Mein Paradies ist ein Garten

Von Ita Niehaus · 11.08.2012
Wir bleiben im Garten. Und zwar in dem, der die Sehnsucht nach Harmonie, Glück und Überfluss verkörpert – im Paradies. Wie man sich das Leben im Paradies vorstellen kann, mit dieser Frage beschäftigten sich jetzt fünf- bis siebenjährige Kinder an der Evangelischen Akademie Loccum.
"Als Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis gegessen haben - durften Adam und Eva im Paradies bleiben?"

"Nein, nein..."

"Gott hat gesagt, wenn ihr für euch selber sorgen wollt, dann müsst ihr aber aus dem Paradies gehen."

"Genau, insofern hat sich der Mensch von Gott auch entfernt..."

Fast zwei Dutzend Jungen und Mädchen im Alter zwischen fünf und sieben Jahren sitzen zusammen mit ihren Eltern und Großeltern im Kreis in einem Seminarraum der Evangelischen Akademie Loccum. Sie tauschen sich aus über die biblische Geschichte. An den Wänden hängen bunte Bilder vom Paradies, die sie mit ihren Fingern gemalt haben: Adam und Eva sind zu sehen, der Garten Eden und - die Schlange.

"Es kommt darauf an, dieses Verlassen des Paradieses nicht nur als etwas Böses zu vermitteln, sondern auch als zwar ein Entfernen von Gott, aber vielleicht auch Emanzipation und Herausforderung, das Leben eigenverantwortlich zu gestalten, Gott immer wieder zu suchen und auch das Paradies immer
wieder zu suchen."

Oft wird das Paradies mit einem Garten verglichen. Auch Petra Steinberg-Peter, die Leiterin der Kinderakademie in Loccum, und ihre Mitarbeiter knüpfen bewusst an dieses ursprüngliche biblische Bild an.

"Es geht darum, uns alle ein Stück dem Paradies wieder näher zu bringen. Durch positive Erlebnisse und Erfahrungen mit der Natur zu vermitteln, wir müssen die Schöpfung achten, bewahren. Ja und dass wir ein Stück wieder näher kommen an diese Einheit, nach der wir uns alle sehnen. Diese Einheit mit allen Lebewesen und Gott."

23 Kinder machen sich mit ihren Familien auf in ein ganz besonderes Naturparadies: in einen schönen alten Hudewald in der Nähe des Klosters. Mit Bollerwagen, Essen und Getränken geht es vorbei an Bäumen, Bächen und einem Teich mit Enten und Wildgänsen. Mit dabei ist auch der sieben Jahre alte Jona Rosenstock:

"Ich möchte viel noch mal über den Wald erfahren, um auch mal zu gucken, was kann man in einem Wald machen?"

Einen Baum richtig kennenlernen zum Beispiel.

"Jetzt nimmt er dich an die Hand, er sieht ja nichts, du musst gucken."

"Achtung Wurzel!"

Jonas Augen sind verbunden, Florian führt ihn durch den Wald zu einer großen alten Buche. Ganz genau tastet Jona sie ab.

"Okay, Ja."

"Man muss sich wirklich Zeit lassen, das genau erfühlen. Auch die Sicherheit bekommen, ja, genau, das ist mein Baum. Ja und dann findet man ihn auch wieder."

Diese Erfahrung hat Umweltpädagoge Udo Büsing immer wieder gemacht.

"Es war ganz klasse!"

Einen Tag lang erforschen Jona, die fünf-jährige Sophia und die anderen Kinder die Pflanzen und Tiere des Waldes. Aus dem, was sie dabei finden, gestalten sie ihre eigenen kleinen Paradiesgärten.

"Zum Beispiel so etwas wie ein Wald, mit einer Quelle so wie hier. Ich meine schon, dass es viele Bäume geben sollte und viele Früchte und viele Blumen. Und wenn Gott im Paradiesgarten ist wie bei Adam und Eva, dann wird er uns wahrscheinlich auch hier begleiten."

"Mein Paradies sieht aus mit Regenbogen, Blumen, auch eine Pflanze, auch eine Schlange und ein Kreuz mit Apfel - das war es schon."

Jona ist zusammen mit seiner Mutter zur Kinderakademie nach Loccum gekommen. Michaela Rosenstock schätzt die offene, anregende Atmosphäre.

"Eigentlich mit dem Kind nach Loccum gekommen, frei zu sein von allem, sich darauf einlassen zu können. Ja und dann kommt natürlich auch, was ist mein Paradies, Gärten der Kindheit. Ich habe meinem Sohn eben von dem Garten meiner Großeltern erzählt. Und das hat dann auch ein bisschen was von Paradieserinnerung."

"Ooh, ist das schön!"

Ein paar Stunden später. Gemeinsam wandert die Gruppe durch den Loccumer Wald, um sich die kleinen Paradiesgärten der Kinder anzuschauen. Von Anna und Charlotte-Sophia etwa. Winzige Brücken aus Zweigen und Moos haben sie gebaut, die über eine Schlucht aus Kieselsteinen führen. Am Eingang auf einem Baumstumpf: ein lächelndes Gesicht aus Bucheckern, Zweigen und Bast.

"Warum habt ihr die Brücken gebaut?"

"Weil wir da rüber wollen..."

"So kann man von der einen Seite des Paradieses auf die andere Seite des Paradieses kommen. Und das freundliche Gesicht?"

"Der passt hier auf, das ist Gott..."

Die Vertreibung von Adam und Eva spielt in den Paradiesgärten der Kinder kaum eine Rolle, Gott dafür umso mehr. Ob als freundliches Gesicht von einem Baum herab oder als Blatt. Das Paradies der Kinder ist ein Sehnsuchtsort - allerdings ein gefährdeter. Eines kann man sogar nur mit Geheimcode betreten.

Petra Steinberg-Peter:"Ich hatte den Eindruck, dass viele Paradiese sehr stark geschützt waren. Das hat mich ein bisschen traurig und nachdenklich gestimmt. Denn ich hatte schon den Eindruck, dass die Kinder meinen, dass dieses Paradies wirklich geschützt werden muss vor dem Bösen, wer auch immer die Bösen sind."

Langsam wird es dunkel im Loccumer Wald, ein Lagerfeuer brennt. Abschluss eines erlebnisreichen Tages. Wie die anderen Kinder hat auch Jona das Wochenende genossen und viel gelernt:

"Es ist toll, weil man auch wieder neue Tiere entdeckt, neue Blumen - und wenn ich das Paradies erlebe, dann fühle ich in meinem Herzen einfach eine ganz große Beziehung zu Gott, ja."