"Meine kleine Familie"

Von Anke Leweke · 23.10.2013
Paul-Julien Robert geht mit seiner Dokumentation auf eine Art Spurensuche: In mehreren Gesprächen und mit Archivaufnahmen blickt er zurück auf das Leben in der Kommune des umstrittenen Aktionskünstlers Otto Muehl.
Dieser Regisseur nimmt uns mit auf eine Zeitreise in seine eigene Kindheit und Jugend. Schauplatz seines Dokumentarfilms ist die vom Maler und Aktionskünstler Otto Muehl geleitete Kommune Friedrichshof, die freie Sexualität, Kollektiverziehung und die Aufhebung des Eigentums propagierte.

Das Leben und der Alltag in dieser Kommune, die unter anderem wegen des Vorwurfs der Unzucht Anfang der neunziger Jahre schließen musste, wurden von den Bewohnern selbst sorgfältig archiviert und dokumentiert, so auch die ersten Schritte, das Großwerden von Paul-Julien Robert im Friedrichshof.

Was könnte es für Kinder Schöneres geben, als in aller Freiheit und ohne Autoritäten aufzuwachsen? Doch wenn sich Robert die Archivaufnahmen aus dieser Zeit anschaut, sieht er ein fremdes, ferngesteuertes Wesen. Diesem Wesen, diesem kleinen Jungen versucht er sich nun anzunähern durch Gespräche mit seiner Mutter, durch Reisen zu den Männern, die seine Väter sein könnten und durch Besuche bei den anderen Kommunenkindern.

Schonungslos und ehrlich ist das Ergebnis dieser Reise, dabei niemals anklagend, sondern immer nach Verständnis suchend. Robert verurteilt nicht die Ideologie, die Hippiekultur jener Jahre, vielmehr möchte er begreifen, warum sich seine Mutter dort aufgehoben fühlte, warum Otto Mühl für so viele Menschen zur Leitfigur werden konnte. Gleichzeitig zeigt er aber auch die Folgen für die Kinder, die im Gruppenleben manchmal übersehen wurden. Er zeigt, dass sich hinter dem antiautoritären Lebensstil doch autoritäre Strukturen verbargen, dass sein Tagesablauf streng reglementiert war. "Meine keine Familie" ist eine subjektive Reise in eine Kindheit und eine objektive Auseinandersetzung mit den Ideen einer anderen Lebenskultur.

Mehr Informationen auf der Filmhomepage

Österreich 2012, Regie: Paul-Julien Robert, 100 Minuten, FSK: ab zwölf Jahren


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