Mediaspree - was nun?

Von Dorothea Jung · 02.09.2008
In einzigartiger Lage, direkt an der Spree, zwischen den beliebten Berliner Vierteln Mitte und Friedrichshain soll das neue Dienstleistungszentrum Mediaspree entstehen. Doch der geplante Hochhauskomplex stößt auf heftige Ablehnung der Anwohner. Sie befürchten das Ende der Alternativkultur und steigende Mieten.
Ausschnitt Werbefilm mediaspree: "Berlin liegt an der Spree. Genau hier, am Puls der Stadt, liegt das neue, innerstädtische Medien- und Dienstleistungs-Viertel Mediaspree. Hier, im Schnittfeld der Berliner Bezirke Mitte und Friedrichshain, hat sich ein Areal entwickelt, in dem innovative Unternehmen einen idealen Standort finden."

Der offizielle Werbefilm des Vereins "mediaspree" zeigt einen strahlend blauen Fluss, über den eine Kamera segelt wie ein unsichtbares Schiff. Während der computeranimierten Bootsfahrt tauchen rechts und links am Ufer, wie von Zauberhand gebaut, transparent wirkende zartfarbene Hochhäuser auf.

Ausschnitt Werbefilm mediaspree: "Zu beiden Seiten der Spree, auf rund drei Kilometern Länge, zwischen Jannowitz- und Elsenbrücke, entstehen außergewöhnliche Büros mit spektakulärem Wasserblick. Erste Projekte sind bereits fertig gestellt. Weitere sind im Bau."

Der Verein "mediaspree", der den Werbefilm in Auftrag gegeben hat, ist eine Investoren-Gemeinschaft, die sich die Entwicklung des Spreeraumes zur Aufgabe gemacht hat. Geschäftsführer ist Christian Meyer:

"Mediaspree ist zweierlei - zum einen der Name des Raumes, beidseitig der Spree - und zum anderen auch der Name unserer Organisation. Wir sind als Verein organisiert. Wir sind eine Institution, die sich mit Standortmarketing für Mediaspree beschäftigt, mit Netzwerkbildung, und mit weiteren Unternehmensansiedlungen."


Die Vereinsmitglieder verfügen über Eigentum im Spreeraum - also über Grundstücke oder Gebäude - und haben alle ein Interesse daran, ihr Eigentum möglichst gewinnbringend zu vermarkten. Da in diesem Gebiet auch landes- und bezirkseigene Flächen liegen, gehören zum Verein "mediaspree" auch Vertreter der öffentlichen Hand.

Juli 2008. Demonstration gegen die Pläne des Vereins "mediaspree" im Berliner Bezirk Fiedrichshain-Kreuzberg. Unternehmensansiedlungen, Hochhäuser und Hotels, Lofts und Bürokomplexe? Das sind städtebauliche Perspektiven, die den Bewohnern ganz und gar nicht zusagen.

Bewohnerin: "Ich lebe und arbeite in diesem Bezirk und es ist viel zu wenig Grünfläche, es ist viel zu wenig Erholungsfläche da, wir haben viele Kinder im Bezirk, die auch keinen Auslauf haben, der irgendwie angemessen ist, und dafür muss gesorgt werden."

Noch liegen viele Ufergrundstücke brach. Vielerorts haben sich - als sogenannte Zwischennutzer - improvisierte Clubs und Strandbars eingerichtet. In alte Fabrikanlagen am Fluss sind Wohngemeinschaften und alternative Projekte eingezogen. Nach Meinung der Bewohner bedeuten die Mediaspree-Pläne für sie nichts Gutes.

Bewohner: "Stellen Sie sich vor, den Potsdamer Platz. Stellen Sie sich vor, jemand stellt so was genau 50 Meter neben Ihr Wohnviertel dann ist das eigentlich wirklich nur 'ne kurze Frage der Zeit, bis eben dann die Mieten sich entsprechend angepasst haben an 'ne kaufkräftigere Klientel, und dann muss dann auf einmal schauen, wo man bleibt; und Friedrichshain und Kreuzberg sind nun mal nicht die reichsten Bezirke, und das betrifft dann halt viele Leute."


