"Meine Jugend war zum größten Teil eigentlich nur durch Gewalt gekennzeichnet"

Gabor Laczko im Gespräch mit Dieter Kassel · 22.07.2009
Woran kann man noch glauben, wenn man in seinem Leben hintereinander den Glauben an Kommunismus, Glauben an Gott und Glauben an ein funktionierendes Banken- und Finanzsystem verloren hat? Dazu äußert sich der Schriftsteller Gabor Laczko, der in einem Kriminalroman mit jeder Art von religiösem Glauben abrechnet.
Dieter Kassel: 1941 wurde Gabor Laczko in Ungarn geboren, 1956 als junger Mann verließ er sein Heimatland, und zu diesem Zeitpunkt hatten ihm Stalinismus und Niederschlagung des Aufstands schon die Möglichkeit, an den Sozialismus zu glauben, genommen. Er fand aber einen anderen Glauben. In seiner neuen Heimat in der Schweiz wurde der überzeugte Katholik Anfang der 60er-Jahre sogar Mitglied des Jesuitenordens, aber die insgesamt sieben Jahre dort verdarben ihm dann auch noch den Glauben an Gott.

Er wurde zum Agnostiker und – weil er schließlich auch irgendwie Geld verdienen musste – zum Banker. Da war er sehr erfolgreich. Nun aber, wo die Finanzkrise uns allen den Glauben an ein funktionierendes Bankensystem eigentlich auch genommen hat, nun aber ist Gabor Laczko eigentlich sehr froh, dass er im Alter von inzwischen 68 Jahren längst die Möglichkeit hat, sich nur noch auf das Schreiben zu konzentrieren. Sein erster Roman ist gerade erschienen. Der Roman heißt "Die Audienz", und Gabor Laczko sitzt jetzt für uns im Studio in Lugano in der Schweiz. Schönen guten Tag, Herr Laczko!

Gabor Laczko: Guten Tag, Herr Kassel, guten Tag an alle Zuhörerinnen und Zuhörer!

Kassel: Sie haben den Glauben an Gott irgendwann verloren in den 60er-Jahren, Sie haben nie so richtig Gelegenheit gehabt, einen Glauben an den Sozialismus entwickeln zu können durch diese frühen Erfahrungen. Inzwischen mussten Sie als Banker auch noch einsehen, Glauben ans Bankensystem ist auch nicht gerechtfertigt gewesen. Glauben Sie eigentlich jetzt überhaupt noch an irgendetwas?

Laczko: Herr Kassel, ich glaube an sehr vieles. Ich glaube an den Menschen, ich glaube daran, dass der Mensch auch zu sehr positiven Akten fähig ist, und ich glaube daran, dass die Menschheit all die Krisen, die wir erleben, nicht nur wirtschaftlich, aber auch politisch, auch international in den Konflikten und vor allem auch im Umweltbereich überwinden wird. Daran glaube ich sicher.

Kassel: Kann sie das nur, wenn sie auch den Glauben an eingebildete höhere Mächte überwindet, wirklich leisten?

Laczko: Nein, das sicher nicht. Was ich gesagt habe, kann jeder glauben, der an Gott glaubt, genauso mit vollziehen, das ist also nicht irgendwie eine Exklusivität von Agnostikern und von Atheisten. Allerdings würde ich sagen, ich möchte auch nicht die Religion dazu bemühen, diesen Glauben zu festigen, denn die kann für sich allein stehen.

Kassel: Sie sind 1956 in die Schweiz gekommen, sind dann später Anfang der 60er-Jahre in den Jesuitenorden eingetreten. Nun weiß ich, dass Sie schon vom Elternhaus her als gläubiger Katholik erzogen worden sind, aber selbst ein gläubiger Katholik wird ja nicht zwangsläufig auch ein Jesuit. Warum haben Sie diesen Weg damals für sich überhaupt gewählt?

Laczko: Sehen Sie, meine Jugend war zum größten Teil eigentlich nur durch Gewalt gekennzeichnet. Als ich vier Jahre alt war, haben die russischen Bomber Budapest zerstört, und ich mag mich an diese ersten Bilder erinnern. Nachher kam das stalinistische Regime, das meine Familie zerstört hat. Und am Schluss kam noch die Revolution dazu, wo ich mitgemacht und miterlebt habe und wo dazu geführt hat, dass Ungarn wieder in die Knie gezwungen wurde.

All diese Erfahrungen haben nachher dazu gedient, dass ich in der Schweiz, weil das sehr heil und schön war, danach gesucht habe, wie ich einen sinnvollen Einsatz für eine etwas friedlichere, eine etwas bessere Welt machen könnte. Und ich sah das genau in dem, das ich für den Glauben, für die Kirche und im Rahmen des damals als Elitetruppe der Kirche bezeichneten Jesuitenordens getan hätte.

Kassel: Und was ist passiert, um diese Ansichten zu verändern?

Laczko: Sehen Sie, der Jesuitenorden ist dadurch ausgezeichnet, dass die Mitglieder drei Studien machen. Zuerst die Philosophie, dann die Theologie und jeder Einzelne ein Spezialstudium, je nach seiner Begabung und Interesse. Und die Philosophie ist eigentlich eine Disziplin, die dazu hilft, das Denken zu schärfen.

