MeToo in China

Ein Wettlauf mit der Zensur

Zhu Jun, prominenter Fernseh-Moderator des staatlichen Senders CCTV auf einer Pressekonferenz zur Sendung "Trust in China" in Peking im März 2018
Zhu Jun, prominenter Fernseh-Moderator des staatlichen Senders CCTV, steht im Mittelpunkt der MeToo-Debatte in China. © picture alliance/Cao Ji/Imaginechina/dpa
Axel Dorloff im Gespräch mit Dieter Kassel  · 03.08.2018
In China haben in den vergangenen Tagen Dutzende Frauen Missbrauchsvorwürfe gegen Vorgesetzte und Kollegen erhoben. Die Politik versucht, die MeToo-Debatte mit Zensurmaßnahmen zu unterbinden. Aber prominente Fälle sorgen für steigendes Interesse.
"MeToo" jetzt auch in China: Im Mittelpunkt der Diskussion steht Zhu Jun, Fernseh-Moderator des staatlichen Senders CCTV. Er wurde in einem anonymen Brief beschuldigt, eine Praktikantin in seiner Garderobe bedrängt zu haben. Weitere Vorwürfe gibt es unter anderem auch gegen einen ehemaligen Badminton-Profi, einen Piloten, einen Umweltaktivisten und den Abt eines buddhistischen Tempels in Peking.

Am Anfang stand eine Wandzeitung

Trotz der staatlichen Zensur erfahre die chinesische "MeToo"-Debatte mehr Öffentlichkeit als zuvor, sagte Peking-Korrespondent Axel Dorloff. Angefangen habe es an den Universitäten, nachdem Studentinnen mobilisiert hätten und im Mai sogar eine anonyme Wandzeitung auf dem Campus in Peking auftauchte. "Das hatte es zuletzt 1989 gegeben, als damals der pro-demokratische Protest gegen das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens abrupt beendet wurde."
Die chinesische Gesellschaft sei sehr patriarchalisch, sagte Dorloff. In der Wirtschaft und in der Politik würden die wichtigen Positionen in der Regel von Männern bekleidet. Es gebe bis heute die Gepflogenheit von Zweitfrauen.

Kreative Strategien im Umgang mit Zensur

Das Thema "MeToo" werde an Dynamik noch zunehmen, prognostiziert Dorloff: "Es wird die Zensurbehörden zumindest auf Trab halten." Es sei immer ein Katz- und Maus-Spiel. Wenn es genügend Interesse und Beteiligte im Netz gebe, um darüber zu diskutieren, gebe es immer wieder neue Räume im Internet.
"Dann werden Synonyme benutzt, dann wird MeToo anders geschrieben – wenn man zum Beispiel das Me mit i schreibt und das Too mit u, dann bedeutet das auf chinesisch Reishase." Dann würden Bilder benutzt, die von den Zensursuchmaschinen eine Weile nicht gefunden würden. "Aber in der breiten Masse kommt das Thema nicht wirklich an, weil die Staatsmedien kaum darüber berichten." Deshalb glaube er nicht, dass MeToo in China wesentlich etwas verändern werde.
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