Mecklenburg-Vorpommern

Massenfischhaltung - eine saubere Sache?

Ein nur wenige Zentimeter großer Afrikanischer Wels in einem Kescher in einer Zuchtanlage in Schwerin
Ein nur wenige Zentimeter großer Afrikanischer Wels in einem Kescher in einer Zuchtanlage in Schwerin © picture alliance / ZB
Von Dirk Asendorpf · 16.07.2014
In Zukunft kommt deutscher Zuchtfisch aus hochtechnisierten geschlossenen Kreislaufanlagen. Darauf setzt der neue nationale Strategieplan Aquakultur, der im Juli beschlossen und an die EU weitergeleitet werden soll. Wie die neue Technik funktioniert – und welche Rolle der Computer dabei übernimmt – zeigen erste Pilotanlagen, die bereits in Betrieb sind.
Auf dem Hof der Brüder Pommerehne in Altkalen, einer dünn besiedelten Hügellandschaft im Osten Mecklenburgs. Neben Schweineställen und Biogasanlagen stehen zwei nüchterne Fabrikhallen. 100.000 afrikanische Welse wachsen hier in 150 Tagen zur Schlachtreife heran. Die Luft ist schwülwarm, in hellblau getünchten Becken steht das Wasser fast still. Carsten Pommerehne ist der Landwirt unter den drei Brüdern, die den Hof gemeinsam führen.
"Alle vier Wochen kriegen wir Setzlinge und die brauchen jetzt acht Wochen hier drin, dann haben die so um die 180 Gramm, dann werden die sortiert und auf drei Mastbecken aufgeteilt und dann kommen da wieder neue Setzlinge rein. Wir brauchen 28 Grad warmes Wasser. In Afrika ist es immer warm eigentlich. Er ist das von Natur aus so gewohnt. Wenn wir jetzt nur mit 10 Grad in der Umgebungsluft fahren würden, dann würde der sich erkälten."
Meistens liegen die Welse träge am nackten Betonboden. Schilf, Krebse und anderes Kleingetier, das ihnen in Freiheit begegnen würde, bekommen sie in der Zucht nie zu sehen. Nur wenn der unter der Decke aufgehängte Futterroboter über ihrem Becken halt macht, tauchen die Fische auf, jagen nach den herabrieselnden Nährstoffbrocken und lassen das Wasser spritzen. Das Kraftfutter enthält Kohlenhydrate und Eiweiße aus Getreide, Fischöl und Fischmehl. Menge und Zusammensetzung werden genau kontrolliert.
Die Fütterung funktioniert vollautomatisch, nur wenn ein technisches Problem auftritt, bekommt Carsten Pommerehne eine Warnmeldung aufs Handy. Eine App zeigt ihm, was in den Fischhallen gerade passiert.
"Wir sehen hier die Fütterung, es ist gerade grün, sie läuft. Wir wollen in diesem Becken 21 zum Beispiel 7,75 Kilo pro Tag füttern. Und nach Mitternacht errechnet er wieder dass er ein Stück drauflegt, weil ja durch das Futter, was sie kriegen, werden sie ja schwerer. Das errechnet der Computer über eine Futterkurve, die dahinter liegt."
Es ist das Grundrezept jeder Massentierhaltung: wenig Bewegung, viel Futter und ein möglichst voller Stall. Experten sprechen von „hoher Besatzdichte“. Beim afrikanischen Wels sind es bis zu 350 Kilo pro Kubikmeter Wasser, ein Drittel des Beckens ist dann mit Fisch gefüllt. So fühlt sich er sich am wohlsten, versichert Mathias von Lukowicz. Der Biologe ist Präsidiumsmitglied des Deutschen Fischereiverbandes.
"Wenn Sie zu geringe Besatzdichten haben, gibt es Positionskämpfe, die Fische verhalten sich als Einzeltiere, dadurch kommt es zu einer Stresssituation. Wenn Sie die Besatzdichten steigern, kehren die Fische zum Schwarmverhalten zurück, nutzen das Futter besser und es kommt dadurch zu einem besseren Wohlbefinden und auch zu besseren – zugegebenermaßen – ökonomischen Erfolgen."
Wenn gute Futterverwertung ein Maß zufriedene Fische ist, muss es den Welsen in den Betonbecken prächtig gehen. Am Ende ihres kurzen Lebens wiegen sie 1,5 Kilo, haben bis dahin aber nur 1,3 Kilo Kraftfutter und ganz viel Wasser zu sich genommen. Kein Landtier wächst derart sparsam heran.
Bisher sind bundesweit 60 derartige Kreislaufanlagen für die Fischzucht in Betrieb. Zusammen erzeugen sie 2000 Tonnen Fisch im Jahr – das sind nur 0,15 Prozent des deutschen Verbrauchs. Doch in den nächsten fünf Jahren soll sich die Menge verzehnfachen. Roland Lemcke koordiniert den Aquakultur-Strategieplan, in dem dieses Ziel steht.
Das gute an diesen Kreislaufanlagen ist ja, dass man sie relativ standortunabhängig irgendwo installieren kann, also auch in einem Gewerbegebiet. Das spricht für sie.
Im Unterschied zur Schweine- oder Hühnerhaltung werden Anlieger weder durch Lärm noch durch Gestank belästigt. Das Fischwasser wird gefiltert, mehrmals wiederverwendet und im Sommer zur Bewässerung der Felder verwendet. Moderne Aquakultur ist eine saubere Sache. Nur beim Töten der Tiere versagt die moderne Technik. Der eigentlich vorgeschriebene Elektroschock funktioniert beim afrikanischen Wels nicht.
"Wir haben das Problem, dass unser Fisch das 400-fache an Strom abkann. Der dreht sich ein bisschen, aber der schwimmt trotzdem weiter. Und dann haben wir eine Sondergenehmigung, dass wir mit Eiswasser töten dürfen. Das ist null bis zwei Grad, und der Fisch fängt bei unter 15 Grad Wassertemperatur sowieso an einzuschlafen. Und somit dauert das keine zwei Minuten, dann ist er eingeschlafen und stirbt danach."