Medien und Meinungen

frei, freier, fester Freier

04:40 Minuten
31.10.2015
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Tagesspiegel (Holtzbrinck) »entlässt« freie Mitarbeiter Um Geld zu sparen, will der Tagesspiegel künftig auf seine freiberuflichen Mitarbeiter verzichten.
Tagesspiegel (Holtzbrinck) »entlässt« freie Mitarbeiter
Um Geld zu sparen, will der Tagesspiegel künftig auf seine freiberuflichen Mitarbeiter verzichten. Es heißt, es habe einen massiven Einbruch bei den Anzeigen gegeben. Vor allem für die Weihnachtsanzeigen, traditionell die lukrativste Zeit für Anzeigen. Deswegen müsse jetzt Geld in sechsstelliger Höhe gespart werden - eben hauptsächlich bei den Freien.
Der Berufsverband freier Journalisten Freischreiber schaltete darauf hin eine Kleinanzeige in der Zeitung:
https://twitter.com/Medienfront/status/658645378577887236
Geschaltet hat die Anzeige Jakob Vicari von den Freischreibern:
"Da haben wir gesagt, das kann eigentlich nicht sein, weil dem Tagesspiegel das Geld ausgeht, verdirbt er den Freien ihr Weihnachtsfest. Und da haben wir Freischreiber gesagt, wir tun was gegen die Anzeigenkrise beim Tagesspiegel und schalten jetzt selbst Anzeigen."

Es gab dann am Dienstag noch eine zweite solche Anzeige und dann outeten sich auch die Freischreiber, vor allem, weil weitere geschaltete Anzeigen am Mittwoch nicht erschienen. Die kamen dann am Donnerstag zusammen mit einem winzigen Erklärtext des Tagesspiegels. Demzufolge habe die Zeitung ihre Berichterstattung erweitert und die Redaktion ausbauen können.
Warum man dann aber bei denen kürzt, die maßgeblich die Inhalte mitverantwortlich sind, das erschließt sich nicht. Auch Jakob Vicari ist nicht überzeugt von dem Mini-Statement:
"Für mich ist das nicht glaubhaft. Ich hatte den Eindruck, der Tagesspiegel wollte das gerne ruhig und heimlich mit einer kleinen Mitteilung abtun, "Man beschäftigt halt keine Freien mehr" und weiter geht's. Gleichzeitig schaltet man Anzeigen "Jetzt jeden Tag ein bisschen mehr Tagesspiegel" und fragt sich, wie das gehen soll mit weniger Journalisten."

Wirklich neue Redakteure hat der Tagesspiegel indes kaum eingestellt. Vielmehr um den Jahreswechsel 2014/2015 herum viele sogenannte Pauschalisten zu teilweise relativ schlechten Konditionen zu Redakteuren gemacht. Er hat also freie Mitarbeiter, die eine regelmäßige Tätigkeit in den Redaktionen haben, fest angestellt. Grund dafür waren drohende Verfahren wegen Scheinselbstständigkeit. Dass der Tagesspiegel nun versucht, diese also zum Teil jahrelang als feste freie Mitarbeiter beschäftigten Neu-Redakteure nun als Neueinstellungen zu verkaufen, ist schon ziemlich erstaunlich.

Hamburger Abendblatt zu den Freistellungen
taz zu den Freistellungen
Freischreiber zu den Vorgängen beim Tagesspiegel
Freistellung der Freien rechtens?
taz: Freie Mitarbeiter zu Redakteuren: Pauschalisten werden fest angestellt
Tagesspiegel: Mehr Seiten im Tagesspiegel
Umsätze des Verlags Holtzbrinck
Das ganze Gespräch mit Jakob Vicari von den Freischreibern:


Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbands DJV fordert Haushaltsabgabe für Print und Online
Der DJV-Vorsitzende Michael Konken hat in einem Interview mit dem Mediendienst Kress das Finanzierungsmodell Spende für den Journalismus am Beispiel Krautreporter als untauglich bezeichnet. Er fordert eine Haushaltsabgabe für Print- und Online-Medien. Haushaltsabgabe, das ist die Abgabe, die jeder Haushalt in Deutschland zahlen muss, aus der sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk finanziert. Also ARD, ZDF und auch wir.
Verlage hingegen arbeiten rein privatwirtschaftlich und wehren sich seit langem gegen solche Modelle, zuletzt erst vor wenigen Wochen. Auch Krautreporter-Herausgeber Sebastian Esser hat Probleme mit Konkens Aussagen. Er stört sich vor allem an der pauschalen Abwertung, spendenfinanzierter Journalismus funktioniere in Deutschland nicht.
Esser schrieb auf Facebook, er werde sich künftig den Mitgliedsbeitrag für den Verband sparen. Woraus sich in der Folge dann ein Schlagabtausch zwischen Konken und Esser entwickelte.
Die Medien und Meinungen hat in dieser Woche Jan Rähm zusammen gestellt.

Foto: flickr cc by - creepyhalloweenimages