Matsch am Paddel haben …

Von Rolf-Bernhard Essig · 14.11.2008
Diesmal geht es um die Redensarten: Matsch am Paddel haben, Sein blaues Wunder erleben, Eine Stippvisite machen, Da beißt die Maus keinen Faden ab u.a.
Matsch am Paddel haben

Das wird leicht mit "Dreck am Stecken haben" verbunden, doch die Bedeutung ist eine völlig andere. Wer "Dreck am Stecken" hat, hat etwas ausgefressen, wurde schon mal schuldig in irgendeiner Weise. Wer "Matsch am Paddel" hat, ist dagegen eher auf den Kopf gefallen, hat jedenfalls momentan nicht alle Sinne beieinander.
Die Vorstellung dahinter ist die eines Bootes, das nicht mehr genügend Wasser unterm Kiel hat, sondern in Niedrigwasser geraten und aufgelaufen ist. Der "Matsch am Paddel" macht unmissverständlich klar, dass es hier kein Weiterkommen gibt, weil man nur noch Matsch statt Wasser paddelt. Der Zusammenhang zwischen dem stockenden, plötzlich seicht gewordenen Gedankenfluss und der Bootsfahrt liegt auf der Hand.

Sein blaues Wunder erleben

Die Dresdner Brücke dieses Namens kennen viele, die in kühner, inzwischen eher grüner Eisenkonstruktion die Elbe überspannt. Vom Café darunter hat man einen wunderbaren Blick auf das "Blaue Wunder". Ihr Name kommt vom Anstrich her und von der modernen Konstruktion. Er stand allerdings nicht an der Wiege der Redensart "sein blaues Wunder erleben". Umgekehrt wird ein Schuh daraus.
Im Deutsch des Mittelalters und der Frühen Neuzeit stand die Farbe Blau unter anderem für die Täuschung, den Betrug, ja sogar die Lüge. Dazu entwickelten sich allerlei Redensarten und Sprichwörter, die manchmal virtuos mit der Farbe spielten. So sagt man beispielsweise "jemandem blauen Dunst vormachen" oder "das Blaue vom Himmel herunterlügen". Das heißt einerseits so gut zu lügen, dass man den unbezweifelbar blauen Himmel anders erscheinen lassen kann, ihm gleichsam seine Farbe weglügen, andererseits dass man ein exzellenter Lügner ist, der aus dem Nichts des Himmels heraus zu lügen versteht, das Blau der Lüge gleichsam aus der Luft holt. So konnte das "blaue Wunder" als Warnung oder Drohung entstehen: vor einer bösen Überraschung nämlich.

Eine Stippvisite machen

Eigentlich heißt "stippen" im Norddeutschen soviel wie "hineinstechen, hineinstoßen, punktieren". Von diesem Bewegungswort und Handwerkerausdruck aus entwickelte sich das Wort für das Aufnehmen von Soßen, weil man ja mit dem Brot in die Tunke stippte, gleichsam hineinstach mit ihm. Daher konnte die Soße selbst dann auch Stippe "heißen". Weil man ja nur jeweils etwas Soße aufnahm, ergab sich zusätzlich die Bedeutung "Kleinigkeit" für "Stippe". Ein kurzer Besuch konnte so zur Stippvisite werden.
Schließlich kommt die Visite vom lateinischen Wort "visitare", das "oft sehen, besuchen" heißt, und der Kurzbesucher kam nur kurz ins Haus hinein für eine Kleinigkeit von einem Besuch. Man könnte ihn auch bildlich als das Stückchen Brot verstehen, der in die Soße des besuchten Hauses stippt, aber das ist eher ein spielerisches Wörtlichnehmen.

Da beißt die Maus keinen Faden ab

Die Heilige Gertrud von Neville ist die Schutzpatronin gegen Ratten und Mäuse. Ihr Tag ist der 17. März, der gleichzeitig für die Bauern über Jahrhunderte die Scheide zwischen Winterwerken und Frühjahrsarbeit war. Im Winter beschäftigte man sich vor allem mit häuslichen Arbeiten, zu denen das Weben und Spinnen gehörte. Diese hatten aufzuhören, man hatte aufs Feld zu gehen, wenn der Getrudstag kam. Merkverse bestärkten darin: Gertrud mit der Maus treibt die Spinnerinnen aus." Oder: Am Gertraudtag laufft die Maus am Rocken hinauf und beißt den Faden ab." Denn dann ist Schluss mit Weben und Spinnen!

