Matrosenprosa

Kuttel Daddeldu in Uniform

Der Dichter Joachim Ringelnatz mit dem Ohr an einem altmodischen Telefonapparat, den Zuschauer anlächelnd.
Undatierte Aufnahme des deutschen Schriftstellers, Lyrikers und Kabarettisten Joachim Ringelnatz (eigentlich Hans Bötticher). © dpa/ picture alliance
Von Günter Beyer · 14.01.2014
Der Seemann Kuttel Daddeldu ist die wohl bekannteste Figur von Joachim Ringelnatz, der vor 130 Jahren im seefernen Sachsen als Hans Bötticher geboren wurde. Mit der Seefahrt verband ihn eine große Liebe.
Im Ersten Weltkrieg war Cuxhaven Festung und Marinegarnison. Tausende Matrosen lagen in den Kasernen. Mit Kriegsausbruch 1914 meldete sich Ringelnatz freiwillig zur kaiserlichen Marine. Mehrere Jahre war er in Cuxhaven an der Elbmündung stationiert.
1915, als Ringelnatz freiwillig in der Cuxhavener Garnison einrückt, liegen hinter ihm bewegte Jahre. Er war von der Schule geflogen, ausgerissen, als Matrose um die Welt geschippert und hatte bereits auf den Brettern Münchner Kabaretts gestanden.
Noch gar nicht so lange erinnert sich Cuxhaven mit einigem Stolz an seinen berühmten Matrosen, der 1928 in seinem Buch "Als Mariner im Krieg" über seine Kommissjahre an der Elbmündung berichtet hatte. Er notiert:
"Cuxhaven hatte geflaggt, diese Stadt, die mir gipsern, starr und unerträglich langweilig vorkam."
"Das hat den Cuxhavenern nicht so gut gefallen", erzählt Erika Fischer, die Vorsitzende der 2001 gegründeten Ringelnatz-Stiftung, "und sie haben Jahrzehnte gebraucht, um das abzulegen, und haben ihn erst 1977 mit einer Straße geehrt."
Inzwischen darf Joachim Ringelnatz an der Elbmündung als vollständig rehabilitiert gelten. Sein Buch "Als Mariner im Krieg" gilt als eines der wichtigsten autobiografischen Bücher über die kaiserliche Marine im Ersten Weltkrieg und setzt darüber hinaus der Marinegarnison ein literarisches Denkmal.
Britische Kriegsschiffe 1916 vor dem Zusammentreffen mit der deutschen Flotte am Skagerrak.
Britische Kriegsschiffe 1916 vor dem Zusammentreffen mit der deutschen Flotte am Skagerrak.© AP Archiv
Kriegstagebuch
Hans Bötticher hatte in jenen Jahren, an Bord und an Land, fleißig Tagebuch geführt. Ob er im "Kriegstagebuch", wie er sein Werk selber nannte, seine Erlebnisse literarisch bearbeitet, womöglich schönt oder dramatisiert, muss offen bleiben, denn die originalen Tagebücher sind verloren gegangen. Ringelnatz selber betont jedoch die Authentizität seiner Schilderungen.
Dass Joachim Ringelnatz mit seinem Mariner-Buch Literatur von bleibendem Wert geschaffen hat, glauben auch die Cuxhavener Ringelnatz-Freunde. Sie haben anhand der präzisen Schilderungen die authentischen Orte gesucht und meistens in der Topografie der Seestadt von heute wiedergefunden. Und so kann man nun auf einen mit historischen Fotos illustrierten Ringelnatz-Stadtplan zurückgreifen. Auf ihm sind die wichtigsten Stationen eingezeichnet und zu einem gemütlichen Spaziergang verbunden.
Günter Beyer hat sich auf Spurensuche an der Elbmündung begeben und etliche Örtlichkeiten gefunden, an denen Ringelnatz seine leidvoll-groteske Militärkarriere durchlief: seine Kaserne, sein Logierhaus, seine Maschinengewehr-Stellung, wo Ringelnatz sich allerdings meist mit seinem selbst gebastelten Terrarium beschäftigte und Radieschen züchtete. Sogar der Kommandeursdampfer "Schaarhörn", auf dem der zum Leutnant aufgestiegene Schriftsteller zum Rapport antreten musste, ist noch seetüchtig.
Cuxhaven hat sich inzwischen zu einem kleinen Ringelnatz-Zentrum entwickelt - mit einer Ringelnatz-Gesellschaft, die einen Ringelnatz-Preis an geistesverwandte Dichter und Vortragskünstler verleiht, einem Ringelnatz-Museum und sogar einer Ringelnatz-Kneipe.
Manuskript zur Sendung als PDF-Dokument und im barrierefreien Textformat.
Mehr zum Thema