Medizinethikerin über Herausforderungen der Pandemie

Solidarität kann es nur begrenzt geben

29:33 Minuten
"Aushelfen Ausleihen Austauschen" steht auf der Corona-Nachbarschaftstafel an der Ruetschistrasse in Zürich.
Es gebe gesellschaftlich sehr hohe "Solidaritätsreserven", sagt Medizinethikerin Alena Buyx. Diese nähmen allerdings naturgemäß über die Zeit ab. © Picture Alliance / Keystone / Christian Beutler
Alena Buyx im Gespräch mit Annette Riedel · 01.08.2020
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Bei der Bekämpfung der Pandemie sind freiwillige Maßnahmen besser als verpflichtende, meint die Vorsitzenden des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx. Unverzichtbar sei auch solidarisches Verhalten. Das könne man aber nicht unbegrenzt voraussetzen.
Der Schutz der Allgemeinheit vor dem Corona-Virus sei ein sehr hohes Gut, sagt die Medizinethikerin Alena Buyx. Dafür könnten Pflicht-Tests, wie sie jetzt eingeführt werden, sinnvoll sein. Aber ein solcher Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger müsse gut abgewogen sein, betont die Professorin für Medizinethik an der Technischen Universität München.

Wenn Menschen zu solchen Tests verpflichtet würden, sei es aber richtig, sie von der Allgemeinheit finanzieren zu lassen, um deren Schutz es schließlich ginge.

Wie eine Test-Pflicht dann praktisch umgesetzt werde, das sei ein echte Herausforderung. Zudem würden manchen Menschen eine Quarantäne als den geringeren Eingriff in die Freiheitsrechte empfinden.

Solidarität ist da, lässt sich aber nicht verordnen

Auch wenn man die ökonomischen und psychosozialen Gefahren für die Bevölkerung nicht außer Acht lassen dürfe, so glaube sie persönlich, dass es Deutschland insgesamt ganz gut geschafft habe, bei allen Maßnahmen eine Art von "bedachter Verhältnismäßigkeit" umzusetzen, sagt Buyx.
Sie findet es spannend, dass Studien, an denen ihr Lehrstuhl beteiligt ist, theoretische Vermutungen bestätigt haben, dass es sowohl individuell als auch gesellschaftlich sehr hohe "Solidaritätsreserven" gebe. Solidarität zeige sich in der erstaunlichen Akzeptanz der phasenweise starken Einschränkung von individuellen Freiheitsrechten, die allerdings naturgemäß über die Zeit abnehme. Solidarität im Verhalten sei kein "übergreifendes monolithisches Konzept". Sie könne sich variabel und flexibel in den unterschiedlichsten Formen zeigen, die zumeist nicht verordnet werden könnten.

Zuerst gefährdete Menschen impfen

Wenn es irgendwann einen Impfstoff gäbe, sollten alle Menschen global davon profitieren können, zunächst jedoch all jene, die besonders gefährdet seien. An erster Stelle nennt die Ethikerin die Gesundheitsarbeiter. Keinesfalls dürften die reichen Länder Impfstoffe exklusiv für sich beanspruchen. Statt mit einer Impfpflicht zu reagieren, spricht sich die Medizinethikerin für gute Aufklärung und weitgehende Transparenz aus.

Dr. Alena Buyx ist Professorin für Medizinethik und Vorsitzende des Deutschen Ethikrats. Die Medizinerin, Soziologin und Philosophin übernahm 2018 nach Stationen in Münster, Harvard, London und Kiel eine Professur für Ethik der Medizin und Gesundheitstechnologien an der Technische Universität München. Sie leitet dort zudem das Institut für Geschichte und Ethik der Medizin. Buyx berät mehrere internationale Organisationen in aktuellen ethischen Fragen, unter anderm die Weltgesundheitsorganisation. Dem Deutschen Ethikrat gehört sie seit 2016 an.