Zur Demonstration hatte eine Bürgerinitiative im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg aufgerufen. Ihr Motto: "mediaspree versenken". Ihr Ziel: Aufhebung der bestehenden Bebauungspläne und damit die Verhinderung der Hochhausprojekte.

Mit der Parole "Spreeufer für alle" fordert sie außerdem, dass überall ein 50 Meter breiter Uferstreifen an der Spree entlangführt - unbebaut und öffentlich zugängig. Es gelte, Freiräume zu verteidigen, meint Carsten Joost. Der freischaffende Architekt ist Sprecher der Initiative "mediaspree versenken". Joost und seine Mitstreiter sammelten Unterschriften für einen Bürgerentscheid.
Carsten Joost: "Der Plan sieht ja vor, dass bis auf einen Uferwanderweg die Spreeufer in Friedrichshain-Kreuzberg mit Büroblocks, Hochhäusern und teuren Hotels, Büros, Lofts zu überbauen und dabei fällt ganz nebenbei auch die ganze Spreeufernutzung der Bars jetzt weg, also, diese ganze Kultur verschwindet, und das wird als ganz normaler Wirtschaftsprozess von Seiten der Entwickler gesehen. Für die Bürgerinnen und Bürger in Friedrichshain-Kreuzberg ist das keineswegs normal, und das äußert sich jetzt auch im Bürgerentscheid."

Am 13. Juli 2008 war es dann soweit: 35.000 Wahlberechtigte beteiligten sich am Bürgerentscheid. Zur Abstimmung standen die Forderungen der Bürgerinitiative und ein Gegenvorschlag der BVV, der Bezirksverordnetenversammlung. Dieser Gegenvorschlag wollte die bestehenden Baupläne grundsätzlich respektieren und einen 50 Meter breiten unbebauten Uferstreifen sowie niedrigere Häuser nur dort vorsehen, wo noch keine Baugenehmigung vorlag.

Hintergrund: Der Bezirk befürchtete Schadensersatzforderungen der Investoren. Doch die Bürger in Friedrichshain-Kreuzberg focht das nicht an. Eine Mehrheit von 87 Prozent votierte für die Forderungen der Bürgerinitiative. Nun sah Aktivist Carsten Joost das Mediaspree-Konzept insgesamt auf dem Prüfstand:

"Es muss zurückgenommen werden auf jeden Fall. Das haben wir ja heute auch beschlossen hier in der Bevölkerung; das wird hoffentlich auch bei der Eigentümerseite ankommen, weil so was macht auf jeden Fall Druck und es wird auch ein Stimmungsumschwung möglich - weil: das ist ja beispiellos bisher."

So ein Bürgerentscheid ist für die Politik rechtlich nicht bindend, sondern ist nur ein Ersuchen an die Bezirksverordnetenversammlung. Allerdings wäre es politisch unklug, über den Entscheid einfach so hinwegzugehen, meinte der Bürgermeister des Bezirks am Abend nach der Abstimmung.

Franz Schulz von den Bündnisgrünen kündigte an, nach Wegen zu suchen, wie der Bezirk das Votum der Mediaspree-Gegner umsetzen könnte. Die Bezirksverordnetenversammlung habe sich bereits entschlossen, einen Sonderausschuss einzurichten.

Franz Schulz: "In dem wird versucht, mit den Eigentümern zu reden, inwieweit sie einvernehmlich Forderungen des Bürgerentscheides übernehmen; wenn sie das tun, fallen natürlich auch keine Entschädigungszahlungen oder Schadensersatzforderungen an; und dazu wird parallel vom Bezirksamt dann natürlich auch überlegt, inwieweit man vorhandene Bebauungspläne ändern kann im Sinne des heutigen Bürgerentscheides.""


In diesen Sonderausschuss sollen keinesfalls nur Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlung entsandt werden, versichert Joachim Pempel von der Linkspartei. Der Lokalpolitiker ist Vorsitzender des Ausschusses für Stadtplanung und Bauen der BVV von Friedrichshain-Kreuzberg. Neben den Mitgliedern des Bezirksparlamentes werden laut Pempel auch vier Bürgerdeputierte sitzen. Die werden aus der Bürgerinitiative kommen.

