Meilenstein in der Geschichte der Diplomatie

Von Julia Macher · 11.04.2013
Vor 300 Jahren schlossen die europäischen Staaten, allen voran die Kontrahenten Frankreich und Großbritannien, den Frieden von Utrecht. Damit endete faktisch der Spanische Erbfolgekrieg. Der Vertrag hatte weitreichende Konsequenzen für die europäischen Mächte.
Georg Friedrich Händel ließ einen eigens komponierten Chor jubeln; ganz Europa atmete auf, als am 11. April 1713 Gesandte aus Frankreich, England, Holland, Savoyen und Preußen den Friedensvertrag von Utrecht unterzeichneten.

Er beendete formal den Spanischen Erbfolgekrieg, der in dreizehn Jahren in ganz Europa über 1.251.000 Menschen das Leben gekostet hatte. In Baden kämpfte der Habsburger Kaiser Karl VI. zwar noch bis zum im Jahr darauf geschlossenen "Rastatter Frieden" gegen französische Truppen, doch sein Bündnispartner Großbritannien war bereits mit dem Hauptkontrahenten Frankreich handelseinig geworden.

"Möge nun im Namen des allmächtigen Gottes ewiger Friede zwischen Prinzessin Anne, der Königin von Großbritannien, und Prinz Ludwig XIV., dem Herrscher der Christenheit und ihren Nachfolgen und Erben herrschen. Alle Feindseligkeiten sollen begraben, alle Beleidigungen auf ewig vergessen werden."

Das in jahrelangen Geheimverhandlungen vorbereitete Werk war ein Meilenstein in der Geschichte der Diplomatie: Zum ersten Mal mussten sich absolutistische Herrscher Verträgen beugen.

Die ersten Artikel bezogen sich auf den Anlass des Krieges, den sowohl von den Bourbonen als auch von den Habsburgern beanspruchten spanischen Thron. Der Bourbone Philipp V. wurde nun als König von Spanien bestätigt, im Gegenzug verpflichteten sich Spanien und Frankreich, beide Länder niemals in einer bourbonischen Personalunion zu vereinen.

Viel wichtiger als die Frage der Thronfolge aber waren Wirtschaftsinteressen, so der katalanische Historiker Joaquim Albareda. Und da triumphierte Prinzessin Anne, die als Parteigängerin der Habsburger für die britische Krone die wichtigen Seeverbindungen Gibraltar, Menorca und das Monopol für den Sklavenhandel gesichert hatte.

"Für Großbritannien war Utrecht nur noch eine Zeremonie. Es hatte seine großen Ziele bereits durch Geheimverträge mit Frankreich erreicht und sich so den Weg nach Übersee geöffnet. Verlierer waren Frankreich und Spanien, denen es lediglich gelang, einem König ihrer Dynastie den Thron zu sichern, ganz so, wie es Ludwig XIV. in einem Brief an seinen Enkel Phillipp umrissen hatte: Man müsse für die Familie das Wichtige zuungunsten des Unwichtigen bewahren – und wichtig war der Erhalt der Dynastie."

Für Spanien hatte das weitreichende Folgen. Denn Phillipp V. baute, nach absolutistischem Vorbild, das aus den Königreichen Aragón und Kastilien enstandende spanische Reich zu einem zentralistischen Nationalstaat um. Die konstitutionell-parlamentarischen Strukturen Aragons, das im Erbfolgekrieg aufseiten der Habsburger gekämpft hatte, wurden aufgelöst; der bisherige Vizekönig durch einen General ersetzt – und die Hauptstadt Barcelona belagert. Aus Staatsräson, wie Phillipp V. erklärte:

"Nicht aus Hass oder Rachegefühl handle ich so, sondern um mich nicht ständigen Revolten auszusetzen, denn das hat schon meine Vorgänger geschwächt. In solchen Angelegenheiten sollten sich die Herrscher gegenseitig unterstützen, schließlich muss es auch ihnen hassenswert erscheinen, wenn Untertanen ihnen die Treue verweigern, wie es die Katalanen so oft getan haben."

Gegen den harten Kurs des spanischen Herrschers protestierten die ehemaligen Habsburger Verbündeten – vergeblich. Der "Fall der Katalanen" war das Bauernopfer des Utrechter Frieden, so Joaquim Albareda.

"Utrecht ist das Symbol des Friedens, aber was dort nicht zufriedenstellend gelöst wurde, war die katalanische Frage. Großbritannien hat zwar immer wieder versucht, das Thema auf den Verhandlungstisch zu bringen, aber Phillipp V. hat sich dem verweigert. Britische Politiker haben dieses Versagen der britischen Diplomatie im 18., 19., 20. Jahrhundert immer wieder thematisiert, zuletzt Winston Churchill."

Die wachsende katalanische Unabhängigkeitsbewegung leitet den "historischen Anspruch" auf einen eigenen Staat noch heute aus dem Königreich Aragón ab. Als Anfang vom Ende der Eigenständigkeit spielt der Frieden von Utrecht so in der aktuellen politischen Debatte in Spanien eine tragende Rolle.
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