Das Interview im Wortlaut:
Deutschlandfunk Kultur: Der Ethikrat befasst sich mit ethischen, gesellschaftlichen, naturwissenschaftlichen, medizinischen und rechtlichen Fragen und immer auch mit den Folgen für Individuen und für die Gesellschaft, die sich durch Entwicklungen aus diesen Bereichen ergeben. Der Rat mit seinen 26 Mitgliedern informiert, gibt Empfehlungen und fördert den Diskurs. Das gilt auch für den Umgang mit der Corona-Krise.
Ab der kommenden Woche gibt es jetzt eine Testpflicht für Reisende, die aus sogenannten Risikogebieten zurückkommen. Rechtlich, hat Bundesgesundheitsminister Spahn prüfen lassen, ist das wohl machbar, aber es ist natürlich ein ziemlicher Eingriff in die Freiheitsrechte, wenn es verpflichtend wird. Wie sehen Sie das aus ethischer Sicht?
Buyx: Ich kann Ihnen das tatsächlich nicht aus Ethikratssicht beantworten, weil wir diese konkrete Frage nicht aufgespießt haben. Wir haben in unserer Stellungnahme im März darauf hingewiesen, dass wir es mit einem grundlegenden ethischen Konflikt zu tun haben - auf der einen Seite Schutz der Allgemeinheit, auch Schutz von öffentlichen Gütern, also etwa der Gesundheitsversorgung. Ganz konkret ging es damals ja um die Intensivstationen und unser Gesundheitssystem. Aber es gibt auch die vielen Nebenfolgen und Belastungen für verschiedene Gruppen und Individuen auf der anderen Seite. Da haben wir sehr früh darauf hingewiesen, dass es da einen Konflikt gibt.
Wir haben diese konkrete Frage nicht erörtert. Deswegen kann ich Ihnen die nur als Professorin für Medizinethik beantworten.
Deutschlandfunk Kultur: Und was sagt die dazu?
Buyx: Die sagt dazu, dass es hier auch aus ethischer Sicht um eine Verhältnismäßigkeitsprüfung gehen muss. Und aus ethischer Sicht sind freiwillige Maßnahmen besser als verpflichtende.
Andererseits ist der Schutz der Allgemeinheit vor dieser Pandemie natürlich ein sehr, sehr hohes Gut, das da abgewogen werden muss. Deswegen hängt diese Abwägung auch davon ab, wie gut das denn freiwillig funktionieren würde.

Verhältnismäßigkeitsprüfung aus ethischer Sicht

Deutschlandfunk Kultur: Die Möglichkeit, sich freiwillig testen zu lassen, besteht ja an einigen Flughäfen schon. Die nächste Frage, die sich stellt, ist: Wer übernimmt die Kosten dafür? Die einen sagen: Ddiejenigen, die in Risikogebiete wissentlich fahren, fliegen, die können dann auch die Kosten selber tragen.
Buyx: Genau das ist der Punkt. Gibt es überhaupt eine Gefahr für die Allgemeinheit? Das ist diese erste Prüfung. Das scheint sich eben leider jetzt zu zeigen, dass wir nicht mehr so ganz diese Hotspot-Entwicklung haben, sondern wir haben das breiter gefächert aufflackernd. Deswegen darf man dann auch aus ethischer Perspektive über verpflichtende Tests nachdenken. Ich glaube aber, wenn man Menschen verpflichtet, solche Tests zu machen, dann sollten die tatsächlich auch von der Allgemeinheit finanziert werden. Denn es ist ein bisschen zu kurz gedacht, dass die Leute alle irgendwie Party-Urlaub machen.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich habe eine Mitarbeiterin. Die ist Amerikanerin. Die hat eine kleine Tochter. Ihre Eltern haben dieses kleine Mädchen erst ein einziges Mal gesehen. Und die hat sich die ganze Zeit gequält mit dieser Überlegung: "Fliege ich da jetzt hin oder nicht?" Sie macht es nicht, aber das wäre eine Reise gewesen, die nicht irgendwie ein Spaßbesuch in einem Risikogebiet ist, sondern mit einem guten Grund. Und es ist sehr schwierig die Grenze zu ziehen. Wer macht das quasi aus Jux und Tollerei und interessiert sich nicht für das Risiko, das er oder sie dann der Allgemeinheit zumutet? Und wer hat wichtige Gründe – sterbende Angehörige, berufliche Gründe?
Deswegen glaube ich, einfach zu sagen, "ihr nehmt ein Risiko in Kauf und deswegen müsst ihr dann den Test nachher selber bezahlen", das greift zu kurz.
Ich würde denken: Wenn wir es Individuen zumuten, und das ist durchaus eine Zumutung, einen verpflichtenden Test zu machen, wenn das rechtlich tatsächlich möglich ist, dann sollten wir als Allgemeinheit da das Geld in die Hand nehmen, zumal es nicht um ganz irrsinnige Summen geht. Ich glaube, das sollten wir uns leisten.
Deutschlandfunk Kultur: Es gibt eine Kritik, die sagt: Solange man das nur an Flughäfen macht, bleibt es so ein bisschen ein Placebo-Effekt. Erstens gibt es die Einschränkung auf Risikoländer oder Risikoregionen. Und wir wissen, dass durchaus auch Infekte aus Regionen, die nicht auf dieser Liste stehen, ins Land kommen. Zweitens: Wer garantiert denn, dass irgendjemand nicht – was weiß ich – nach Zürich fliegt und von da aus dann den Zug zurück nimmt nach Deutschland?"
Buyx: Ich glaube, das ist tatsächlich fast auch der wesentlichste Punkt, dass das in der Praxis sehr schwer umzusetzen ist, dass man nicht alle wird erfassen können. Da werden dann mit gutem Grund auch wieder Abwägungs- und Gerechtigkeitsüberlegungen angestellt, dass man sagt: "Warum muss ich denn jetzt, bloß, weil ich direkt fliege, und jemand, der über Zürich fliegt, nicht?"
Das andere ist natürlich, wie das mit der Quarantäne verbunden werden sollte. Das ist aus meiner Sicht das mildere Mittel, dass diejenigen, die aus Risikogebieten zurückkehren, sich alle in Quarantäne begeben.

