Medienpsychologe über Aleppo-Video

"Die Würde des Kindes ist immer gefährdet"

Der von Aufständischen kontrollierte Ostteil Aleppos wird durch Angriffe der syrischen Luftwaffe erschüttert. Sie sehen Syrer, die inmitten von Trümmern laufen.
Der von Aufständischen kontrollierte Ostteil Aleppos wird durch Angriffe der syrischen Luftwaffe erschüttert. Auch der kleine syrische Junge wurde aus einem zerbombten Haus geborgen. © Zouhir Al Shimale/EPA, dpa picture-alliance
Frank Schwab im Gespräch mit André Hatting · 19.08.2016
Das Video von dem schwer verletzten syrischen Jungen geht um die Welt. Es schockiert und weckt tiefes Mitleid. Aber sollten die Medien es wirklich zeigen? Medienpsychologe Frank Schwab hält eine Veröffentlichung für vertretbar, mahnt jedoch zur Vorsicht.
Auch Medien-Experten fällt manchmal eine Einschätzung schwer: Sollten Medien Videos und Bilder wie jenes von dem kleinen schwer verletzten und traumatisierten Jungen aus Aleppo veröffentlicht und gesendet werden?
Eine eindeutige Antwort darauf gebe es nicht, sagt der Medienpsychologe Frank Schwab: "Es hängt sehr davon ab, was ich damit bezwecke und was meine Motive sind: Wie setze ich das Bild ein?" Aus reinem Selbstzweck und nur um Quote zu machen, sollte kein Medium den Film zeigen. Wenn man hingegen auf emotionale Weise auf die Notsituation aufmerksam machen wolle, sei eine Veröffentlichung vertretbar.

Welchen Effekt haben solche Bilder?

Dennoch empfiehlt Schwab große Vorsicht im Umgang mit Videos wie jenem, das den kleinen Syrer zeigt."Die Würde des Kindes ist immer gefährdet", betonte Schwab, der Professor am Institut Mensch-Computer-Medien an der Universität Würzburg ist. Man komme nicht umhin, sich dem Problem zu stellen. "Weil man das Gesicht des Kindes ganz deutlich sieht. Der Junge ist identifizierbar." Es sei deutlich kritischer als die Aufnahme eines kleinen Jungen, der im vergangenen Jahr tot am Strand liegend gezeigt worden sei - dessen Gesicht aber nicht zu erkennen gewesen sei. Auch die Karikatur die aktuell zu der Problematik erschienen sei - hier das schwerverletzte Kind, dort der kleine tote Junge am Strand - sei in Ordnung, weil die Fotos verfremdet worden seien.
Auf die Frage, ob solche Bilder über eine kurzzeitige Betroffenheit hinaus, irgendeinen Effekt erzielten – etwa erhöhte Spendenbereitschaft für Hilfsorganisationen, sagte Schwab, seine eigenen Studien hätten ergeben, dass Trauer die Leute eher davon abhalte zu spenden. Spendenbereitschaft zeigten hingegen jene Personen, die sich über die Situation in Syrien geärgert hätten und diese als unfair empfänden.

Auch auf der Facebook-Seite von Deutschlandradio Kultur war das Video Thema:

https://www.facebook.com/dkultur/posts/1250934391584833

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