Max Reger

Der musikalische "Accord-Arbeiter"

Porträt des Komponisten Max Reger
Max Reger (1873−1916) © imago / Leemage
Von Wolfgang Schreiber · 11.05.2016
Der Komponist Max Reger gehört zu den sperrigsten Traditionalisten zwischen Spätromantik und beginnender Moderne. Er arbeitete sich an seinen Vorgängern ab, besonders an Bach. Regers Produktivität war manisch, sein früher Tod vor 100 Jahren riss ihn aus einem Schaffensrausch.
Ein Komponist des frühen 20. Jahrhunderts findet ungeniert zu Mozart, indem er Mozart-Variationen für Orchester schreibt. Max Regers populärste Musik. Aber er hatte mehr zu bieten. Außer für die Oper komponierte Reger für alle Klangformationen. Seine manische Produktivität glich einer Naturgewalt, die früh zerbrach: Der Tod am 11. Mai 1916 in Leipzig riss den 43-jährigen Komponisten, Organisten, Pianisten und Dirigenten aus einem galoppierenden Schaffensrausch. Er selbst war es, der sich gerne als einen "Accord-Arbeiter" titulierte.
Ein sperriger Geist
Max Regers Mozart-Variationen von 1914 verarbeiten forsch die berühmte Klaviersonate in A-Dur. Der Komponist nimmt das Sonatenthema nach allen Regeln der Kunst auseinander und schraubt es immer wieder neu zusammen. Reger, geboren am 19. März 1873 nahe Weiden in der bayerischen Oberpfalz, ist gleichaltrig mit Schönberg, Skrjabin und Charles Ives. Der 15-Jährige sieht in Bayreuth den "Parsifal", will darum unbedingt Komponist werden und studiert bei dem legendären Hugo Riemann. Die Karriere verläuft steil: Hofkapellmeister, Musikdirektor, Universitätsprofessor. Die Schauplätze des Lebens sind München und Leipzig, dann das Thüringische Meiningen, zuletzt Jena. Im Zeitalter der Umbrüche ist Reger ein sperriger Geist, der sich aber eines Ahnherrn sicher sein darf.
"Alles, alles verdanke ich Johann Sebastian Bach."
Als Reger mitten im Ersten Weltkrieg stirbt, ist längst der Kampf um die Neue Musik entbrannt. Der Komponist Wilhelm Killmayer hat das widersprüchliche Phänomen Reger, seine Musik, in einem Vortrag zu deuten versucht:
"Reger geht unaufhörlich an etwas entlang, was als Grenze da und dort sichtbar wird, ohne diese Grenze je zu überschreiten. Sein Ausdrucksdrang hat die Mittel seiner Zeit ausgeweitet, aber nicht zerbrochen. Sein Wesen verbot ihm dies, vielmehr schrieb er gegen das Zerbrechen an ... So bewegt sich seine Musik am Rande des Ungesicherten, auf schwankendem Boden, oft taumelnd und endlos."

Tonsätze aus dem Dschungel

Max Reger, ein Meister der Orgel aus Berufung. Der Drang beherrscht ihn, sich an den großen Vorgängern abzuarbeiten. An Bach vor allem. Präludien, Fugen, Choralfantasien auf der Orgel sind seine Welt, dazu Kantaten oder Motteten für gemischte Chöre. Bei der Orchester- und Kammermusik folgt Reger mehr Beethoven und Brahms. Immer ist sein kompliziertes harmonikales Denken gegenwärtig, seine Musik bewegt sich permanent durch Labyrinthe ständig wechselnder Tonarten. Das Problem für den Hörer ist der dschungelhafte Tonsatz, der im Klangkontinuum harmonischer Wucherungen für das Ohr kaum mehr zu fassen ist.
Max Regers Musik wird zum Denkmal eines Getriebenen, in Zeit und Raum. Reger arbeitete hektisch, lebte ungesund, der Alkohol wurde zum Problem. Reisen, Dirigieren, Unterrichten, Noten, Partituren schreiben - ohne Rast und Ruh’.
"Für ihn war Schreiben gleichbedeutend mit Atmen, eine Körperfunktion. Kein Machen, sondern ein Sein. Er hat im Grunde, graphomanisch, fortlaufend, ohne Einbrüche, ein einziges riesiges Werk geschrieben – sich selbst."
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