Mein 9. November: Rolf Karbaum

30.10.2009
Rolf Karbaum ist in Görlitz aufgewachsen und lehrte dort rund 20 Jahre - bis in das Jahr 1989 - an einer Fachschule als Lehrer für Automatisierungstechnik, Elektronik und elektronische Schaltungstechnik. Nach dem Mauerfall wird ihm die Aufgabe übertragen, Direktor seiner Fachschule zu werden und diese "aufzuräumen und aufzulösen". Karbaum wird zum Gründervater der heutigen Hochschule Zittau-Görlitz. 1993 wird er zum Professor berufen. Fünf Jahre später wird er zum Oberbürgermeister der Stadt Görlitz gewählt.
Ich habe einen steilen Aufstieg bis zum stellvertretenden Abteilungsleiter geschafft, wurde aber alsbald zurückgestuft, als man mich in die Partei werben wollte und ich dankend abgelehnt habe, sodass ich also wieder im Nichts versank.

Das war meine Situation im Jahr 1989. Den Tag des Mauerfalles habe ich eigentlich im Wortsinne verpasst und zwar deshalb, weil ich ein Lehrbuch über Automatisierungstechnik in die Hand bekommen hatte. Wir waren ja zum ersten Mal seit wenigen Tagen oder Wochen in der Lage, auch endlich auf westdeutsche Fachliteratur zugreifen zu können. Das war genau an dem Abend des Mauerfalles, demzufolge war das Fernsehen abgeschaltet, und ich war sehr glücklich mit mir und der Welt. Erst am nächsten Morgen erzählte mir meine Frau von diesen Ereignissen.

Mein Leben hat sich gravierend verändert. Ich wurde im Jahr 1993 zum Professor berufen, worauf ich sehr stolz war, denn wir durften uns damals "Professor neuen Rechts" nennen, um uns von den überkommenen Professoren zu unterscheiden.

Und ich wurde 1998 Oberbürgermeister der Stadt Görlitz – als Quereinsteiger, direkt aus dem Hörsaal an die Verwaltungsspitze, auch ein atemberaubender Akt, den ich heute so nie mehr vollziehen würde. Aber ich muss sagen, diese sieben Jahre, die folgten, waren die lernintensivste Zeit meines Lebens, bezogen auf die Zeiteinheit. Insofern bin ich einer der ganz großen Profiteure der Veränderungen im Jahr 1989. Das war das entscheidende Erlebnis auch in meinem Leben, dem ich sehr viel im Weiteren verdanke und ich bin glücklich, dass unsere Generation, dass ich das selbst bei vollem geistigen Bewusstsein miterleben konnte.