Matthias Gronemeyer: "Vögeln - eine Philosophie vom Sex"

Ohne Sex nutzt die reine Vernunft nur wenig

Ein Mann und eine Frau umarmen sich hinter einem durchscheinenden Wandschirm.
Ein Mann und eine Frau umarmen sich hinter einem durchscheinenden Wandschirm. Für das, was jetzt möglicherweise folgt, fehlt oft die angemessene Sprache in Literatur und Philosophie. © imago/Westend61
Matthias Gronemeyer im Gespräch mit Andrea Gerk · 12.10.2016
Was zählt mehr im Leben: das Körperliche oder das Denken? Mit diesem Problem beschäftigt sich Matthias Gronemeyer in seinem Buch "Vögeln – eine Philosophie vom Sex". Er kritisiert die Verbannung des Körperlichen aus der Sprache der Philosophie.
Der Philosoph Matthias Gronemeyer gibt seinen Kollegen Nachhilfeunterricht in lustvollem Verhalten: "Vögeln - eine Philosophie vom Sex" heißt sein neues Buch. Seine Disziplin sei eine "anti-sexuelle Bewegung" und praktiziere die "Flucht aus der Wirklichkeit in die Wahrheit", kritisiert der Autor.
Die Abwertung der körperlichen Liebe sei schon seit der Antike bekannt, so beschreibt es Gronemeyer im Deutschlandradio Kultur. Das finde sich etwa in dem Werk "Symposion" von Platon, das praktisch die "Gründungscharta der Philosophie" darstelle:

"Sie läuft darauf hinaus, dass das Denken, also das Nicht-Körperliche das eigentlich Erotische sei. Und die ganze körperliche Liebe wird da doch denunziert. Und das zieht sich eigentlich durch die ganze Philosophiegeschichte durch."

Der "philosophische Mehrwert" deftiger Szenen

Gronemeyers Buch enthält eine Reihe von deftigen Szenen. An dieses Thema dürfe man nicht mit spitzen Fingern herangehen, meint der Autor in seinem Vorwort. Welcher "philosophische Mehrwert" könnte aus einer gewissen Drastik der Worte entstehen?
"Es ist vor allem der Versuch, mal aus dieser sehr eng geführten wissenschaftlichen Sprache herauszukommen. Das ist sicherlich auch ein Grund, warum sich zumindest die akademische Philosophie so wahnsinnig schwer tut: Weil sie sich quasi ein Begriffskorsett angelegt hat, was alles Körperliche, alles Riechende, alles Schmeckende, vielleicht auch alles Eklige und Vulgäre irgendwie außen vor hält. Und versucht, die Vernunft in ihrer Reinheit zu erhalten."

Ist Sexualität auch ein Sprachproblem?

Die richtige Sprache für Sexualität zu finden – das fällt vielen Autoren schwer. Es handele sich zum einen um ein allgemeines Sprachproblem, meint Gronemeyer. Zum andere sei "Vögeln" eben etwas sehr Privates. Damit sei ein gewisser Konflikt vorgegeben:
"Und da haben wir schon die erste Friktion. Auf der einen Seite etwas sehr Öffentliches – die Sprache. Und auf der anderen Seite etwas sehr Intimes, so dass da der Übergang schwierig wird."

Matthias Gronemeyer: "Vögeln – eine Philosophie vom Sex"
Erschienen im Selbstverlag, 376 Seiten

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