Quarantäne versus Pflicht-Tests

Deutschlandfunk Kultur: Das finden Sie einen weniger großen Eingriff in die Freiheitsrechte als einen Abstrich machen zu lassen?
Buyx: Das kommt drauf an, ob Sie diesen Abstrich als einen invasiven medizinischen Eingriff verstehen oder nicht. Und wenn Sie sich vorstellen, dass man das mit Zwang machen würde - das wäre in Deutschland nie möglich, dass man jemanden festbindet und ihm sozusagen das Stäbchen in die Nase oder in den Rachen steckt. Viele Menschen sehen gerade da eine ganz wesentliche Grenze überschritten, wenn es in ihren Körper geht. Wie man eine solche Pflicht tatsächlich praktisch adäquat umsetzen würde, ich glaube, dass das eine echte Herausforderung ist.
Deutschlandfunk Kultur: Pflicht-Tests sind ja nur ein Aspekt. Es stellen sich ja im Umgang mit der Corona-Krise diverseste ethische und moralische Fragen. Es hat Ende März vom Ethikrat, dem Sie vorsitzen, eine schon erste Stellungnahme dazu gegeben. In der Stellungnahme des Ethikrates heißt es: "Die Strategie des Laufenlassens wäre unverantwortlich gewesen" - also keine Maßnahmen zu ergreifen. Das heißt also, dass ein Land wie Schweden, das sehr stark auf solidarische Eigenverantwortung der Bürger setzt, sich unverantwortlich verhält?
Buyx: Ich kann die schwedische Situation nicht so ganz konkret bewerten. Dafür kenne ich sie zu wenig. Wir haben aber damals sozusagen eine ungeregelte Herden-Immunitäts-Strategie in den Blick genommen. Das würde bedeuten, dass man es einfach ganz Laufen lässt. Damit nimmt man in Kauf, dass bestimmte Gruppen, die erhöhte Risiken haben, sehr viel stärker betroffen wären. Und man nähme dann eben auch in Kauf, dass man bei diesen Gruppen viele schwere Erkrankungen und auch Todesfälle riskiert.
Was wir damals noch nicht wussten, ist auch der Punkt, dass die Erkrankung Covid-19 auch Spätfolgen haben kann. Es geht auch darum, dass man Menschen hat, die danach Herzinfarkte bekommen, Schlaganfälle, die lange Erschöpfungssyndrome haben. Das stärkt das Argument noch, zu sagen: Eine ungeregelte Herden-Immunitäts-Strategie wäre unverantwortlich, weil man bei diesen Gruppen einfach sagen würde: 'Das ist uns egal. Wir setzen euch diesem Risiko aus. Kommt mal damit zurecht, weil wir dann haben als Gemeinschaft schneller die Herdenimmunität haben.' – Das hat Schweden auch nicht gemacht.
Meines Wissens haben die Schweden versucht, diejenigen Gruppen, bei denen man zumindest wusste, dass sie ein erhöhtes Risiko haben – also, erhöhtes Lebensalter, viele Vorerkrankungen –, zu schützen. Viele Risikogruppenaspekte betreffen sehr große Zahlen der Bevölkerung. Wenn Sie die ganzen Vorerkrankungen zusammenzählen, dann sind Sie bei einem starken Drittel der Bevölkerung. Sie können nicht ein Drittel der Bevölkerung isolieren. Deswegen haben wir damals schon sehr klar formuliert: "Diese Strategie umzusetzen, ist problematisch."
Und ich glaube, das würden wir heute mit dem besseren Wissen über die vielen verschiedenen Folgen der Covid-19-Erkrankung sicherlich wieder genauso formulieren.

