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EU und die Seenotrettung
Auf der Suche nach aufnahmewilligen Ländern

Eigentlich will die EU-Kommission Bootsflüchtlinge gerecht an die Mitgliedsländer verteilen. Doch die Rolle der Brüsseler Beamten ist beschränkt: Sie haben weder die Kompetenz, die Orte festzulegen, an denen Hilfsschiffe anlegen dürfen noch dürfen sie die Such- und Rettungsmaßnahmen koordinieren.

Von Paul Vorreiter | 14.08.2019
Das Foto zeigt das Schiff der spanischen NGO Proactiva Open Arms vor dem Hafen von Algeciras/Spanien.
Das Rettungsschiff "Open Arms" der Hilfsorganisation Proactiva Open Arms hat derzeit über 150 Migranten an Bord (AFP / Jorge Guerrero)
Wie die Irrfahrt der Rettungsschiffe "Open Arms" und "Ocean Viking" im Mittelmeer beendet werden kann; diese Frage drängte sich diese Woche täglich in Brüssel auf.
Die EU-Kommission hatte bislang in ähnlichen Fällen koordinierend eingegriffen: Aber die Kompetenzen sind stets begrenzt, die Verfahrensweise festgelegt. Vorgestern und gestern machte die Brüsseler Behörde fast wortgleich darauf aufmerksam, was sie alles nicht darf: Keine Kompetenz, wenn es darum geht, die Orte festzulegen, an denen die Schiffe anlegen dürfen, um die Personen an Land zu lassen, ebenso keine Befugnisse, Such- und Rettungsmaßnahmen zu koordinieren.
Dabei sind das nicht die einzigen Fragen, die schon in vergangenen Fällen zu Spannungen bei den Mittmeer-Anrainer-Staaten geführt haben; meist entstanden die viel größeren politischen Zerwürfnisse rund um die Frage, in welche Mitgliedsländer die Geretteten - wenn erstmal an Land gebracht - verteilt werden können.
Aufnahmewillige Länder finden
Eine handvoll Länder formierte sich in der Vergangenheit zu einer "Koalition der Willigen", die bereit waren Bootsinsassen aufzunehmen, mit dabei etwa Deutschland, Frankreich und Luxemburg. Sollte die EU-Kommission im Falle der "Ocean Viking" oder "Open Arms" einen Koordinierungsprozess in Gang setzen, bedarf sie erst der Anfrage eines EU-Mitgliedsstaates. Diese Woche waren von der EU-Kommission auch da – fast identische Sätze zu hören:
Keine formale Anfrage, deswegen keine Koordinierung, doch, das scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, wie man in Brüssel bereits spürt. Die EU-Kommission hat – wie sie deutlich machte – bereits vorgefühlt, welche Länder an einer Lösung mitwirken könnten.
Die EU-Kommission will also herausfinden, welche Optionen es gibt, falls sich in diesem Fall freiwillig, aufnahmewillige Länder finden sollten. Ein Verfahren, das nach dem Willen mancher EU-Mitgliedsstaaten effizienter werden soll.
Fronten sind verhärtet
Seit Monaten wird in der EU nach einem Weg gesucht, bislang mit wenig Erfolg. Länder wie Italien und Malta fühlen sich bei der Rettung der Flüchtlinge im Stich gelassen. Und sie befürchten, dass bei einem automatisierten Verteilverfahren, bei ihnen diejenigen Geretteten zurückgelassen werden könnten, die keine Bleibeperspektive haben, während diejenigen, die Chancen auf Asyl haben, auf andere Länder verteilt würden. Bei einem Treffen der EU-Innenminister vor knapp einem Monat in Helsinki hatte Bundesinnenminister Seehofer einen Erfolg vermeldet, in Kürze einen strukturierten Notfallmechanismus aufzustellen:
"Dass wir da näher gekommen sind, auf einem guten Weg sind und vereinbart haben, kommende Woche in Paris und Anfang September in Malta entschieden wird."
Doch ob eine nachhaltige Lösung realisierbar ist, ist äußerst zweifelhaft. Die Fronten sind verhärtet, Italiens Innenminister Salvini bekräftigte, "Ocean Viking" und "Open Arms" dürften nicht anlegen, zudem liegt der Fokus in Rom ohnehin gerade auf der Regierungskrise. Solange die Gemengelage so bleibt, wie sie ist, dürfte damit ein Satz, wie diese Woche von der EU-Kommission schon gefallen, noch öfter zu hören sein.