Messebesuch

Erst Pornos, dann Heirat, Kinder und Haus

Besucher filmen und fotografieren während der Erotik-Messe "Venus" 2013 in Berlin die Vorführungen einer Frau.
Besucher filmen und fotografieren während der Erotik-Messe "Venus" 2013 in Berlin die Vorführungen einer Frau. © picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka
Von Gerd Brendel · 20.10.2014
"Sex als Ware im Internetzeitalter" ist eines der Zentralthemen der Erotikmesse Venus in Berlin. Wer da mitreden will, muss 28 Euro Eintritt zahlen. Dafür bekommen die Fans dann Sternchen zum Anfassen und einen Schokololli.
Moderator: "Was soll ich sagen ... der Shootingstar 2014... ohne Worte, kommt her Jungs, guckt euch's an ... genießt die Show!"
Vor der Bühne gleich am Halleneingang drängeln sich Männer um die 40 und halten sich ihre Smartphones vors Gesicht. Auf dem Podest zeigt Julia Pink, Erotik-Preisträgerin im Bereich Amateur-Video ihre Brüste und mehr. Die Stimmung bewegt sich irgendwo zwischen Junggesellenabschied und Rummelplatz. Nach der Show will jeder ein Selfie mit dem Modell. Einer umgreift zaghaft eine ihrer vollen Brüste. Der nächste legt ihr die Hand um die Hüfte.
Besucher: "Das ist ja der Sinn hier. Dass man sich hier nette Mädels anschaut, ne?"
Die 28 Euro Eintrittsgeld haben sich für Thorsten aus Leipzig schon gelohnt. Das Versprechen der Venus "Treffe Deine Lieblingspornodarstellerin" funktioniert auch in Zeiten des Internets. Auch wenn wahre Pornostars wie Vivianne Schmitt selten geworden sind.
"Es lohnt sich nicht 20.000Euro in nen Film zu stecken, der dann umsonst ins Netz gestellt wird."
Vivianne Schmitt weiß, wovon sie spricht. Mehrmals wurde sie zur besten Porno-Darstellerin Deutschlands gekürt.
"Ich mach das jetzt zwölf Jahre und denke, ich kann das noch ein paar Jahre machen."
Familienglück in der Pornobranche
Am Stand ihrer Filmfirma drängeln sich die meisten Fotografen. Der gut aussehende Mann neben ihr ist ihr Freund. Wie geht das zusammen, Zweierbeziehung und Sex als Beruf?
"Wir sind ganz normale Leute im privaten Leben. Wir haben geilen, heißen Sex, aber wir swingen gar nicht. Am meisten drehen wir ja sowieso zusammen, oder zu dritt."
Mit einem Mann als dritten?
"Noch nicht … zwei Frauen ... bis jetzt habe ich ihn noch nicht überreden können."
Pornos drehen ist harte Arbeit. Und was kommt danach?
"Heiraten, Kinder, Haus."
Die Schmitts sind keine Ausnahme mit ihrem Traum vom Familienglück. Ich treffe noch ein paar andere zufriedene Zweierbeziehungen in der Branche. Alle eine große Familie? Dieser Gedanke stand auch für die Internetplattform "Kauf mich" Pate. Vor dem Stand der Internet-Community muss ich erst Peggy-Sue [Anmerkung der Redaktion: Name auf Wunsch korrigiert], einer "Hobby-Hure" mit gewaltigen Brüsten, mit dem Mund einen Schokololli aus dem Dekolleté ziehen, bevor mir ihre Kollegin die Seite erklärt:
"Kaufmich ist ne Plattform für Kunden, Escorts, Betreiber, Massagestudios, Laufhäuser, Swinger-Clubs.und dadurch, dass es ne Community ist, haben wir halt son eins zu eins Kontakt. Dann haben wir ein Bewertungssystem drin, wo auch die Escorts die Kunden bewerten können, wo der Kunde sagen kann: 'o geile Maus', und der Escort: 'super Gentlemen' oder so."
Escorts, die ihre Kunden bewerten
Das gleiche Verfahren wie bei Ebay oder Bed-and-Breakfast-Portale, wo ja auch Gastgeber ihre Gäste bewerten. Und genau wie bei Verkaufs- oder Privatzimmer-Portalen sind bei Kauf mich vor allem Gelegenheitsdiensleister und -dienstleisterinnen unterwegs. Zeitgeist und Porno.
"Da kann man dem Internet ja fast dankbar sein, dass eine Entmystifizierung stattgefunden hat von Pornografie."
Sagt Andreas Fischer, Geschäftsführer von Beate Uhse Tv
"Vor 10, 15 Jahren konnten sie Pornos nur in Kabinen von Sexshops, schmuddeligen Läden im Bahnhofsviertel konsumieren. Da sind Frauen, und Paare viel weniger mit Porno in Berührung gekommen als heute mit Computer, Smartphones, Tablets."
Der größte Stand auf der Messe ist ein Internet-Versand. Die Sex-Toys, Vibratoren, Dildos und Liebeskugeln sehen wirklich so aus wie buntes Spielzeug. "Messe-Rabatt über 50%" steht über den Verkaufskojen.
Sex ist ein Produkt und seine Produzenten und Produzentinnen haben ganz ähnliche Probleme wie die Hersteller von Büchern oder Autos. Es gibt nichts umsonst, außer ein paar Fantasien. In der U-Bahn auf dem Nachhauseweg sitzen mir zwei Männer und zeigen sich die Fotos auf ihren Smartphones. Ich ziehe den halbgeschmolzenen Schokololli aus der Tasche. Er schmeckt süß.
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