Gefahren der Corona-Maßnahmen

Deutschlandfunk Kultur: Jetzt ist es ja so, dass die ökonomischen, kulturellen, psychosozialen, auch politischen Gefahren wachsen mit der Dauer der Maßnahmen, die wir haben. Es gibt Stimmen, die sagen: "Mittlerweile sind die Schäden, die entstehen mit den Maßnahmen gegen Corona, größer als die Schäden durch Corona selbst."
Buyx: Das ist ein sehr schwieriger Vergleich, weil er natürlich mit lauter hypothetischen Annahmen arbeitet. Denn wir wissen nicht, was Corona gewesen wäre ohne die Maßnahmen. Es ist also ein unfairer Vergleich, zu gucken, was jetzt passiert ist mit Corona, mit den massiven Maßnahmen, die wir ergriffen haben, versus Schäden durch die Maßnahmen.
Eigentlich muss man vergleichen: Was hätte passieren können, wenn wir es einfach durch die Gesellschaft hätten sozusagen durchreisen lassen? Und dann gehen nach wie vor meines Wissens die meisten davon aus, dass das ein deutlich dramatischerer Effekt gewesen wäre.
Der zweite Punkt ist, dass eine Gegenüberstellung etwas schief ist, die sagt, auf der einen Seite sind die ganzen Schäden, gerade auch wirtschaftliche, aber eben auch psychische und soziale. Und die sind ohne Zweifel sehr wichtig. Wir haben in unserer Ethikrat-Stellungnahme sehr früh darauf hingewiesen, dass wir die nicht aus dem Blick lassen dürfen.
Deutschlandfunk Kultur: Weil die ja vor allen Dingen ja auch gerade die Bevölkerungsgruppen betreffen, die ohnehin schon vielleicht sozial oder ökonomisch schwächer sind.
Buyx: Genau. Auf der anderen Seite steht sozusagen eine Art abstrakter Schutz des Gesundheitswesens. Das funktioniert so aber nicht. Denn wenn wir nicht das Gesundheitssystem schützen, haben wir auch wirtschaftliche Effekte. Und umgekehrt fließen wiederum wirtschaftliche und auch soziale Effekte in die Gesundheitsverteilung hinein. Deswegen sind solche einfachen Gegenüberstellungen problematisch.
Ich persönlich glaube, dass wir es in Deutschland insgesamt ganz gut geschafft haben, diese Art von bedachter Verhältnismäßigkeit umzusetzen. Wir haben im Ethikrat gewarnt, dass wir nicht einfach nur auf die Infektionszahlen starren dürfen und dem Gesundheitsschutz alles andere unterordnen.
Deutschlandfunk Kultur: Es steht in der Stellungnahme des Ethikrates - ich zitiere: "Der gebotene Schutz menschlichen Lebens gilt nicht absolut. Ihm dürfen nicht alle anderen Freiheits- und Partizipationsrechte sowie Wirtschafts- und Sozial- und Kulturrechte bedingungslos nach- bzw. untergeordnet werden."
Buyx: Genau. Das gilt nach wie vor. Und das ist sehr wichtig. Es hat viele sehr überrascht. Wichtig ist der Begriff "bedingungslos". Das heißt, Sie brauchen immer einen guten Grund, wenn Sie ein anderes Grundrecht, ein anderes Freiheitsrecht einem anderen unterordnen.
Deutschlandfunk Kultur: Nun gibt’s aber natürlich Leute, die manchen Grund so gut nicht finden und die sagen: "Was mit Einschränkungen jetzt passiert ist, von Bürgerrechten auch, kann man nahezu vergleichen mit dem, was nach dem 11. September, dem Terroranschlag damals auf das World-Trade-Center, passiert ist, und dass der Rechtsstaat Gefahr läuft, sich so zu gebärden wie eben ein nicht demokratischer Staat und Ausnahmenzustände schafft."
Buyx: Wir haben in Deutschland einen sehr viel sanfteren Lockdown gehabt als in vielen anderen Ländern – erstens. Zweitens haben wir auch relativ bald begonnen zu lockern. Und wir haben drittens, und das ist durchaus etwas, was ja sehr kontrovers diskutiert wurde, das Föderalprinzip. Das heißt, recht bald sind in den Bundesländern unterschiedliche Lockerungsstrategien verfolgt worden. Das kann man durchaus auch problematisch sehen, dass man sagt, es wäre viel gerechter für die Gesamtgesellschaft, wenn alle sich an die gleichen Regeln halten müssen. Aber das hat mit Blick auf Verhältnismäßigkeit durchaus Vorteile.

