Mauerfall 1989

Die kleine Geschichte zum Schabowski-Zettel

Mitarbeiter stülpen im Haus der Geschichte eine Glasvitrine über den Schabowski-Zettel.
Mitarbeiter stülpen im Haus der Geschichte eine Glasvitrine über den Schabowski-Zettel. Der Zettel galt lange Zeit als verschollen und ist im Original im Haus der Geschichte in Bonn zu sehen. © dpa/ picture-alliance/ Oliver Berg
Von Stefan May · 02.11.2015
Der Zettel, den Günter Schabowski während der legendären Pressekonferenz hervorkramte, ist heute Zeitgeschichte. Der österreichische Korrespondent Ewald König hat die Konferenz miterlebt.
"Unverzüglich, sofort." Das waren die Worte von Günter Schabowski, die Zehntausende Ostberliner am Abend des 9. November an die Grenzübergänge zu Westberlin strömen ließen. Laut Ewald König war Schabowski die Pressekonferenz entglitten, nachdem ihn DDR-Journalisten unerwartet direkt auf seine persönliche Verantwortung angesprochen hatten. Deshalb habe er die Sperrfrist in der Mitteilung übersehen und die folgenschwere Erklärung gemacht.
"Ich habe genau ein Jahr nach dieser Pressekonferenz ein ausführliches Interview mit ihm gehabt, wo er mich übrigens um 200 D-Mark Honorar gebeten hat, die ich ihm auch bezahlt habe, da hat er alles ganz anders dargestellt, als ich es von der ursprünglichen Pressekonferenz in Erinnerung hatte. In dem Interview hat er mir weismachen wollen, er habe es auf Understatement angelegt und wollte diesen Schritt mit der Reiseregelung nur so schildern, als wäre das ein Schritt von mehreren gewesen, die die Regierung sowieso vorgehabt hätte."
König will nicht ausschließen, dass Schabowski das Thema sogar vergessen hätte, wäre er nicht sieben Minuten vor Ende der Pressekonferenz darauf angesprochen worden. Bekanntlich hatte er daraufhin jenen Zettel aus seinen Akten hervorgekramt, den ihm kurz zuvor Parteichef Egon Krenz zugesteckt hatte. Jenen Zettel mit der Information über das neue Reisegesetz.
"Das Original von seinem Zettel, das weiß ich, hat jemand in Privatbesitz. Die Bundesrepublik Deutschland weiß aber nicht, wer diesen Originalzettel hat. Ein Abzug davon ist ein Teil des Weltkulturerbes geworden, aber nicht dieser Originalzettel. Also, ich weiß, wer den Originalzettel hat, aber werde das natürlich nicht mitteilen. Ich bin es selber nicht."
Korrespondent gab Informationen im griechischen Restaurant durch
Ewald König bemühte sich nach der Pressekonferenz einen Bericht an seine Redaktion in Wien durchzugeben. Wie üblich waren die Telefone im Ostberliner Pressezentrum unbenutzbar. Er hatte für diese Fälle bereits eine Lösung in der Nähe, wie er in seinem Erinnerungsbuch "Menschen, Mauern, Mythen" schreibt.
"Das "Athena II" war das erste Lokal in der Friedrichstraße nach dem Checkpoint Charlie. Die griechischen Kellnerinnen kannten meine Telefonprobleme von drüben. Im Athena II durfte ich jederzeit das Telefon zum Textdurchgeben benutzen - und bekam auch noch einen Ouzo dazu. Sobald die Redaktionssekretärin im Aufnahmezimmer in Wien griechische Bouzouki-Hintergrundmusik aus dem Telefonhörer vernahm, wusste sie sofort: Jetzt kommt ein Bericht unseres Korrespondenten aus der DDR."
An jenem Abend ahnte Ewald König aber noch nicht, was sich anbahnte. Es wurde eine lange Nacht für ihn, wie für viele in dieser Stadt. Und es folgten arbeitsreiche Tage auf diese Nacht des Mauerfalls.
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