"Matilda"

Ein Zar als Anti-Held

Ein Ticketschalter in Wladiwostok macht Werbung für den Film "Matilda".
Werbung für den russischen Film "Matilda". © pa/dpa/Sputnik/Ankov
Thielko Grieß im Gespräch mit Timo Grampes · 23.10.2017
Pornografisch, antireligiös, ehrverletzend: das werfen orthodoxe Kreise Russlands dem Film "Matilda" über Nikolaus II. vor. Ihr Protest reichte von angezündeten Autos bis zu Drohungen gegen den Regisseur. Thielko Grieß hat den Film für uns gesehen.
Nach langem Streit kommt der umstrittene Film "Matilda" in die russischen Kinos. Er handelt von der Liebe des letzten Zaren Nikolaus II. zu der polnischen Tänzerin Matilda Kschessinskaja – die Affäre soll historisch verbürgt sein. Doch orthodoxe russische Hardliner störten sich daran, den letzten Zaren – 1918 von den Kommunisten ermordet, heiliggesprochen von der russischen Kirche – im Bett mit einer polnischen Tänzerin zu sehen.
Der deutsche Schauspieler Lars Eidinger bei der Vorstellung des Films "Matilda" in Russland.
Der deutsche Schauspieler Lars Eidinger bei der Vorstellung des Films "Matilda" in Russland.© pa/dpa/Sputnik/Novozhenina
Und so ging der Uraufführung des umstrittenen Films am heutigen Montag in St. Petersburg eine einjährige Hetzkampagne voraus: "Es gab angezündete Autos, Polizeischutz für den Regisseur", berichtet unser Korrespondent Thielko Grieß. Auch weigerten sich die größten russischen Kinoketten zeitweilig, "Matilda" ins Programm zu nehmen.

Der Film rechtfertigt die Aufregung nicht

Der Film rechtfertige diese Aufregung nicht, sagt Grieß. "Aber versuchen wir uns ein klein wenig hineinzuversetzen in diese Figur, den Zaren: Er ist Projektionsfläche, ein Zar des russischen Imperiums, er ist ein starker Mann, ein Held, ein Imperator. Aus orthodoxer Sicht kommt noch das Moment der Heiligkeit hinzu. Und das alles ist er in diesem Film eben nicht!"
Denn Lars Eidinger spiele die Rolle den Zaren als komplexe Figur, als Zauderer, der oft schwächer sei als die Personen in seiner Umgebung. "Wenn man ihn sich als makellosen Menschen vorstellt, dann ist das, was dieser Film zeigt, ein Gegenentwurf. Und darüber kann man sich aufregen, da kann man Gram empfinden, wenn man damit nicht einverstanden ist."
Bisher seien ihm keine Demonstrationsaufrufe anlässlich der heutigen Premiere bekannt, sagt Grieß. "Aber denkbar ist es ja schon, dass der eine oder andere vielleicht doch dort steht und seinen Unmut bekundet über dieses aus Sicht der Kritiker ahistorische Werk." (uko)

Unter dem Titel "Mathilde" kommt der Film am 2. November auch in die deutschen Kinos.

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