Staat darf nicht übergriffig werden

Sie können und konnten Bayern und Mecklenburg-Vorpommern, was die Zahlen anbelangt, nicht über einen Kamm scheren. Und was die Kritik am Rechtsstaat anbelangt, der da – so wird es ja zum Teil formuliert – "zu übergriffig" gewesen wäre, da sehen wir, dass das teilweise von Gerichten geprüft wird. Das finde ich auch sehr wichtig, dass also die Wahrnehmung, dass man sozusagen da einfach alles durchdrücken könnte, eine ganz falsche ist, dass viele Gerichte zu verschiedenen Zeiten Dinge auch wieder zurückgenommen oder korrigiert haben, weil sie gesagt haben: "Hier ist die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben." Das ist das, was der Deutsche Ethikrat schon sehr früh gesagt hat: "Wir müssen immer wieder genau hinschauen. Ist das jetzt noch angemessen oder nicht."
Deutschlandfunk Kultur: Die staatliche Ebene ist die eine, aber es gibt natürlich auch Versuche der Unternehmen, das Risiko von Infektionen in ihren Bereichen und die Weiterverbreitung einzuschränken. Die Wirtschaftsprüfungsfirma Price-Waterhouse-Cooper sagt: "Sie sieht einen ganzen Werkzeugkasten, den man da Unternehmen zur Verfügung stellen könnte" und hat etwa selber eine App für Unternehmen entwickelt - zwar ähnlich der vom Robert-Koch-Institut entwickelten, die wir jetzt haben, die deutsche Corona-App, aber eben mit persönlichen Daten.
Dann wird’s doch wirklich schwierig, wenn Unternehmen zwar mit dem berechtigten Anliegen, in ihren Bereichen keine Infektionswellen auszulösen, so weit gehen, dass sie anfangen, jeden Schritt ihrer Mitarbeiter zu kontrollieren. Es gibt ja auch Tracking-Armbänder und Gesichtserkennungssysteme, die in solche Werkzeugkästen hineingehören.
Buyx: Es gibt eine relativ große Bandbreite, dass Sie als Unternehmer bestimmte Maßnahmen in ihrem Unternehmen einführen dürfen. Es muss immer verträglich sein mit den rechtlichen Regeln, die wir in unserem Land haben. Da ist im Moment - das merken wir gerade alle - auch Bewegung drin, was die Maßnahmen zur Pandemie-Eindämmung anbelangt. Deswegen wird man sich das im Einzelnen tatsächlich anschauen müssen, ob ein Unternehmen bestimmte Dinge einführen darf oder nicht.
Deutschlandfunk Kultur: Zu den – sagen wir mal – positiven Nebeneffekten der Corona-Krise gehört das, was Sie mal genannt haben "eine Mobilisierung von Solidaritätsreserven". Ist das etwas, was Sie gesamtgesellschaftlich sehen? Oder ist das etwas, was eher bei Einzelnen passiert?
Buyx: Sowohl als auch. Das ist eine ganz, ganz interessante Frage. Da lernen wir gerade wirklich auch sehr viel. An meinem Lehrstuhl in München sind wir Teil eines großen Konsortiums europaweit, das Interviewstudien macht zu Solidarität und Corona. Und es ist wirklich extrem spannend, weil wir bestätigt sehen, was wir immer theoretisch vermutet haben, dass es sowohl individuell als auch gesellschaftlich sehr hohe Solidaritätsreserven gibt.
Wir sehen aber gleichzeitig auch, dass das nicht absolut gilt und dass man mit diesen Reserven sorgsam umgehen muss.

Solidarität lässt sich meist nicht verordnen

Deutschlandfunk Kultur: Dass man sie auch nicht verordnen kann? Kann so etwas nur immer freiwillig sein?
Buyx: Es gibt ja auch gesetzlich sozusagen kodifizierte Formen von Solidarität. Wenn Sie wollen, können Sie unsere Gesetzliche Krankenversicherung als ein solches solidarisches System verstehen. Aber neue Formen von Solidarität entstehen oft nicht verordnet. Wir haben aber eine extrem hohe Adhärenz auch an die verordneten Solidaritätserwartungen gehabt, nämlich beim Lock down. Das war letztlich eine Solidarleistung, dass sich die Menschen in überwältigenden Zahlen nicht nur an die Regeln gehalten haben, sondern sie auch sehr stark befürwortet haben – deutlich über neunzig Prozent, auch in den strengsten Phasen.
Aber: Wenn man sich die Befragungsdaten dann anschaut, hat die Zustimmung mit der Zeit abgenommen. Das ist ganz nachvollziehbar. Auch da gibt es einen Zeitfaktor. Denn je länger so etwas andauert, desto belastender wird es für uns als Gesellschaft in diesem Zustand zu verharren und natürlich auch für die Individuen, die massive Kosten haben und zwar nicht nur finanzielle - das haben auch viele - sondern eben auch die schon genannten sozialen, psychischen usw.
Deutschlandfunk Kultur: Es gibt eine finanzielle Solidarität. Das ist eine Form von Solidarität. Ich fand es ganz interessant: 63 Millionäre aus sieben Ländern haben sich dafür ausgesprochen, dass Reiche mehr Steuern zahlen sollten, damit der Staat mehr Geld in die Hand bekommt, um die Maßnahmen, die jetzt anstehen, auch um die ökonomische Wirkung der Pandemie abzufedern, finanzieren zu können.
Das fand ich eine ganz interessante Geschichte. Aber das heißt natürlich auch, finanzielle Solidarität muss man sich leisten können und auch wollen.
Buyx: Ganz genau. Das letztlich versteckt sich hinter der Formulierung "Solidaritätsreserven sind begrenzt". Denn nicht jeder hatte die Möglichkeit, sich voll solidarisch zu verhalten. Das bleibt im Übrigen so. Ich kriege jetzt sehr häufig die Frage: "Ist das denn nicht irrsinnig unsolidarisch, wenn die Leute in die Risikogebiete reisen?" Und die Antwort darauf ist: Das kann ein Element von Verhalten sein, wo die Menschen sagen, "ich möchte jetzt diese Reise machen, weil ich dafür bestimmte Gründe habe". Es kann aber sehr gut sein, dass sie sich in vielen anderen Bereichen ihres Lebens sehr solidarisch verhalten - also, dass sie sich ansonsten an alle Regeln halten: Maske, Abstand, Hygiene sowieso, aber auch dass sie Unterstützungsangebote machen in ihrem Umfeld.
Solidarität im Verhalten ist nicht so das eine übergreifende monolithische Konzept. Da ist einfach eine Variabilität und eine Flexibilität.

