Freitag, 29. März 2024

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Mays Bündnis mit der DUP
"Diese Regierung wird lange bestehen"

Für ihre Minderheitsregierung ist die britische Premierministerin Theresa May ein Bündnis mit der nordirischen Partei DUP eingegangen. Der britische Historiker Brendan Simms ist optimistisch, was den Bestand dieses Bündnisses angeht: " Ich rechne damit, dass diese Regierung relativ lange bestehen wird", sagte er im Dlf.

Brendan Simms im Gespräch mit Jonas Reese | 26.06.2017
    Die britische Premierministerin Theresa May mit der Vorsitzenden der nordirischen DUP-Partei Arlene Foster vor Downing Street Nummer 10 (26.6.2017).
    Die britische Premierministerin Theresa May mit der Vorsitzenden der nordirischen DUP-Partei Arlene Foster vor Downing Street Nummer 10. (AFP / Daniel Leal-Olivas)
    Jonas Reese: Die britische Minderheitsregierung steht. Wie riskant ist dieses Vorhaben? Das möchte ich jetzt besprechen mit Brendan Simms. Er ist Historiker an der Universität in Cambridge. Guten Abend, Herr Simms.
    Brendan Simms: Guten Abend.
    Reese: Herr Simms, die DUP-Chefin Foster, sie sagt, dieser Deal sei gut für das Königreich und gut für Nordirland. Sehen Sie das auch so?
    Simms: Ich glaube, es ist auf jeden Fall finanziell gut für Nordirland. Nordirland wird sehr viele Millionen extra Fördergelder bekommen. Das ist eine gute Sache. Problematisch ist es für Nordirland, dass die DUP, die ja eine der verfeindeten Parteien ist, dann potenziell bevorteilt wird. Das ist eine Möglichkeit, die explizit zwar in dem Vertrag ausgeschlossen wird, aber vielleicht doch ein bisschen mitschwingt. Für das Vereinigte Königreich ist es gut, dass man eine Regierung hat. Wir haben ja lange genug gewartet.
    "Die DUP verlangt die zwei Prozent Marke bei den Militärausgaben"
    Reese: Sie haben schon die finanzielle Seite angesprochen. Mehr als anderthalb Milliarden Euro soll diese Einigung gekostet haben. So eine hohe Finanzspritze wurde Nordirland zugesagt. Lässt sich damit die Treue auch einfach so erkaufen? Wie verlässlich, wie stabil ist diese Einheit?
    Simms: Ich glaube, die Einheit mit der DUP wird fest stehen, so lange Frau May nicht abrückt von der Union zwischen dem Rest des Vereinigten Königreiches und Nordirland. Das ist für die DUP am wichtigsten. Aber die DUP ist auch eine Partei, die eine gewisse Vision für das Vereinigte Königreich hat. Das heißt, sie verlangt auch, dass die zwei Prozent Marke bei den Militärausgaben getroffen wird. Das, finde ich, ist gut und wird sicherlich Bestand haben. Ob die Regierung, die ja nur eine sehr kleine Mehrheit hat, dann die verschiedenen Nachwahlen und andere Wahlen überleben wird, das wird sich zeigen. Ich glaube, es gibt sehr wenige innerhalb der konservativen Partei, die jetzt wirklich eine Neuwahl wollen. Das heißt, ich rechne damit, dass diese Regierung relativ lange bestehen wird.
    Reese: Auch wenn innerhalb der Tories diese Zweckverbindung, sage ich mal, doch recht umstritten ist?
    Simms: Sie ist sehr umstritten. Aber wie gesagt glaube ich, der Preis, der in einer möglichen Neuwahl entrichtet würde, wäre zu hoch. Und einfach dann die Premierministerin auszutauschen, das würde dann das gleiche Problem schaffen wie nach dem Abgang von David Cameron.
    "Die DUP will keine harte Grenze mit dem Süden Irlands haben"
    Reese: Uns hier in Deutschland interessiert ja vor allem, was diese Minderheitsregierung für die Brexit-Verhandlungen bedeutet. Die DUP ist für den Brexit, aber sie steht gegen einen harten Brexit. Viele Nordiren haben ja Angst vor einer echten Grenze dann zum Nachbarland Irland. Was bedeutet das also für die Verhandlungsposition Mays jetzt gegenüber der EU in den Brexit-Verhandlungen?
    Simms: Ich glaube, es stärkt auf jeden Fall Frau Mays Position. Es gab ja nach dem Brexit-Votum vor einem Jahr viele Stimmen auf dem Festland Europas, die sagten, das Vereinigte Königreich wird jetzt auseinanderbrechen. Das ist aus zwei Gründen nicht der Fall. Erstens sind ja die Konservativen in Schottland sehr viel besser abgeschnitten und die Nationalisten sehr viel schlechter. Das ist die eine Sache und jetzt gibt es natürlich auch die DUP, die partout nicht aus dem Vereinigten Königreich ausscheiden will. In dieser Hinsicht ist Frau May gestärkt. Das Problem ist, dass die DUP eine widersprüchliche Position hat. Das heißt, sie will zum einen einen harten Brexit in Sachen Customs Union, Zollunion, und in Sachen gemeinsamer Markt, aber sie will gleichzeitig keine harte Grenze mit dem Süden Irlands haben, und das wird von dem Standpunkt der Europäer sehr schwierig sein. Ich glaube, die große Gefahr – und viele sehen das nicht – ist nicht, dass Großbritannien die Grenzen schließen wird, sondern dass die EU von Dublin verlangen wird, dass die Grenze geschlossen wird.
    "Irland würde unter Umständen die Pflicht haben, diese Grenze zu schließen"
    Reese: Aber wird das nicht die Verhandlungsposition Mays eigentlich schwächen, wenn die DUP ja auch ihren Wählern gerecht werden muss und eine echte Grenze vermeiden will und unbedingt vermeiden muss? Ist da vielleicht May nicht auch in gewisser Hinsicht eine Geisel oder eine Marionette innerhalb ihrer eigenen Minderheitsregierung?
    Simms: Ich glaube, dass rein was diese irische Grenze betrifft Frau May eigentlich nicht das Bedürfnis hat, die Grenze zu schließen. Es gibt keinen Grund, die Grenze zumindest für den Personenverkehr zu schließen. Das kann ich auch ausführen. Es gibt keine Gefahr, dass Migranten über Irland nach England kommen. Zumindest ist sie sehr klein, weil die Irische Republik ist ja kein Teil des Schengen-Raumes. Allerdings ist es so, dass die Europäische Union die Regel hat, jedes Land in der Union, was eine Landgrenze mit einem anderen Land hat, welches nicht Teil der Union ist, und auch nicht Teil des Schengen-Raumes – und das wird ja Großbritannien nach dem Brexit sein -, muss eine harte Grenze haben. Das heißt, London hat jetzt die Diskretion, es darf die Grenze schließen, wird es aber meines Erachtens nicht tun. Aber die Republik Irland würde unter Umständen die Pflicht haben, diese Grenze zu schließen, und zwar wegen einer Regelung von Brüssel aus, und das wäre für Dublin wiederum sehr schwierig.
    Reese: Der harte Brexit eher eine Frage in Brüssel – soweit Brendan Simms, Historiker von der Universität in Cambridge.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.