Meg Wolitzer: "Das weibliche Prinzip"

Klug erzählter Rückblick über Emanzipation und Feminismus

Cover von Meg Wolitzers "Das weibliche Prinzip", im Hintergrund ist eine Illustration von einer Frau mit erhobener Faust zu sehen
Der Roman fließt angenehm dahin, sympathisch und hochprofessionell erzählt. © Dumont / imago / Collage: Deutschlandradio
Von Gabriele von Arnim · 17.07.2018
"Das weibliche Prinzip" klingt wie ein Sachbuch, aber die US-amerikanische Autorin Meg Wolitzer hat einen sanften Roman geschrieben, der unaufgeregt feministische Themen verhandelt. Eine inspirierende Lektüre in Zeiten von MeToo und Time’s up.
Vor wenigen Jahren ist die US-amerikanische Autorin Meg Wolitzer mit ihrem Roman "Die Interessanten" auch bei uns bekannt geworden. Das war ein spannendes und feinnerviges Buch über sechs Teenager, die sich im Sommercamp treffen, erwachsen werden, ihre Träume verwirklichen oder immer noch träumen, heimgesucht sind von Erfolg, Neid und verdrängten Geheimnissen. Jetzt liegt ein neues Buch von ihr vor. "Das weibliche Prinzip" heisst es – und obgleich der Titel nach einem Sachbuch klingt, lesen wir einen Roman – über Weiblichkeit, Emanzipation und Feminismus.

Stimme der Frauenbewegung

Faith Frank hat über Jahrzehnte eine kleine aber einflussreiche feministische Zeitschrift herausgegeben. Ein bisschen hat sie den Anschluss an die neue Generation verloren. Doch noch immer gilt die über 60-Jährige als eine charismatische Stimme der Frauenbewegung. Als die junge Studentin Greer Kadetsky – gerade wurde sie von einem Mitstudenten aggressiv auf einer Party begrabscht - Faith Frank zum ersten Mal reden hört, verfällt sie der feministischen Ikone und deren Botschaft. Ist entschlossen, sich zu wehren, eine eigene Stimme zu finden.

Frauen aus zwei Generationen

Wir lesen die verschlungenen Wege dieser beiden Frauen aus zwei Generationen - beide befeuert von dem alten und immer neuen Bestreben, Frauen zur Gleichberechtigung zu verhelfen. Ehrgeiz und Lust an der Macht können allerdings selbst der solidarischen Schwesternschaft in die Quere kommen. So hat Greer auf dem Karrierepfad – inzwischen an Faith Franks Seite – ihre beste Freundin verraten. Und Faith hat sich nach der Pleite ihrer Zeitschrift von einem ehemaligen Liebhaber, inzwischen ein Multimillionär mit dubiosem Ruf, eine Stiftung schenken lassen, die angeblich Frauen in Bedrängnis helfen soll, doch bald schon verkommt als Agentur für schicke Kitschkongresse, auf denen reiche, liberale Frauen sich an feinen Schnittchen laben, den Reden berühmter Schauspielerinnen lauschen und im Foyer eine feministische Wahrsagerin befragen können.

Roman zur rechten Zeit

Seit ihrem berühmten Essay "The Second Shelf", in dem Wolitzer sich wortstark beklagte über die Diskriminierung schreibender Frauen im Literaturbetrieb, kennt man ihr für den Feminismus heftig schlagendes Herz und den kühlen Kopf, mit dem sie die Sachlage analysiert. Kommt also ihr Roman gerade zur rechten Zeit, da in den USA ein machistischer Präsident das Land regiert, und die Herabwürdigung weiblicher Rechte wieder einmal zunimmt. Ist dies die ermutigende Lektüre für Frauen sich zu engagieren in den MeToo, Time’s up oder anderen Kampagnen?

Keine Streitschrift

Es ist ein sanfter Roman. Er fließt angenehm dahin, sympathisch und hochprofessionell erzählt, aber ohne Aufschrei, Zorn oder Schrecken. Es fehlt immer mal wieder das Leuchten des empfindsamen oder aufrüttelnden Lebenswissens, des frechen Blicks, des Aufruhrs. Männer und Frauen werden geduldig in ihren Stärken und Schwächen erzählt. Mit menschennaher Freundlichkeit. Eine feministische Provokation ist das Buch nicht. Kein J’accuse , keine Streitschrift, sondern eher ein klug erzählter Rückblick auf einen langen Weg, dessen Ende nicht abzusehen ist.

Meg Wolitzer: "Das weibliche Prinzip"
Aus dem Englischen von Henning Ahrens
DuMont Verlag, Köln 2018
496 Seiten, 24,00 Euro

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