Mediennarrative im Ukrainekonflikt

„Faschisten“ und „Gayropa“

17:09 Minuten
Mitglieder eines militärisch-patriotischen Clubs nehmen an einer Blumenniederlegung am Denkmal für die Soldaten teil, die die Donbass-Region während des Großen Vaterländischen Krieges befreit haben, in Donezk, DPR, Ukraine.
Mitglieder eines militärisch-patriotischen Clubs nehmen an einer Blumenniederlegung am Denkmal für die Soldaten teil, die die Donbass-Region während des Großen Vaterländischen Krieges befreit haben, in Donezk, DPR, Ukraine. © picture alliance / Sputnik / Sergey Averin
Lisa Gaufman im Gespräch mit Teresa Sickert und Dennis Kogel · 17.04.2021
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Der Kampf zwischen Russland und der Ukraine wird militärisch und auch medial ausgefochten. Experten und Expertinnen sprechen von einem regelrechten Informationskrieg, dessen Strategien aus den heißen Phasen des Konflikts stammen.
Mit dem Beginn der Krise vor 13 Jahren hat sich auch das Bild der Ukraine in den russischen Medien gewandelt: Das Land wurde als faschistischer, neonazistischer Staat beschrieben, der russisch-sprachige Menschen diskriminiert.
Ein Propaganda-Narrativ, das mit der Wahl des neuen Präsidenten der Ukraine im Jahr 2019 an Wirkung verlor: Denn Wolodymyr Selenskyj hat nicht nur jüdische Wurzeln, sondern wuchs auch in einer russischsprachigen Familie auf.


Andere Narrative entstanden während des Euromaidan im Jahr 2013/2014, als in der ukrainischen Hauptstadt die Proteste begannen, die sich gegen die Entscheidung der Regierung richteten, ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union nicht zu unterzeichnen. Die russischen Propagandaerzählungen aus dieser Zeit bestehen fort, besonders in den sozialen Medien, sagt Elisaveta Gaufmann, Autorin des Buchs "Digital Russia and the Ukraine Crisis".

Homophobe und frauenfeindliche Propaganda

Mit der Hinwendung der Ukraine zu Europa hat Russland homophobe und frauenfeindliche Bilder verknüpft: "Und dann wird das ganze Land irgendwie zerstört durch diese Toleranz und so was. Dafür existiert zum Beispiel in der russischen Sprache das Schimpfwort 'Gayropa', das 'schwule Europa'." Zuletzt wurde in diesem Kontext ein Video des ukrainischen Präsidenten degradiert: Es zeigt Wolodymyr Selenskyj bei der Coronaimpfung mit nacktem Oberkörper und glattrasierter Brust.
"In Russland gibt es ein relativ patriarchales Bild von der Gesellschaft. Und solche Verweichlichungen, sozusagen Feminisierungen, die werden natürlich auch von vielen russischen Bürgern nicht als positiv angesehen", erklärt die Politikwissenschaftlerin Gaufmann.

Delegitimierung der ukrainischen Souveränität

"Viele russische Regierungsmitarbeiter oder auch die Fernsehmoderatoren sagen: 'Die Ukraine hat nie in diesen Grenzen existiert und deswegen ist es auch kein echter Staat.' Das delegitimiert auch die Politik der Ukraine – die Außenpolitik und die Innenpolitik", erklärt Gaufmann eine weitere Strategie von Russland, die die Souveränität der Ukraine infrage stellt.
Die Hintergründe des Konflikts dagegen werden meist außen vorgelassen: Das umkämpfte Donezbecken hat als Steinkohle- und Industriegebiet eine große wirtschaftliche Bedeutung. Stattdessen werde in Bezug auf das Gebiet die vermeintlich existenzielle Bedrohung für russischsprachige Menschen in den Vordergrund gestellt.
"Das hat dazu geführt, dass dieser Konflikt so aggressiv dargestellt wurde. Als ein ideologischer Konflikt, als ein Konflikt zwischen Gut und Böse, zwischen Faschisten und Russen, also wie ein Zweiter Weltkrieg 2.0", sagt die Politikwissenschaftlerin Elisaveta Gaufmann.
(nog)
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