Zu den Ausschuss-Sitzungen sollen dann die beteiligten Investoren und Eigner eingeladen werden. Erklärtes Ziel des Ausschusses: Lösungen suchen, Spielräume erweitern, kommunizieren.

Joachim Pempel: "Dass also die bestehenden Baukonzepte möglichst so verändert werden, dass Baukörper etwas weiter weggerückt werden vom Ufer, um dort noch etwas mehr Freiraum unmittelbar am Spreeufer zu erlangen. Es geht aber auch darum, dass die geplanten Freiflächen in den einzelnen Baufeldern auch so gestaltet werden, dass sie dann auch durch die Bürgerinnen und Bürger nutzbar sind, also nicht irgendwelche Sperrflächen sind oder Ähnliches."

Ein freier Zugang zum Spreeufer ist aber bereits seit Jahren Bestandteil der Bauplanung. Spätestens als die beiden Bezirke Friedrichshain und Kreuzberg im Jahr 2001 fusionierten, habe man begriffen, dass man den Spreeraum als übergeordnete städtebauliche Aufgabe begreifen müsse, erklärte Bezirksbürgermeister Franz Schulz den Bürgern auf einer Veranstaltung zum Volksentscheid. Dann habe man die Ärmel aufgekrempelt und den Grundstückseigentümern in zähen Verhandlungen einen 10 Meter breiten Uferstreifen abgerungen. "Geld hatten wir dafür aber keines", gesteht der bündnisgrüne Bürgermeister:

"Sodass wir dann in Verhandlungen mit den dortigen Eigentümern und Investoren , die bauen wollten, gesagt haben: 'Wenn ihr so bauen wollt, dann müsst ihr als Ausgleich für diese baulichen Dichten die Finanzierung geben, dass wir für die Öffentlichkeit die Flächen der Spreeufer kaufen können.'"

So hat der geplante Sonderausschuss also die Aufgabe, Immobilienbesitzer und Investoren, die bereits zugestimmt haben, ein für alle begehbares Spreeufer in zehn Metern Breite zu gewährleisten, zu überzeugen, noch ein bisschen mehr herzugeben? Joachim Pempel, der Bezirksverordnete der Linkspartei, zögert mit der Antwort. "Der Ausschuss möchte alle Beteiligten neu zum Nachdenken anregen", erwidert er schließlich, und:
"Weil ich ja weiß, dass stadtentwicklungspolitische Prozesse tatsächlich Prozesse sind; und es hin und wieder notwendig ist, manche Entscheidung noch mal zu überdenken. Aber immer unter dem Gesichtspunkt, dass kein finanzieller Schaden für den Bezirk entsteht. Weil der sich negativ auf den Bürger oder die Bürgerin auswirken wird."

Der Bezirk hat ausgerechnet, dass es ihn 165 Millionen Euro kosten würde, falls die Eigentümer und Investoren Schadensersatz beanspruchen sollten. Zum Beispiel für entgangene Erträge, die aus einer geringeren Vermarktungsfläche herrühren - sei es durch einen breiteren Uferstreifen oder durch eine geringere Baugeschosshöhe. Mediaspree-Geschäftsführer Christian Meyer ist jedoch sicher: Den Investoren geht es nicht um Ausgleichzahlungen.

"Die einzelnen Eigentümer haben inzwischen gesagt: Sie möchten sich gar nicht auf Entschädigungszahlungen einlassen, sie möchten im Grunde genommen von ihrem Recht Gebrauch machen, sie möchten so bauen, wie der festgesetzte Bebauungsplan es vorsieht, oder die erteilten Baugenehmigungen oder die erteilten Bauvorbescheide. Sie möchten eigentlich das realisieren, was ihnen zusteht, und da gibt es tatsächlich wenig Spielraum."