Das geht / läuft ja wie am Schnürchen

So unscheinbar es ist, führte doch das Schnürchen zu allerlei Redensarten. Da trifft man auf den Ausdruck "etwas am Schnürchen haben", der vom Gängelband der kleinen Kinder herkommt. Das war eine Art Geschirr, mit dessen Hilfe man die unruhig hin- und herstrebenden, oft auch fallenden Kleinen leiten, lenken und halten konnte, so dass der Ausdruck bedeutet "alles im Griff haben".
Bei dem Ausdruck aber "das läuft ja wie am Schnürchen" geht es um das reibungslose, flotte Ablaufen einer Handlung. Da ist einerseits an den Rosenkranz zu denken, der manchmal sogar explizit in Varianten der Redensart vorkommt. In Köln heißt es: "Dat muß immer förangohn wie de Schnur am Rusekranz." Eine zweite Erklärung bezieht sich auf die Marionettentheater und die Hampelmänner, deren Bewegungen von "Strippenziehern" oder "Drahtziehern" abhängen. Hier gab es keinen eigenen Willen, die Handlung lief also folgerichtig ab.
Die Schnur war allerdings auch seit alter Zeit ein Bild für die Folge überhaupt und im ganz wörtlichen Sinne, spätestens seit antiken Tagen. Beliebt war die Sage von Theseus, der mit Hilfe des Ariadne-Fadens aus dem Labyrinth herausfand. Diese Vorstellung übertrug sich damals schon auf das folgerichtige Denken und blieb es bis heute. Es gibt ja immer noch das alte Wort "Leitschnur" des Denkens und Handelns, das die Prinzipien eines Menschen bezeichnet, nach denen er konsequent vorgeht. Wenn man eine Leitschnur hat, dann "klappt alles wie am Schnürchen". Man musste ihr nur aufmerksam folgen.

Das ist unter aller Kanone

Der Aufenthalt unter einem Geschütz wäre natürlich unangenehm, aber was hat er mit Qualität zu tun? Die Erklärung liegt darin, dass es gar nicht um die Kanone geht, sondern um den Kanon. Das ist einerseits der Ausdruck um kanonische Schriften zu bezeichnen, solche also, die für wert gehalten wurden, überliefert zu werden. Daneben gab es "Kanon" noch als Ausdruck für die Bewertungsskala in der mittelalterlichen Schule. Was außerhalb, eben unterhalb dieser lag, das war eine besonders schreckliche Leistung, die "sub omnia canona" genannt wurde, eben "unter allem Kanon". Daraus wurde im Volksmund, der den Fachbegriff nicht kannte, dann "unter aller Kanone".

(Dreimal) auf Holz klopfen

Ähnlich wie das "toi, toi, toi"- oder "pfui, pfui, pfui"-Sagen handelt es sich beim dreimaligen Klopfen auf Holz um einen Abwehr- und Schutzzauber. Früher war man überzeugt, das Loben eines Menschen locke Dämonen und böse Geister magisch an. Deshalb spuckte man tatsächlich bei jedem Lob aus und damit auf die bösen Geister oder schreckte sie durch das, oft dreimalige Klopfen auf Holz ab. Das einstmals belebte Holz wurde gewählt, um Dämonen, die darin stecken mochten (man denke nur an Klopfgeister), abzuwehren oder um böse Energien dort hinein zu lenken.
Immer wollte man einen schlimmen Einfluss mit diesen magischen Gesten verhindern. Heute wird das Klopfen auf Holz oft nur noch als Segenswunsch aufgefasst im Sinne von: Es möge alles gut werden!

Das ist (nur) 08/15

Ein Maschinengewehr stand hier Pate, das 1908 in Dienst gestellt und 1915 verbessert wurde, weshalb es "MG 08/15" genannt wurde. Es handelte sich dabei aber auch um eine Neuerung in militärorganisatorischer Hinsicht, denn es wurde in allen Landesheeren, aus denen sich das deutsche Heer zusammensetzte, eingesetzt, dazu aus genormten Teilen gebaut, so dass diesmal auch Ersatzteile der unterschiedlichen Länderheere verwendet werden konnte.
Das MG war Jahrzehnte im Einsatz, Generationen von Rekruten lernten, es auseinanderzunehmen und zusammenzusetzen: immer und immer wieder, tausendmal. So konnte es unter Soldaten zum Synonym für stumpfsinnige Routine werden. Allgemein geläufig machte den Ausdruck erst Hellmuth Kirst, der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg drei Bestseller-Romane schrieb, die alle "08/15" im Titel trugen.

Mit der heißen Nadel gestrickt

Hinter der Redensart steckt wirklich die Kleidungsherstellung per Hand. In Zeiten von Billigtextilien sieht man selten Menschen stricken. Das war in Universitätsvorlesungen der 80er noch anders, wo selbst Männer strickten.
So flink, wie das bei erfahrenen Strickerinnen geht, so problematisch kann es doch werden, wenn das Tempo zu hoch wird, so hoch, dass – bildlich gesprochen – die Nadeln davon heiß werden. Die Gleichmäßigkeit der Maschen kann darunter leiden, das Muster oder gar die Haltbarkeit des ganzen Gewebes. Deshalb ist einem Gestricke nicht zu trauen, das in solcher Eile mit heißer Nadel gestrickt wurde. Dass Pläne oder Vorhaben mit Geweben bzw. der Stoffherstellung verglichen wurden, ist seit der Antike belegt.