Donnerstag, 28. März 2024

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28. Haydn-Tage in Eisenstadt
Abschied von Schloss Esterhazy

Sie sind das größte Festival im österreichischen Burgenland: die Haydn-Tage in Eisenstadt. Im barocken Stadtschloss des Fürsten Esterhazy war Joseph Haydn als Kapellmeister tätig und komponierte viele Werke. Auf den prächtigen Musiksaal als Spielstätte müssen die Haydn-Tage ab dem kommenden Jahr allerdings verzichten.

Von Claus Fischer | 20.09.2016
    Die Hauptfront von Schloss Esterhazy in Eisenstadt im österreichischen Burgenland. Hier hat Joseph Haydn den größten Teil seiner mehr als 1000 Werke komponiert
    Letztmalig Spielstätte der Haydn-Tage in Eisenstadt: Schloss Esterhazy (picture-alliance/ dpa)
    Musik: Haydn, Divertimento
    Solide Unterhaltungsmusik für einen Adelshof, komponiert von einem jungen Kapellmeister am Anfang seiner Karriere. Im stimmungsvollen Ambiente des Empiresaals auf Schloß Esterhazy in Eisenstadt präsentierte das Wiener Kammermusikensemble "Dolce Risonanza" Werke des frühen Haydn, entstanden in Böhmen.
    "Er hat dort seine erste Kapellmeisterstelle beim Grafen Morzin gehabt, in Dolny Lukavice, das ist ein kleines Dorf bei Pilsen", erzählt der Intendant der Internationalen Haydn-Tage Eisenstadt Walter Reicher.
    "Wie lang er wirklich dort war, das wissen wir gar nicht, das liegt ein bisschen im Dunkeln. Also von seinen Biografen wissen wir: er war einen Sommer dort. Aber was ganz, ganz wichtig ist, er hat dort ein eigenes Orchester gehabt. Und er hat für den Grafen seine ersten Sinfonien geschrieben!"
    Maßgeschneiderte Festspiel-Programme
    Diese Werke vermitteln einen Eindruck, wie Haydn zum prägenden Komponisten auf dem Gebiet der Sinfonie werden konnte. Schon in ihnen ist sein enormer musikalischer Einfallsreichtum zu spüren. Das konnten die Festivalbesucher der Internationalen Haydn-Tage bei einem hervorragenden Konzert der österreichisch-ungarischen Haydn-Philharmonie unter Leitung des jungen Cellisten Nicola Altstaedt erleben. Er gab damit sein gelungenes Debut als Dirigent.
    Musik: Haydn, Sinfonie Nr. 107
    "Also die Programme, die wir hier haben, sind zum ganz großen Teil maßgeschneidert", betont Walter Reicher.
    "Sie werden für uns gemacht, für die Haydn-Festspiele. Ich sag immer: Wir müssen von Haydn ausgehen. Und wenn aber das Orchester oder die anderen Künstler das noch woanders hinverkaufen, Freude. Aber umgekehrt will ich nicht von der Stange hier ein Programm machen, sondern es muss maßgeschneidert sein!"
    Das Thema "Haydn und Böhmen" – es erschöpft sich längst nicht nur beim Blick auf das Frühwerk des Komponisten.
    "Das Schöne ist, dass zu dieser Zeit sehr viele böhmische Musiker, Komponisten in Wien waren. Der Adel ist ja eher verarmt, es wurden sehr viele Kapellen aufgelöst. Es sind viele auch nach Wien gekommen, die dann mit Haydn befreundet waren."
    Bemerkenswerte Neuentdeckung
    Ein wichtiger böhmischer Freund Haydns war der Cellist und Komponist Johann Baptist Vanhal, der - so berichtet ein Chronist – auch einmal gemeinsam mit Haydn, Mozart und Carl Ditters von Dittersdorf ein temporäres Streichquartett gebildet hat.
    "Ich nenne das das 'Millionen-Gulden-Quartett'. Da hätte man Mäuschen sein sollen!"
    Musik: Vanhal, Cellokonzert
    Für viele im Publikum eine absolute Entdeckung war das Cellokonzert in C-Dur von Johann Baptist Vanhal. Es steht dem weit bekannteren C-Dur Konzert Haydns absolut nicht nach.
    Nicola Altstaedt führte als Solist und Dirigent der Österreichisch-Ungarischen Haydn-Philharmonie in Personalunion in Eisenstadt mit enormer Energie und Lebendigkeit beide Werke auf. Und zwar im barocken Prunksaal, in dem Haydn in seiner langen Karrierephase als Hofkapellmeister des Fürstenhauses Esterhazy regelmäßig mit seinen Musikern auftrat.
