nacht. Jenny Wilson erzählt ihre Geschichte mit allen Konsequenzen, die so ein Erlebnis meist mit sich bringt. Die Scham beim Arzt und vor Gericht. Alles noch einmal erzählen zu müssen. Die Angst davor, wie es weitergehen soll mit einem "normalen" Familienleben. Die Frage, ob sie Männern je wieder vertrauen kann - in einer Welt, in der Respektlosigkeiten gegenüber Frauen universell und vielseitig sind.
Bleibt noch die Frage, ob es bei den Liedern bleibt, oder ob es 2018 auch Konsequenzen im Musikgeschäft gegeben hat. Ja und nein. Vor allem in der Klassik werden Chefdirigenten von Weltrang wie James Levine oder Charles Dutoit mit Vorwürfen von sexueller Belästigung konfrontiert. Auch der italienische Star-Dirigent Daniele Gatti verlor seinen Job als Chef des Amsterdamer Concertgebouw-Orchesters. Doch er hat schon wieder einen neuen, guten Job. Ab 1. Januar 2019 wird Gatti nun Chefdirigent der römischen Oper.

Es bleiben also auch 2018 vor allem die vielen Songs, die von toxischer Männlichkeit handeln, die wiederum im Alltag vieler Frauen einen gewaltigen Unterschied macht. Die junge unbekannte Musikerin, Malerin und Tänzerin Lynzy Lab hat diese Alltäglichkeiten in ihrem "Scary Song" verewigt. Linzy Lab stellte ihn Anfang Oktober auf YouTube. Seitdem hören ihr Millionen von Menschen zu, wie es ist, wenn man als Frau spätabends Angst hat, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen oder im Club immer aufpassen muss, dass einem nichts in den Drink gekippt wird.
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