Mein raschelnder Tablet-PC

Von Peter Welcherinng |
Die einen wollen am Frühstückstisch eine richtige Zeitung aus Papier haben, die anderen lieben es, die Tagesnachrichten auf einem Tablet-PC zu lesen. Demnächst könnten elektronische Nachrichten auch auf Zeitungspapier oder einer biegsamen Plastikfolie erscheinen.
Hagen Klauk steht in seinem Reinraum-Labor im dritten Stock des Stuttgarter Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung und entwickelt organische Transistoren. Leise surrt die Luftfilteranlage. Denn im Reinraum herrscht peinliche Sauberkeit. Schon ein kleines Körnchen Staub würde die empfindlichen Transistoren, die hier entstehen, kaputtmachen:

"Sauberkeit ist höchstes Gebot. Denn der größte Feind in der Mikro- und Nanotechnologie ist immer das einzelne Staubkorn. Und der wichtigste Verursacher von Staubkörnern im Labor ist immer noch der Mensch."

Und deshalb steckt Hagen Klauk in einem weißen Reinraumanzug, in dem er fast so aussieht wie ein Astronaut. Er steht vor einem Tisch mit ganz kleinen Fläschchen, etwas kleiner als die, in denen man Nasentropfen in der Apotheke bekommt. In den Fläschchen sind Kohlenwasserstoffe, das Ausgangsmaterial für die organischen Transistoren, aus denen die Zeitung der Zukunft mit einem Papier- oder Plastikdisplay bestehen wird:

"Die Fläschchen mit den Kohlenwasserstoffen, die sehen Sie zum Beispiel auf dem Tisch stehen, und die Tatsache, dass sie die jetzt nicht gleich erkennen, hat damit zu tun, dass die Flaschenhälse extrem klein sind, das sind nur wenige Milligramm."

Vorsichtig, fast schon bedächtig nimmt Hagen Klauk solch ein kleines weißes Fläschchen in die rechte Hand. Mit der linken greift er nach einem Stück hauchdünner Plastikfolie. Auf diese Plastikfolie werden die organischen Transistoren aufgedampft. Herkömmliche Transistoren aus Silizium vertragen sich zum Beispiel mit Plastik überhaupt nicht. Denn Silizium-Transistoren müssen bei ziemlich hohen Temperaturen um die 1000 Grad auf die Folie aufgebracht werden. Und das hält keine Plastikfolie aus. Sie schmilzt einfach weg:

"Diese Plastikfolie, die ich hier mal mitgebracht habe, Polyethylenterephthalat, also das Material, aus dem zum Beispiel PET-Flaschen hergestellt werden, das verändert sich schon bei einer Temperatur oberhalb von 80 Grad so sehr, dass das Substrat dann eigentlich nicht mehr zu verwenden ist. Hier kommt dieser Vorteil der Prozessierbarkeit bei niedrigen Temperaturen voll zum Tragen. Es ist also möglich, organische Bauelemente zum Beispiel auf diesen Plastikfolien herzustellen."

Diese organischen Bauelemente oder organischen Transistoren sorgen dafür, dass Texte, Bilder oder Infografiken auf solchen Folien oder sogar auf Papier dargestellt werden. Dahinter steckt dasselbe Funktionsprinzip wie bei Tablet-PCs oder Smartphones. Die vielen Millionen Bildpunkte, aus denen ein Text oder ein Foto zusammengesetzt ist, werden wie beim Tablet-PC von Transistoren gesteuert. Ist der Transistor an, und es fließt Strom, wird ein Bildpunkt dargestellt. Fließt kein Strom, bleibt das PC-Display leer.

Genau solche Transistoren steuern auch die Bildpunkte bei der Zeitung von morgen auf Plastikfolie oder Papier. Aber anders als die Transistoren in einem Tablet-PC werden sie eben nicht aus Silizium hergestellt, sondern aus organischen Molekülen, aus Kohlenstoffmolekülen und Wasserstoffmolekülen. Die sind in dem Fläschchen, das Hagen Klauk in der Hand hält und zur Aufdampfanlage hinüberträgt. Denn die organischen Transistoren entstehen in einer relativ einfachen Vakuum-Aufdampfanlage, eine Art große stählerne Käseglocke:

"Und das Schöne ist, dass innerhalb dieser Anlagen keinerlei Heizung notwendig ist, weil die Schichten halt komplett bei Zimmertemperatur prozessiert werden. Wir sehen dann hinten in der rechten Ecke einen Chemieabzug. Das Schöne an der organischen Elektronik ist ja, dass sie aus relativ viel Chemie besteht und dass einige der Prozesse auch mit Lösungsmitteln ablaufen. Damit im Labor selber keine Lösungsmitteldämpfe zu riechen sind, wird also die gesamte Chemie-Prozessierung innerhalb dieses Abzugs durchgeführt. Und was wir vorne links sehen, das ist ein so genannter elektrischer Messeplatz, auf dem also die organischen Transistoren elektrisch charakterisiert werden, das heißt auf diesen Messplatz entscheidet sich dann die spannende Frage, geht er oder geht er nicht."

Und davon hängt dann ab, ob auf dem organischen Flachbildschirm ein Bild oder ein Text dargestellt werden kann. An seinen Kanten befindet sich eine große Zahl von integrierten Schaltungen, über die die Millionen von einzelnen Bildpunkten nacheinander in einer streng festgelegten Abfolge angesteuert werden, das heißt, der organische Transistor aus Kohlenwasserstoff muss sehr schnell schalten können, die Elektronen müssen schnell fließen, damit so eine Zeitungsseite auf einem Flachbildschirm aus Plastikfolie oder Papier flimmerfrei dargestellt wird:

"An jedem dieser Bildpunkte sitzt genau ein Transistor. Und das Ganze funktioniert natürlich nur dann, wenn jeder einzelne Bildpunkt kleiner ist als der kleinste Punkt, den das menschliche Auge gerade noch auflösen kann. Nur dann verschwinden dieser einzelnen Bildpunkte zu einem Gesamtbild. Das bedeutet also, dass es notwendig ist, relativ kleine Transistoren zu realisieren. Die Strukturabmessungen der Transistoren sind in der Regel so im Mikrometerbereich, also zum Vergleich, ein Mikrometer ist 1/1000 mm oder ein millionstel Meter."

Die Zeitung der Zukunft ist dabei nicht die einzige Anwendung für solche organischen Transistoren. Aufgebracht auf Gummi als Träger könnten Roboter damit fühlen lernen, Smartphones könnten noch kleiner und leichter werden. Aber in der Zeitung der Zukunft könnten die Transistoren aus Kohlenwasserstoff schon bald ihren Dienst tun. Sie sind nämlich schon fast marktreif.

Link zum Thema:

Max-Planck-Institut für Festkörperforschung
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