Pandemie verstärkt Ungleichheiten

Deutschlandfunk Kultur: Und es gibt natürlich auch Solidaritätsdilemma, also, dass man eigentlich nicht allumfassend solidarisch sein kann. – Ich will mal ein Beispiel nennen:
Bundesentwicklungsminister Müller, aber auch die Vereinten Nationen haben gerade jetzt in diesen Tagen nochmal davor gewarnt, dass international in der nicht industrialisierten Welt die Schäden durch die Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung, auch die Todesfälle durch andere Krankheiten der Menschen eine größere Gefahr darstellen als die Pandemie selbst.
Buyx: Also, die internationale Solidarität oder auch die globale Solidarität, das ist tatsächlich nochmal ein weiteres ganz schwieriges Thema. Es ist ja auch tatsächlich in der Philosophie und auch in den Sozialwissenschaften seit Jahrzehnten umstritten, ob und wie man international und global solidarisch sein kann, sollte oder gar muss.
Was uns jetzt die Pandemie gezeigt hat, ist, dass die Pandemie nicht nur biomedizinisch verfasst ist, sondern es sind soziale und strukturelle Ungleichheiten, die es schon gab, oft sehr verstärkt worden. Wir sehen in vielen Ländern, dass Menschen, die schon von vornherein benachteiligt waren, sehr viel stärker betroffen sind durch die Pandemie als andere. Und das sind keine medizinischen Gründe, sondern das sind strukturelle Gründe.
Deutschlandfunk Kultur: Es gibt eben auch das Problem, dass wegen der Corona-Maßnahmen bestimmte andere Krankheiten in diesen Regionen nicht mehr bekämpft werden - also, dass die Masernzahlen steigen und damit auch potenziell die Zahl der Toten durch diese Infektion, oder dass gegen Hepatitis nicht mehr ausreichend geimpft wird.
Buyx: Zum Beispiel. Oder die Gesundheit von werdenden Müttern - da gibt es also inzwischen sehr, sehr viele Beispiele.
Deutschlandfunk Kultur: Und da heißt es dann von den schärfsten Kritikern: "Diese Corona-Pandemie ist in erster Linie etwas, auf das sich die westliche Welt stürzt. Weil der Westen davon betroffen ist, tut er alles, um es einzugrenzen – auf Kosten derjenigen Regionen, wo wahrscheinlich andere Probleme, auch gesundheitliche Probleme, die viel gefährlicheren sind.
Buyx: Ich kann nicht bewerten, inwieweit tatsächlich die anderen Probleme deutlich überwiegen würden. Auch da bin ich immer sehr vorsichtig mit solchen Gegenüberstellungen, weil die eben wiederum mit hypothetischen Annahmen arbeiten.
Wir wissen ja auch aus ärmeren Ländern, dass es da sehr viele Corona-Tote gibt. Südafrika ist ein Beispiel, das sehr stark betroffen ist. Wir wissen, dass es in Brasilien sehr viele Fälle gibt und auch sehr viele Todesfälle. Aber, was ganz wichtig ist - und das wird sehr stark eingefordert und da muss die Weltgemeinschaft auch noch besser werden: Es gibt natürlich Länder, in denen es sehr viel schwieriger ist – ich sage es jetzt mal ungeschminkt, "die westlichen Maßnahmen", die wir hier umgesetzt haben, umzusetzen, die umzusetzen ja für uns schon schwierig war. Wir haben übrigens das gleiche Problem: Also, auch bei uns sind ja viele gesundheitliche Probleme nicht behandelt worden. Die Menschen sind nicht zum Arzt gegangen. Es ist wurden Behandlungen abgesagt. Also, wir haben diese Problematik durchaus auch. Aber sie ist natürlich in anderen Ländern sehr, sehr viel dramatischer.

