Meret Oppenheim im Kunstmuseum Bern

Mehr als eine Pelztasse

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Meret Oppenheims Pelztasse.
Meret Oppenheim wird meistens mit der mit Pelz überzogenen Tasse assoziiert, dabei ist ihr Werk vielschichtiger, wie man nun in Bern sehen kann. © imago / United Archives International
Nina Zimmer im Gespräch mit Susanne Burkhardt · 22.10.2021
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In Bern räumt man mit verschiedenen Klischees rund um Meret Oppenheim auf: Sie ist weder nur Surrealistin noch nur Muse von Man Ray, und weit mehr als ihre Pelztasse. Die Schau „Mon Exposition“ gibt neue Einblicke in das Werk der Schweizerin.
"Meret Oppenheim hatte großes Glück, das sich dann in einen Fluch verwandelt hat: 1936 – da war sie gerade Anfang 20 – konnte sie die Pelztasse an das Museum of Modern Art (MoMA) in New York verkaufen. Dieser sehr frühe große Erfolg saß ihr im Nacken. Sie ist immer wieder an dieser einen Arbeit gemessen worden. Und es hat sehr lange gedauert, bis wir sie jetzt ein bisschen davon befreien konnten", sagt Nina Zimmer, die für das Kunstmuseum Bern die erste große transatlantische Retrospektive zu Meret Oppenheim kuratiert hat.
Die Berner Schau "Meret Oppenheim – Mon Exposition" legt den Schwerpunkt auf Oppenheims Nachkriegswerke der 40er- bis in die 80er-Jahre und räumt gleich mit mehreren Klischees auf: Die hartnäckigsten sind, dass sie die Muse von Man Ray und vor allem Surrealistin gewesen sei.

"Zunächst muss man sich vergegenwärtigen", so Zimmer, "dass Meret Oppenheim circa zehn Jahre im Kontext des Surrealismus, in den 30er-Jahren, gearbeitet hat, aber dann geht es weiter mit der Arbeit. Und wir zeigen jedes dieser Jahrzehnte in seinen Anschlüssen an die jeweilige Gegenwartskunst – und damit auch, dass sie eben nicht nur zum Surrealismus zeitgenössisch ist, sondern zu jeder anderen Epoche danach ganz genauso."
Zwei weiße wie ein Hähnchen zusammengeschnürte High Heels auf einem Tablett.
Ein Exponat der Ausstellung: Meret Oppenheims Werk "Kindermädchen".© Moderna Museet, Stockholm / Albin Dahlström / ProLitteris, Zurich

Radikal offenes Kunstkonzept

Dass Meret Oppenheim vor allem auf den Surrealismus festgelegt wird, habe auch mit der Zeit zu tun, in der sie gelebt hat. Heute könne man von dieser Zuschreibung Abstand nehmen, sagt die Museumsleiterin:
"Wir können ganz gelassen auch Gleichzeitiges zulassen, was chronologisch vielleicht zu verschiedenen Epochen seinen Peak hatte. Wir sind dieses Festlegen auf eine einzige künstlerische Sprache nicht mehr genauso gewöhnt und sehen vielmehr, wie Meret Oppenheim eine Pionierin davon ist, ein offeneres, freieres Kunstkonzept zu wählen und damit offenzubleiben für Veränderung – und auch sich selbst permanent zu hinterfragen und weiterzuentwickeln."

Kein Nacktbild, keine Anekdoten

Wer das berühmte Nacktbild, das Man Ray von Meret Oppenheim gemacht hat, in Bern sucht, wird enttäuscht. Die Künstlerin habe sich immer sehr darüber geärgert, dass dieses Bild in allen Ausstellungen und Katalogen verwendet wurde, sagt Zimmer. Deswegen sei es in Bern nicht zu sehen. "Das sind so Sachen, die uns wichtig waren, um ihrer Stimme zu folgen und nicht dieselben Klischees immer wieder aufzurufen. Wir versuchen auch, die Anekdoten, von wann sie mit wem welche Affäre hatte, wirklich herauszulassen und uns auf ihre Arbeit zu konzentrieren, wie man das bei einem männlichen Künstler auch machen würde."

Aber auch die Pelztasse aus dem MoMA ist in Bern nicht zu sehen, weil sie aus organischem Material besteht und deswegen nicht mehr reisefähig ist, wie Zimmer erklärt: "Die bröckelt, sobald man sie ein bisschen bewegt – und in gewisser Weise ist es auch eine Befreiung von diesem ikonischen Werk, unter dem sie auch wirklich gelitten hat." So ganz konnte man aber nicht auf die Tasse verzichten, sie ist als Abbildung und somit symbolisch präsent.
Schwarzweißfoto von Meret Oppenheim hinter einer ihrer Skulptur "Sechs Wolken auf einer Brücke".
Meret Oppenheim in ihrem Atelier – 1982 fotografiert von Margrit Baumann.© Kunstmuseum Bern / Bernische Stiftung für Foto, Film und Video / Margrit Baumann

"Mon Exposition" ist im Kunstmuseum Bern noch bis zum 13. Februar 2022 zu sehen.

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