"Meine ganze Karriere habe ich nur dem Publikum zu verdanken"

08.11.2005
Der Wiener Kabarettist und Sänger Georg Kreisler hat sein berühmtestes Lied, "Tauben vergiften", als "Anpasserlied" bezeichnet. Er habe es aber gespielt, um seinem Publikum zu gefallen. Schließlich verdanke er seinem Publikum seine ganze Karriere, sagte Kreisler im Deutschlandradio Kultur.
Im Scherz-Verlag ist eine neue Biographie des Kabarettisten und Künstlers Georg Kreisler erschienen. Wer das Buch kauft, erhält beiliegend auch eine CD mit englischsprachigen Aufnahmen aus dem Jahr 1947, die Kreisler im New Yorker Exil gemacht hatte bei RCA Victor. Dank der Recherche der beiden Journalisten Hans-Juergen Fink und Michael Seuffert, die seine Biographie schrieben, sind die Aufnahmen wieder ans Tageslicht gekommen. Davon war er selbst überrascht, gab Kreisler im Deutschlandradio Kultur zu:

" Ich war erstaunt, dass es die noch gibt. Ein paar Wochen nach den Aufnahmen kam man zu mir, hat gesagt: "Wir können sie leider nicht verbreiten, der Titel des Albums ist "Please shoot your husband" - also "bitte erschieß deinen Ehemann" - und das ist ein unmoralischer Titel, finden unsere Vertreter, und sie weigern sich, so einen Aufruf zum Gattenmord zu vertreten. Sie können die Aufnahmen kaufen", hat man mir damals gesagt, "sie kosten 500 Dollar, oder wir müssen sie vernichten". Und da ich keine 500 Dollar hatte, habe ich das abgelehnt, war überzeugt, dass sie vernichtet wurden. "

1955 kehrte Kreisler, der 1938 als Jude aus Österreich geflohen war, in seine alte Heimat zurück. Zunächst musste er sich umgewöhnen, die deutsche Sprache neu erlernen, denn er habe, außer mit seinen Eltern, 17 Jahre lang kein Deutsch mehr gesprochen, sagte Kreisler.

Kurz nach dem Krieg war Kreisler schon einmal nach Deutschland gekommen, zusammen mit einer Elite-Truppe der amerikanischen Armee. Dort war er an den Verhören prominenter Nazis wie Hermann Göring, Ernst Kaltenbrunner, Julius Streicher beteiligt.

Kreisler gilt als Wiener schlechthin, dabei hat er seine amerikanische Staatsbürgerschaft behalten:

"Weil die ursprüngliche Staatsbürgerschaft muss man ansuchen. Besonders seltsam ist es in Österreich, 1938 wurden ja alle schlagartig deutsche Staatsbürger , nach dem Krieg 1945 wurden alle automatisch wieder Österreicher Staatsbürger, aber nur diejenigen, die dort geblieben waren, diejenigen, die flüchten mussten, mussten ansuchen, mussten einen Antrag schreiben. Jedenfalls widerstrebt es mir, jemanden um meine österreichische Staatsbürgerschaft bitten zu müssen, und deshalb bin ich Amerikaner geblieben."

In seiner Biographie bezeichnet Kreisler sein wohl berühmtestes Lied, "Tauben vergiften im Park", als "Anpasserlied". Im Deutschlandradio Kultur sagte Kreisler, nach dem Krieg habe er Österreich wenig verändert vorgefunden, die Österreicher seien "immer noch Antisemiten oder österreichische Nationalsozialisten" gewesen. Insofern hätte es ganz andere Angriffspunkte gegeben als in dem Lied "Tauben vergiften", das sich über die Wiener Gemütlichkeit lustig macht. Er hätte es aber auf Wunsch des Publikums trotzdem gemacht.

Überhaupt verdanke er seinem Publikum sehr viel, glaubt Kreisler:

"Meine ganze Karriere habe ich nur dem Publikum zu verdanken, die Veranstalter haben sich eigentlich immer von mir abgewendet, wollten entweder kein Risiko eingehen, oder ich war ihnen zu jüdisch oder ich war ihnen zu irgendwas. Man führt auch meine Stücke nur wenig auf, bis auf das eine Stück, "Lola Blau", das wird viel gespielt, aber sonst nichts. Wenn ich auf die Veranstalter angewiesen wäre, hätte ich verhungern müssen. "

Sie können das komplette Gespräch mit Georg Kreisler über den Audio-Link in der rechten Spalte hören.
Der Kabarettist Georg Kreisler im Gespräch mit Moderatorin Barbara Wahlster im Studio von Deutschlandradio Kultur.
Der Kabarettist Georg Kreisler im Gespräch mit Moderatorin Barbara Wahlster im Studio von Deutschlandradio Kultur.© Deutschlandradio/ Bettina Straub
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