Als ich dann in die Theologie kam, hat das gewetzte Messer der Philosophie plötzlich an meinem Glauben angefangen, Ritze zu schneiden, und am Schluss war es genau die Theologie, die mich dazu gebracht hat, mich nicht mehr identifizieren zu können mit dem, was ich bisher geglaubt habe. Das war dann der Grund, warum ich dann nachher den Orden verließ.

Kassel: Wir reden im Deutschlandradio Kultur heute mit Gabor Laczko. Er ist lange Zeit erfolgreicher Banker gewesen, vorher war er im Jesuitenorden. Jetzt schreiben Sie Bücher, haben sich auch entschlossen, das jetzt hauptsächlich machen zu wollen.

Der erste Roman "Die Audienz" ist zunächst mal von der Form her schon ein Krimi, ein Thriller vielleicht sogar. Es geht um eine Frau, die die leibliche Tochter des gerade neu gewählten Papstes ist und daraus entsteht nun eine ziemlich rasante Handlung. Es gibt zwei Gruppen im Umfeld des Vatikans, die einen wollen, weil sie auch mit diesem Papst nicht einverstanden sind, bei einer Audienz – deshalb heißt das Buch so – das spektakulär enthüllen, dass es diese leibliche Tochter des Papstes gibt, und eine Gruppe wiederum will das verhindern.

Ich verrate nicht, wie’s endet, weil’s ja doch auch spannend bleiben soll für Leser des Buches. Aber neben dieser Haupthandlung, der Krimihandlung, gibt es immer wieder philosophische Exkurse. Da wird zum Beispiel das untere Reich beschrieben, das ist eine Anspielung, unteres und oberes Reich, auf die Psychologie, aufs Unterbewusstsein und das Bewusstsein, aber in diesen Beschreibungen und an anderen Stellen, da geht’s um Religion und da geht’s darum, wie Sie beschreiben, wie die Diener der Religion Dinge wie Angst, wie Neid, wie Missgunst und vieles andere sind.

Da war ich teilweise erstaunt, wie deutlich und wie heftig Sie Religion – übrigens alle abrahamitischen Religionen, also nicht nur das Christentum – doch ablehnen. Sind Sie denn inzwischen, fast 40 Jahre nach Ihrem Austritt aus dem Jesuitenorden, sind Sie der festen Überzeugung, dass Religion auch wirklich etwas Gefährliches ist für die Menschen?

Laczko: Wissen Sie, gefährlich ist eigentlich an der Religion nur der Extremismus. Grundsätzlich werden ja die Religionen ja nicht irgendwie gefährlich oder konfliktbeladen, nur die Art und Weise, mit der die Gläubigen oder die Vertreter dieser Religionen dann ihren Glauben verteidigen bzw. als allein selig machend hinstellen, ist die gefährliche Seite der Religion. Ich glaube, wir müssen nicht weit gehen, um heute Beispiele für das zu finden.

Kassel: Warum haben Sie nun für Ihr erstes, es ist nicht Ihr allererstes Buch, aber Ihr erstes Buch als hauptberuflicher Schriftsteller, ausgerechnet diese Form gewählt, die Form des Krimis? Ich finde, man merkt in dem Buch schon, dass Sie dieser Form treu bleiben, es gibt ja auch eine gewisse Spannung, aber – ich glaube, das werden Sie jetzt zugeben – Sie wollten nicht in erster Linie einen unglaublich spannenden Thriller schreiben, Sie wollten über diesen Thriller ja ganz andere Dinge transportieren. Warum haben Sie diese Form gewählt?

Laczko: Die Form habe ich gewählt, weil wenn ich nur die religiösen Überlegungen präsentiert hätte, dann wäre wahrscheinlich meine Leserschaft auf einige Inselbewohner beschränkt gewesen, die kein anderes Buch zur Hand hätten. Die Überlegungen mögen vielleicht einigen gefallen, aber damit die Leute das lesen, brauchen sie ein Vehikel, auf dem sie eigentlich vor der Landschaft vorbeiziehen, und da sehen die einzelnen Bilder dieser Landschaft, die nichts anderes sind als meine Überlegungen zu Religion.

Und ich kann Ihnen vielleicht kurz verraten, ich bin schwer dran, das zweite Buch zu schreiben, das geht dann nicht mehr über Religion, sondern es geht einfach über die Gewalt und Willkür. Und dort habe ich auch eine Form gefunden, ähnliche Form - das ist zwar nicht mehr ein Krimi, aber das ist genauso verschachtelt und zweistufig und sollte ebenfalls dazu führen, dass der Leser an der Hand genommen wird und während dieses Spaziergangs durch meine Erzählung auch mit anderen Gedanken konfrontiert wird.

Kassel: Also auf dieses Buch wird man noch warten müssen, auf den Krimi, über den wir zum Teil ja jetzt auch gesprochen haben, muss man nicht mehr warten, der ist schon erhältlich. Das Buch von Gabor Laczko heißt "Die Audienz" und ist im Allitera-Verlag erschienen.

Herr Laczko, ich hoffe, dass Sie als Schriftsteller, der Sie ja nun hauptberuflich sein wollen und inzwischen ja auch sind, genauso erfolgreich sein werden, wie Sie es lange Jahre als Bankfachmann waren, und ich danke Ihnen sehr herzlich für dieses Gespräch!

Laczko: Ich danke Ihnen auch und auf Wiederhören!