Vorgehensweise nicht weltweit übertragbar

Da muss man wirklich die sehr berechtigt die Frage stellen - und die wird auch gestellt - ob man andere Maßnahmen entwickeln muss, dass man nicht 1:1 die Konzepte aus den westlichen Ländern, wie Sie es gerade formuliert haben, einfach so überstülpen kann, in andere Regionen der Welt. Das heißt, man muss mit den Menschen dort arbeiten. Das muss einfach passieren. Es ist eine völlige Selbstverständlichkeit, dass dort vor Ort kreativ überlegt wird, wie man mit der Pandemie umgehen kann.
Sie haben ganz, ganz unterschiedliche Populationen. Sie können Populationen haben, die sehr, sehr jung sind und relativ wenig betroffen. Sie können aber auch Populationen haben, die drastisch stark betroffen sind aufgrund von bestimmten Vorerkrankungen oder vielleicht sogar auf genetischen Faktoren, die wir noch gar nicht kennen, oder eben, weil sie in Slums leben, einfach diese Enge. – Da gibt es ganz, ganz viele Faktoren, die mit bedacht werden müssen.
Wir können davon natürlich nicht ausgehen, dass unsere westliche Vorgehensweise einfach 1:1 übertragen werden darf. Das haben wir, glaube ich, gelernt.
Deutschlandfunk Kultur: Es wird möglicherweise irgendwann einen Impfstoff geben. Man sollte hoffen, dass das sehr schnell passiert. Es wird ja auch auf Hochtouren und mit viel Geld, was investiert wird, daran gearbeitet. Wenn es diesen Impfstoff dann eines Tages gibt, stellen sich neue Fragen.
Die französische Regierung hat schon gesagt, "er müsse ein öffentliches Gut für die ganze Welt sein", wenn es ihn gibt. Wir wissen vom US-Präsidenten, dass er eine andere Haltung hat und sich eher auf die Gesetze des Marktes stützt – nach dem Motto: "Ich gebe Geld für die Entwicklung eines Impfstoffes. Und wenn er dann irgendwann da ist, will ich auch ein Vorkaufsrecht haben für meine US-amerikanischen Bürger."
Buyx: Das sind extrem schwierige Fragen, weil sie sowohl national als auch international natürlich besprochen werden. Es gibt da von der WHO bereits ein erstes Modell. Und es gibt Geberkonferenzen usw. Es gibt eine ganze Reihe von Strukturen, die ein Vorgehen favorisieren, indem es also der gesamten Welt zur Verfügung gestellt wird, weil die Pandemie ja auch überall ist.

Kein Land darf allein Anspruch auf einen Impfstoff erheben

Deutschlandfunk Kultur: Aber die reichen Länder können natürlich die entsprechenden Ressourcen aufbringen und sagen: "Hier ist irgendwo ein Stoff entwickelt, ich kaufe das alles auf. Ich habe das Geld."
Buyx: Also, erstens wird es nicht dieser eine Stoff sein. Also, diese Vorstellung ist ein bisschen naiv zu denken, man hat da diesen einen Impfstoff und den kann jemand komplett wegfischen und das war es dann. Wir wissen, dass weltweit geforscht wird. Es gibt inzwischen wirklich eine Reihe von Kandidaten.
Deutschlandfunk Kultur: 120 sind in Arbeit.
Buyx: Und vor allem gehen jetzt wirklich schon eine ganze Reihe auch in die großen klinischen Prüfungen, sehr, sehr viele.
Deutschlandfunk Kultur: Zehn sind schon sogar drin. Das ist wirklich nie dagewesen schnell.
Buyx: Es sind auch welche dabei, die innerhalb von sozusagen Konsortien aus Ländern, eben beispielsweise über Geberkonferenzen, entwickelt werden. Da gibt es natürlich Vereinbarungen. Da ist es schon denkbar, dass man Übereinkünfte hat, dass man festhält, nicht innerhalb dieser Gruppen ein Land hergehen kann und sagen 'Ich ziehe mir das alles raus'."
Deutschlandfunk Kultur: Nun wird es ja dauern, bis man gar die Weltbevölkerung impft. Was halten Sie von dem Dreiphasen-Modell? Man impft zuerst Gesundheitsarbeiter, dann gefährdete Menschen und dann den Rest der Bevölkerung.
Buyx: Das sind letztlich fast alte Fragen, wenn ich das mal so sagen darf, weil wir das in der Public-Health-Ethik schon lange diskutieren. Eigentlich sind sich alle, die diese Diskussion im Moment führen - und, wie gesagt, auch die WHO hat da ja eine Gruppe eingerichtet und es gibt in vielen Ländern Gruppen, die das jeweils für das eigene Land diskutieren, also, wie in einem Land verteilt werden soll - da sind sich eigentlich alle einig: Die oberste Kategorie steht eigentlich fest, dass das die Gesundheitsarbeiter sind. Das ist einfach mit Blick auf Schadensvermeidung, Schutz derjenigen, mit denen man da arbeitet, Schutz derjenigen, die da im Gesundheitsdienst tätig sind, die ja eine ganz wesentliche Funktion haben, relativ klar.
Und dann gibt es eigentlich zwei weitere Gruppen. Die eine sind diejenigen, die ein besonderes Risiko haben zu erkranken. Diejenigen, die darunter das höchste Risiko haben, sollten jedenfalls auch eine höhere Priorität haben. Die dritte Gruppe, über die sehr viel gesprochen wird, sind diejenigen, die eine kritische Funktion haben, also die sogenannten "gesellschaftlich oder systemrelevanten". Das kennen wir ja nun alle. Also: Schule, Kita, Feuerwehr usw.
Hoffentlich werden wir ja nur eine gewisse Phase haben, in der wir noch nicht genug Impfstoff für alle haben. Es wird ja dann drastisch die Produktion hochgefahren. Das wird jetzt schon vorbereitet in vielen Fällen, dass man sehr, sehr schnell sehr, sehr viel produzieren kann. Mit Blick auf die ganze Welt ist das sehr, sehr ambitioniert, aber überhaupt nicht ausgeschlossen.
Ich mache mir sehr viel mehr Sorge darüber, dass es sozusagen auch das Gegenteil gibt - dass es nämlich eine ganze Reihe von Menschen gibt, die in Befragungen sagen, dass sie sich gar nicht impfen lassen wollen.

