Donnerstag, 28. März 2024

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Debatte um Impfungen
Soziologe Bude beobachtet Entsolidarisierung

Wer hat eine Impfeinladung, wer nicht? Wer bekommt welchen Impfstoff? Fragen wie diese führen laut Soziologe Heinz Bude derzeit zu einer unsolidarischen Situation in der Gesellschaft. Dem könne man nur Herr werden, indem man die Impfpriorisierung möglichst schnell aufhebe, sagte er im Dlf.

Heinz Bude im Gespräch mit Jörg Biesler | 27.04.2021
Vorstellung des Gruendungsdirektor des documenta-Institut, Heinz Bude, am 12.08.2020 in Kassel.
Fordert eine möglichst rasche Aufhebung der Impfreihenfolge: der Soziologe Heinz Bude (IMAGO/epd-bild/AndreasxFischer)
Bund und Länder haben sich bei ihrem Impfgipfel grundsätzlich auf Lockerungen für Geimpfte und Genesene verständigt. Konkrete Vorschläge, welche Maßnahmen für diese Bevölkerungsgruppen künftig nicht mehr gelten sollen, will die Politik in den kommenden Tagen machen.
Eine Frau wartet im Impfzentrum in der Frankfurter Festhalle bei einem Sondertermin auf die Impfung mit dem Impfstoff von Astrazeneca geimpft. In Frankfurt und weiteren Impfzentren in Hessen können sich Personen über 60 Jahre am Wochenende für Sondertermine mit dem Impfstoff von Astrazeneca anmelden.
Impfpriorisierung soll ab Juni aufgehoben werden
Die bisherige Priorisierung bei den Corona-Impfungen in Deutschland soll spätestens im Juni aufgehoben werden. Das ist das Ergebnis des Impfgipfels von Bund und Ländern. Die Meinungen dazu gehen auseinander.
Aber sind Lockerungen für Geimpfte wirklich gerecht? Müsste sich nicht auch diese Bevölkerungsgruppe weiterhin an die Corona-Regeln halten - aus Solidarität mit den Nicht-Geimpften? Fragen wie diese nach Gerechtigkeit und Solidarität werden derzeit mit Blick auf die Corona-Impfungen viel diskutiert.
Tägliche Impfquote
Der Soziologe Heinz-Bude ist unter anderem Autor eines Buchs mit dem Titel "Solidarität - Die Zukunft einer großen Idee". Beim Thema Impfen gebe es derzeit eine Entsolidarisierung innerhalb der Gesellschaft:
"Es ist das große Thema unter den Leuten: Wer hat eine Impfeinladung, wer nicht? Wer hat sich vorgedrängelt? Wer kriegt den 1A-Impfstoff aus Mainz oder Marburg und wer muss den aus Schweden oder Großbritannien nehmen?" Fragen wie diese führten zu einer sehr unangenehmen, unsolidarischen Situation in der Gesellschaft.
Eine mögliche Visualisierung des geplanten digitalen Impfpass liegt neben einem analogen Impfpass. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten am Donnerstag eine europäische Lösung beim Corona-Impfpass beschlossen. Themenbild, Symbolbild *** A possible visualisation of the planned digital vaccination card lies next to an analogue vaccination card The EU heads of state and government had decided on Thursday on a European solution for the Corona vaccination card Topic image, symbol image Foto:xC.xHardtx/xFuturexImage
Mehr Freiheiten für Geimpfte und Genesene?
Die EU-Kommission will im Juni einen digitalen Impfpass einführen. Beim Impfgipfel von Bund und Länder wurden noch keine Ausnahmen für Geimpfte beschlossen. Ein Überblick.

"Unerträgliche Situation für die Jüngeren"

Dieser Entsolidarisierung könne man nur Herr werden, indem man die Impfpriorisierung möglichst schnell aufhebe, so Bude im Dlf.
"Stellen Sie sich mal vor: Wir haben Sommer und die 60- bis 80-Jährigen dominieren die Strände an der Ost- und Nordsee und die Wanderwege in den Bergen des Allgäus. Und die 40-Jährigen mit den kleinen Kindern müssen draußen stehen bleiben. Das ist eine unerträgliche Situation für die 40-Jährigen, die Homeschooling machen, die möglicherweise für pflegebedürftige Familienangehörige aufkommen. Das geht nicht, das kann man nicht machen."
Heinz Bude: "Solidarität. Die Zukunft einer großen Idee"
Solidarität kann mannigfache Formen annehmen, selbst in neoliberalen Zeiten. Zu diesem Ergebnis kommt der Soziologe Heinz Bude in seiner Studie, die quer durch die Geisteswissenschaften geht und das alte Konzept der Solidarität auf seine Zukunftstauglichkeit prüft.
Und Heinz Bude geht noch weiter: "Ich glaube sogar, wenn man eine Impfpriorisierung machen wollte, müsste man sie im Augenblick für die 30- bis 50-Jährigen machen."
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)