Spielraum sieht auch die Stadtentwicklungssenatorin des Landes Berlin nicht. Ingeborg Junge-Reyer ist eine erklärte Gegnerin dieses Bürgerentscheides. Nach Auffassung der SPD-Politikerin sind Bürgerbegehren und Volksentscheide zwar wichtige Elemente der Demokratie; aber nicht jede Fragestellung eigne sich für ein solches Instrumentarium:

"Wenn der Eindruck erweckt wird, als ob das Volk in einer solchen Abstimmung etwas erreichen könnte, als ob finanzielle Ausgaben für das Land Berlin in Größenordnungen, die die 100 Millionen weit überschreiten, möglich wären, dann stellt man dieses Instrument selbst in Frage, weil man diejenigen, die das abstimmen sollen, hinsichtlich ihres möglichen Erfolges eher täuscht."

Berlin müsse für Investoren ein verlässlicher Partner bleiben, juristisch bindende Verträge könne man nicht mit einer Abstimmung vom Tisch wischen. Im Übrigen habe es eine umfangreiche, über das rechtlich vorgeschriebene Maß hinaus gehende, öffentliche Beteiligung an der Bebauungsplanung gegeben.

Die Stadtentwicklungssenatorin führt aber nicht nur finanzielle und juristische Gründe ins Feld. Ingeborg Junge-Reyer stößt sich auch ganz konkret an den realen Forderungen des Bürgerentscheides:

"An dem Ufer der Spree, mitten in Berlin, ist schon vor dem Krieg gebaut worden, und zwar unmittelbar an das Ufer heran. Das sind alte Speicherstätten, das sind alte Industrieanlagen, das sind Anlagen der technischen Infrastruktur für eine so große Stadt. Die Keller schauen mit ihren Fenstern direkt auf die Spree, das Wasser spült an die Kellerwände. Wenn man hier einen 50 Meter breiten Uferstreifen fordert, dann fordert man etwas Unmögliches."

Wer auf der Oberbaumbrücke steht, die über die Spree hinweg die beiden Berliner Stadtteile Friedrichshain und Kreuzberg verbindet, kann die Bebauung des Spreeufers gut überblicken.

Hinter der immerwährend quietschenden U-Bahn der Linie eins schaut man auf die einstigen Speicherhäuser des ehemaligen Osthafens, in denen heute der Musikkonzern Universal residiert. Sieht man zur anderen Seite, Richtung Stadtzentrum, offenbart sich eine Uferlandschaft, die mehr als 40 Jahre lang Grenzland war. Randzone oder Sperrgebiet zwischen Ost- und Westberlin. Mit Gewerbehinterhöfen aus der Gründerzeit, maroden Backsteinfabriken und Brachflächen.

An der Friedrichshainer Uferseite leuchtet, auf der Höhe des Ostbahnhofes, eine riesige Werbetafel. Sie steht vor der Glasfassade einer neuen Veranstaltungsarena namens "O2 World". O2 ist das Hassobjekt der Bürgerinitiative "mediaspree versenken".

Tobias Wünsche: "Wenn ich abends auf die Oberbaumbrücke fahre, sehe ich da die Silhouette von Berlin, sehe je nach Sonnenuntergang verschieden-farbige Wolken, es ist eigentlich - trotz Autoverkehrs - eine andächtige Stimmung. Und seit kurzem leuchtet direkt an der Spree eine riesige LED-Werbetafel von O2, und diese ganze Stimmung ist irgendwie hinüber, weil ich ständig mit Beck's-Bier-Werbung oder O2 oder irgendwas zugeballert werde und kann einfach dieses Flair nicht mehr genießen. Das ist einfach kaputt, ja."

