Mehrwegsystem statt Müllberge?

"Coffee to go"-Trinker setzen weiter auf Pappbecher

Ein Barista legt den Deckel auf einen Einweg-Kaffeebecher voller Kaffee.
"Coffee to go" führt jährlich zu unglaublichen Pappbecher-Müllbergen. © imago/Westend61
Von Michael Watzke · 18.07.2017
Schnell noch einen "Coffee to go" auf dem Weg zur Arbeit. Diese Angewohnheit führt jährlich in Deutschland zu unglaublichen Becher-Müllbergen. Mehrweg-Becher könnten die Lösung sein. Doch das Geschäft damit läuft nur schleppend.
Für Gina, die italienische Barista des kleinen Münchner Cafés, geht nichts über...
"...Espresso mit richtiger Crema. Farbe nocciola. Wir haben richtigen italienischen Café: Cappuccino, Latte macchiato. Und Snacks dazu."
Das Café im Münchner Glockenbachviertel lebt vor allem von Laufkundschaft.
"To go ist sehr, sehr stark. Passanten, Angestellte. Viel to go."
Kunden sagen: "Ist einfach bequemer und geht schneller." - "Bin manchmal einfach zu faul. Hol mir einfach nen To-go. Ich weiß schon, dass es nicht so umweltschonend ist, aber ... tja."
In München gehen pro Tag 150.000 Wegwerf-Becher über die Ladentheke. In ganz Deutschland sind es pro Jahr unglaubliche 2,8 Milliarden. Auch Gina im Café hat bis vor kurzem die To-Go-Getränke in Wegwerfgefäßen ausgeschenkt.
"Pappbecher. Normale Pappbecher. Aber ich finde das nicht schön. Für mich als Italienerin No-Go."
Deshalb nimmt Gina seit kurzem an einem Pfandsystem für Kaffeebecher teil. Es heißt Recup und arbeitet mit wiederverwendbaren Kunststoffgefäßen.
"Finde ich eine gute Idee. Auch für die Natur. Das ist wichtig. Man kann es überall abgeben, ein Euro Pfand, super."

Mehrwegbecher gegen Pfand

Geschäftsführer von Recup ist der Münchner Fabian Eckert, 27 Jahre alt. Er erklärt das System:
"Kaffee-Anbieter können sich bei uns anmelden. Gegen eine kleine Gebühr von einem Euro pro Tag kriegen sie von uns Becher zum Pfandpreis. Das heißt, sie zahlen einen Euro Pfand. Das zahlt am Ende auch der Kunde, wenn er den Becher mitnimmt. Das System funktioniert so, dass der Kunde auf unserer Internet-App sehen kann, wo weitere Teilnehmer sind. Er geht in den Laden, nimmt sich den Kaffee mit, zahlt einen Euro Pfand und kriegt einen kleinen Preisnachlass auf den Kaffee. Wenn er den Kaffee getrunken hat, gibt er ihn ab, kriegt einen Euro Pfand und ist den Becher wieder los."
Der Becher mit der Münchner Stadt-Silhouette wird dann gespült und wiederverwendet. Bis zu zweihundertmal. In Münchner Glockenbach-Viertel funktioniert das Recup-System schon ganz gut. Hier hat die kleine Startup-Firma die meisten ihrer knapp 200 Partner. Derzeit expandiert Recup auch in anderen Großstädten:
"Es muss eigentlich ein deutschlandweites, einheitliches System sein. Damit es auch für den Kunden attraktiv ist. Ich muss in München in den Zug steigen und in Hamburg den Becher abgeben. Damit es am Ende Sinn hat. Und es muss wirtschaftlich sein. So ein System macht unserer Meinung nach keinen Sinn, wenn es sich wirtschaftlich nicht trägt."

Das System trägt sich noch nicht

Noch trägt es sich nicht. Bei 200 Partnern kommen im Monat gerade mal 6000 Euro Teilnehmergebühr zusammen – zu wenig, um die 13 Mitarbeiter dauerhaft zu beschäftigen. Aber Florian Eckert ist zuversichtlich. Er glaubt an das System und hat angeblich zahlungskräftige Investoren. Außerdem unterstützen viele Umweltverbände ein Pfandsystem für Kaffeebecher. Greenpeace zum Beispiel. Recycling-Expertin Kerstin Doerenbruch:
"Wir haben in Deutschland drei Milliarden To-go-Becher jährlich. Wenn man die aneinanderlegt, gibt's eine Kette, die siebenmal um die Erde reicht. Allein in Berlin sind es täglich 460.000 Becher. Es ist schon erschreckend, wie viel wir wegwerfen."
Besonders die großen Kaffeeketten produzieren viel Müll. Zum Beispiel Starbucks. Das US-Unternehmen hat ein eigenes Becherpfandsystem – eigentlich.
"Die bieten Pfandbecher an, haben das aber so versteckt, dass der Kunde es nicht sieht. Wir sind mit Starbucks in Diskussionen, dass die das ernsthaft bewerben. Nicht nur auf der Umweltseite im Netz so tun, als sei man umweltfreundlich. Sondern wirklich Vorbild sein."

Keine konsequente Nutzung

Das ist nicht nur ein Starbucks-Problem. Bei unserer Recherche im Münchner Glockenbach-Viertel stellen wir fest, dass das beliebte Aroma-Café zwar das Pfandsystem von Recup eingeführt hat. Aber als wir dort einen "Coffee to go" bestellen, kriegen wir den Einwegbecher. Erst als wir explizit nachfragen, füllt die Bedienung den Kaffee ins Pfandgefäß um. Die deutsche Umwelthilfe bevorzugt deshalb Mehrwegbecher, die der Kunde selbst mitbringt. "Sei ein Becherheld", heißt die Aktion. Mitarbeiter Thomas Fischer ist ganz begeistert von seinem Becher:
"Den hab' ich immer dabei. Der ist total stylisch. Quietschgrün, steht "Becherheld" drauf. Damit kann ich mich identifizieren, hab' immer auch eine super Botschaft für unterwegs. Wenn die Leute das lesen, lächeln sie. Und so kriegt man die Leute auch für das Thema interessiert."
Darauf hofft auch Florian Eckert von Recup. Für die Umwelt - und für sein Unternehmen. Noch ist es ein Verlustgeschäft.
"Ab 5000 Partnern könnte es klappen. Wir brauchen schon noch ein paar. Damit es sich trägt. Das ist ganz klar unser Ziel. Nachhaltige Ideen müssen auch wirtschaftlich nachhaltig sein und Gewinne erzielen. Um nachhaltige Wirtschaft zu fördern."
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