Freiwilligkeit ethisch "begrüßenswerter"

Deutschlandfunk Kultur: Brauchen wir also eine Impfpflicht?
Buyx: Die Frage würde ich jetzt, glaube ich, verneinen wollen. Ich finde es sozusagen ironisch, dass ich auf der einen Seite über dieses knappe Gut nachdenke, "wer darf es denn als erstes haben", und wir haben andererseits eine relativ große Gruppe in der Bevölkerung, die sagt, dass sie das gar nicht haben wollen. Deswegen, glaube ich, müssen wir beides machen. Wir müssen gut über die ethischen Kriterien nachdenken, nach denen wir das dann verteilen – zumindest über eine gewisse Zeit –, und gleichzeitig auch daran arbeiten, dass wir so gute Impfstoffe wie möglich haben und so gut wie möglich erklären, was für einen Schutz sie bieten, ob es da Nebenwirkungen geben könnte, welcher Art die sind – sehr transparent.
Deutschlandfunk Kultur: Keine Impfpflicht wie bei Masern?
Buyx: Das möchte ich jetzt hier nicht so ad hoc beantworten. Das wäre tatsächlich unklug, weil das auch sehr davon abhängt, was wir noch lernen werden. – SARS-CoV-2, ist nicht die Masern. Deswegen kann man da nicht einfach einen Analogieschluss machen.
Ich persönlich würde denken, und wir haben eben, als wir im Ethikrat zur Impfpflicht gesprochen haben, uns das auch sehr genau angeschaut. Ganz allgemein gesprochen ist eine Freiwilligkeit aus ethischer Sicht immer begrüßenswerter.
Deutschlandfunk Kultur: Bundesgesundheitsminister Spahn hat ja zunächst erst noch einmal auf den umstrittenen Immunitätsnachweis oder -Ausweis im Infektionsschutzgesetz verzichtet, aber er hat einen Prüfauftrag an den Deutschen Ethikrat, dem Sie vorsitzen, vergeben, was die ethischen Fragen in diesem Zusammenhang wären.
Jetzt ist das in Arbeit. Sie werden dazu nichts sagen können. Aber wozu Sie uns vielleicht etwas sagen können: Was kann denn aus ethischen Gründen dagegensprechen, dass man eine durchlebte Krankheit nachweist. Das könnte ja auch bei Masern - um bei dem Thema zu bleiben - möglich sein. Man könnte dadurch eine Impfpflicht, wenn sie denn käme, umgehen, denn man bräuchte die ja dann nicht mehr. Zum anderen wäre es möglicherweise auch eine Art Voraussetzung für Solidarität, denn ich kann dann Erkrankten helfen, weil ich ja nachweisen kann, dass ich die Krankheit zumindest mal für eine gewisse Zeit nicht bekommen kann."
Buyx: Ich würde da jetzt sehr gern mit Ihnen drüber sprechen, aber das kann ich nicht, weil genau diese Frage auch Teil unserer gegenwärtigen Erörterungen ist. Wir machen das grundsätzlich nicht, dass wir uns zu laufenden Beratungen äußern.
Ich kann sagen, dass das Ganze komplizierter ist, als viele vielleicht initial gedacht haben. Also, wir müssen da wirklich sehr intensiv drüber nachdenken. Das müssen Sie mir verzeihen, dass ich da jetzt so zurückhaltend bin, aber da würde ich ganz zu Recht auch von meinen Kolleginnen und Kollegen Ärger kriegen.
Deutschlandfunk Kultur: Der Ethikrat gibt sich seine Themen in der Regel selbst - es sei denn, er hat, wie in diesem Falle – einen Prüfauftrag durch die Bundesregierung oder durch das Parlament bekommen. Als Vorsitzende haben Sie da schon ein Wörtchen mitzureden, welche Themen man sich vornimmt. Was sind denn für Sie im Moment die dringendsten jenseits von Corona?
Buyx: Eins muss ich noch korrigieren. Das hätte ich gerade schon korrigieren sollen. Wir haben keinen Prüfauftrag. Es gibt eine Bitte des Ministers. Das ist nicht zu verwechseln mit einem formalen Auftrag. Den könnte tatsächlich dem Deutschen Ethikrat vor allem der Bundestag aufgeben oder die gesamte Bundesregierung. Es geht um eine Bitte, um ethische Orientierung und Einordnung. Und das werden wir natürlich tun.
Wir haben ansonsten noch eine ganze Reihe anderer Themen. Wir haben eine AG gegründet, die sich mit der Frage nach der Selbsttötung beschäftigt - ein sehr aktuelles Thema. Wir haben eine weitere AG gegründet, die sich mit der Thematik des Verhältnisses von Mensch und Maschine beschäftigt.
Deutschlandradio: Wir werden darauf zurückkommen. Vielen Dank erst einmal für dieses Gespräch.
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