Tobias Wünsche, der sich in der Bürgerinitiative engagiert, skizziert eine Idylle, die es nach Meinung der Stadtentwicklungssenatorin hier nie gegeben hat. Ingeborg Junge-Reyer empfiehlt, sich vorzustellen, wie es an diesem Ort vor der Wende aussah:

"Das war im Ostteil der Stadt ein Gebiet, das für die Bevölkerung überhaupt nicht zugängig gewesen ist. Und jetzt sehen wir, dass es hier Pläne gibt, eine hochattraktive Halle, nicht nur für die Berliner Bevölkerung, sondern für die Anziehungskraft der ganzen Stadt zur Verfügung zu halten. Und das ist doch ein Gewinn für die Stadt und nicht eine Belästigung. "

Carsten Joost, der Sprecher der Bürgerinitiative, kann darüber nur den Kopf schütteln. Ihn erinnert das "O2-World"-Gebäude an ein überdimensioniertes Einkaufszentrum. Die Event-Halle für 17.000 Besucher mit 6000 Parkplätzen ist für den gelernten Architekten ein Beispiel dafür, dass aus dem Spreeufer eine der hässlichsten Gegenden Berlins zu werden droht:

"Es gab einen ganz eingeschränkten städtebaulichen Wettbewerb, den der Senat vorgegeben hat, also: 700.000 Quadratmeter Büros und Gewerbe und Wohnung; also: vollgestopft das Grundstück mit Hochhäusern und dieser Halle natürlich. Und da hat halt jemand das meiste Geld oder die Entwicklungschancen geboten, hier erst mal mit dieser Halle zu punkten.

Jetzt steht das Ding hier, wie vom Himmel gefallen, und blockiert eigentlich eher, als dass es was bringt, ne weitere Entwicklung. Weil: Wer möchte schon jetzt Wohnungen bauen neben so einem Monstrum, wo fast jeden Abend 17.000 betrunkene Leute rausfallen. Das ist nicht gerade ein Motor für eine urbane Entwicklung hier."

Damit die Halle von der Spree aus erreichbar ist, hat der "O2-World"- Investor, die Anschutz-Entertainment-Group, eine Anlegestelle an der Spree gebaut. Dafür wurde sogar ein Stück der denkmalgeschützten East-Side-Gallery umgesetzt, also der Teil der einstigen Berliner Mauer, der zur Wendezeit von Künstlern bemalt worden war.

In diesen Tagen hantieren auf dem Uferstreifen zwischen der East-Side-Gallery und der Spree Schaufelbagger und planieren das Gelände. "Hier entsteht ein kleiner Mauerpark", erklärt Moritz Hillebrand, Unternehmenssprecher der Anschutz-Entertainment-Group. "Und zwar auf unsere Kosten."

Moritz Hillebrand: "Für den Bauumfang hat der Bezirk eingefordert, dass wir hier Ausgleichsflächen schaffen. Wir haben zusammen mit anderen Investoren dem Bezirk die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt, um den Uferstreifen an der East Side Gallery aus Privatbesitz wieder zurückzuerwerben, der Öffentlichkeit zugängig zu machen; wir haben uns verpflichtet, einen Bootsanlegersteg zu machen und: Da haben wir ja jetzt 'Spreeufer für alle'. Und der Bezirk wird hoffentlich auch bald den Park fertig stellen, sodass da die Bürger hingehen könne. Und das wird nur möglich, indem wir vor Ort sind und investieren und das Stadtviertel wieder mitbeleben."


Lebendig geht es am Spreeufer vielerorts aber bereits zu. 100 Meter nördlich von der O2-Anlegestelle zum Beispiel wurde ein breiter Uferstreifen mit feinem weißen Sand aufgefüllt. Hier verausgaben sich junge Männer aller Hautfarben beim Beach-Volleyball.

Auf einer kleinen Rampe für Skateboarder flitzen zwei Jungen unermüdlich auf und ab, und auf dem Basketball-Platz jagen sich vier Spieler den Ball ab. Aus Getränke-Paletten zusammengeschustert wartet eine Strandbar auf Kunden. Der Yaam-Club wird von Max Weber organisiert. Laut Selbstauskunft Lebenskünstler von Beruf:

"Wir sind hier nicht nur ein Club, wir sind hier auch ein kultureller Verein, der die Förderung von Jugend und Sport unterstützt. Wir bieten hier ein breites Programm für die Jugendlichen an, dass sie nicht nur auf der Straße dumm rumhängen, sondern sich auch mal hier selbst verwirklichen, irgendwas bauen - also das ist hier nicht nur irgend 'ne Strandbar."