    "Das ist nochmal was ganz Besonderes, weil er ja unverändert erhalten geblieben ist und weil die Akustik wirklich genau so ist wie damals. Es ist was Besonderes, zu erleben, unter welchen Bedingungen er geschrieben und auch selber musiziert hat."
    Haydn-Tage ohne Haydn-Saal
    Der Haydn-Saal im Schloss war in den letzten 28 Jahren Hauptspielort der Internationalen Haydn-Tage. Das wird ab der kommenden Saison nicht mehr der Fall sein. Die Familienstiftung Esterhazy, der das Gebäude gehört, hat das Festival, das zum großen Teil vom Bundesland Burgenland finanziert wird, vor die Tür gesetzt. Sämtliche Büros müssen geräumt und die Säle dürfen nicht mehr bespielt werden.
    "Wir sind hier bissl als Kollateralschaden zwischen Streitereien zwischen der Stiftung hier und dem Land Burgenland hereingeraten."
    Was die Ursache dieser Querelen sind, die inzwischen mehr als zehn Jahre andauern, lässt sich für Außenstehende schwer ermessen. Die Familienstiftung Esterhazy, in deren Leitungsgremium merkwürdigerweise kein Familienmitglied mehr Sitz und Stimme hat, wird im nächsten Jahr ein eigenes Musikfestival ausrichten - unter dem etwas belanglos wirkenden Titel "Herbstgold". Das Programm steht schon fest und setzt eher auf große Namen und Events als auf Joseph Haydn, geschweige denn auf eine schlüssige Dramaturgie. Von Seiten der Esterhazy-Stiftung war leider kein Vertreter zu einer Stellungnahme bereit. Haydn-Tage-Intendant Walter Reicher begreift den Rausschmiss allerdings als Chance, um seinem Festival eine neue, spannende Ausrichtung zu geben. Man wird hinausgehen ins Umland.
    "Haydn hat im Umkreis von fünfzig Kilometern um den Neusiedler See, also dieser große See in der Nähe von Wien, neunzig Prozent seines Lebens verbracht. Das ist seine Heimat! Er ist hier geboren in Rohrau, er ist in Hainburg zur Schule gegangen, war in Wien bei den Sängerknaben, ist nach Eisenstadt gekommen, hat am Südufer vom Neusiedler See dann in Estoras auch das Opernhaus bespielt. Er ist in Preßburg gewesen, jetzt heutiges Bratislava."
    Ungewisse Zukunft des Festivals
    Alle genannten Orte werden in den nächsten Jahren also ins Programm einbezogen. Ob sich dieses neue Konzept bewähren wird, bleibt abzuwarten. Zumal die Misstöne zwischen Festival und Esterhazy-Stiftung leider auch musikalische Auswirkungen haben. Die vom Dirigenten Adam Fischer 1987 gegründete "Österreichisch-Ungarische Haydn-Philharmonie" war von Anfang an 'Orchestra in Residence' beim Festival. Nun haben die Musiker den Cellisten Nicolas Altstaedt als Chefdirigenten verpflichtet und einen Vertrag mit der Esterhazy-Stiftung unterschrieben.
    "Wir sind an den Haydn-Saal gebunden, wir möchten weiter im Haydn-Saal spielen. Das Orchester war immer im September hier im Haydn-Saal Residenzorchester. Und das Orchester hat sich entschieden, das weiter beizubehalten."
    Darüber hinaus haben die Musiker mit Nicolas Altstaedt auch eine Änderung des Namens beschlossen. In Zukunft heißt das Orchester nur noch "Haydn-Philharmonie".
    "'Austro-Hungarian Haydn Philharmonic Orchestra' ist schon irgendwie sehr umständlich. Gerade, wenn man auch eben ins Ausland reist. Das hat aber keinen antieuropäischen Anlass. Es sind nach wie vor viele Österreicher und Ungarn, die das Orchester bilden und dabei bleibt es auch."
    Der Intendant der Internationalen Haydn-Tage Walter Reicher ist sowohl mit der Namensänderung des Orchesters, als auch mit dessen Entscheidung, in Zukunft mit der Esterhazy-Stiftung zusammenzuarbeiten, nicht glücklich. Ob langfristig gesehen eine Lösung des Streits zwischen der Stiftung und der burgenländischen Landesregierung erreicht werden kann, möchte er allerdings nicht ausschließen.
    "Man darf nie etwas als endgültig ansehen. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass derjenige, der hier im Schloss das Sagen hat, sich ständig aus dem Haydn-Land ausschließen möchte."