Auf der Ufermauer sitzen Pärchen und schauen den Ausflugsdampfern zu, die auf der Spree vorbeiziehen. Eine Gruppe Schwarzafrikaner hat Ananas und Wassermelonen zerteilt und veranstaltet ein Früchte- Picknick. Daneben bauen zwei Mütter mit ihren Kindern eine Sandburg:

"Das ist ein schöner Platz so inmitten der Großstadt, wo man relaxen kann, wo man sich ausruhen kann, wo man die Kinder nicht immerzu an der Hand haben muss, wo die sich frei bewegen können - ist schon sehr wichtig in so einer Großstadt"

"Und für die Erwachsenen ist natürlich auch nicht schlecht; können sich ein bisschen erholen, können was trinken und es ist einfach mal etwas ruhiger und nicht so hektisch auf jeden Fall."

Es gibt auch elitärere Strandclubs an der Spree als das Yaam - da muss Eintritt bezahlen, wer ans Ufer will, um mit Gutbetuchten gemeinsam Champagner und Scampis zu genießen. Aber ganz gleich ob volksnah oder nicht - die Strandclubs an der Spree sind lediglich Zwischennutzer. Sie werden weichen müssen, wenn "mediaspree" seine Pläne verwirklicht. Sie dürfen nur so lange bleiben, bis die Investoren von ihrem Baurecht Gebrauch machen.

"Das Problem ist aber, dass fast niemand baut", gibt Volker Härtig zu bedenken. Der Stadtplaner ist Mitglied im Kreisvorstand der SPD von Friedrichshain- Kreuzberg. So sei auf der westlichen Spreeseite nach der Wende noch nicht ein Stein bewegt worden, sagt er. Dennoch bestünden die Investoren auf ihren Verträgen. Verträge, die Härtig zufolge häufig aus den 90er-Jahren stammen, als die Stadt Berlin noch an den Hauptstadtboom mit einem enormen Bedarf an Büroflächen glaubte:

"Zum Teil eine absurde Debatte - weil: Es wurde etwas geplant, es wurde etwas genehmigt, was gar keiner haben will, wo nur Grundstückseigentümer sich sozusagen spekulativ die Taschen vollrechnen, und wo dann der Berliner Finanzsenator ähnlich vorgeht und sagt: Wunderbar, da sind ja viele landeseigene Flächen dabei! Da können wir richtig schön Geld verdienen. Und zum Teil sich das Geld ja auch schon durch entsprechende Ausschüttungen von den Berliner Landesunternehmen geholt hat."

Sozialdemokrat Volker Härtig kritisiert seine Parteikollegen auf Landesebene - den Finanzsenator und auch die Senatorin für Stadtentwicklung. Deren rein juristische Argumentationsstrategien und rein finanziell begründete Verwertungsinteressen sind seiner Meinung nach nicht die beste Richtschnur für hochwertigen Städtebau. Wenn bei der Stadtplanung in früheren Jahren Fehler gemacht worden seien, dann habe man die Pflicht, diese Fehler jetzt zu korrigieren.

"Und deswegen gibt es die politische Aufgabe, einzugreifen und dafür zu sorgen, dass dieser absurde Stillstand - die einen planen ein Maximum, nämlich die Grundstückseigentümer - aber die Investoren kommen nicht, weil man Büroflächen nicht vermieten kann, dass diese absurde Theater aufhört, und wir endlich Leitbilder bekommen und Planungen bekommen, die umsetzbar sind. Und die nicht nur die Interessen von Grundstückseigentümern verfolgen, sondern zuerst mal fragen; was braucht der Bezirk, was braucht Berlin, was brauchen die Bürger an ihrem Stadtfluss."

Der Bürgerentscheid mag rechtlich nicht bindend sein, so Härtig, aber er sei ein Signal, die städtebauliche Qualität der Bauplanung für den Spreeraum zu überdenken. Die Initiative "mediaspree versenken" habe eine Diskussion ausgelöst, die überfällig war: Sie habe die Berliner daran erinnert, dass es ihre Spree nur einmal gibt.