Mathijs Deen: "Über alte Wege"

Ein Europa-Trip mit Mängeln

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Eine Combo zeigt das Buchcover "Über alte Wege" von Mathijs Deen vor einem Foto der Europastraße 67, der Via Baltica, in Lettland, auf der Lkws fahren.
Mathijs Deen spürt in "Über alte Wege" der Geschichte des europäischen Fernwegenetzes nach. © DuMont Verlag / picture alliance / imageBROKER / W. Korall
Von Susanne Billig · 25.05.2019
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Europas Straßen verbinden, wecken aber keine Begeisterung wie die Route 66 oder Panamericana. Mit dem Buch "Über alte Wege" will der niederländische Autor Mathijs Deen das ändern - schriftstellerisch klappt das nur teilweise, meint unsere Kritikerin.
Es ist der Traum eines kleinen Jungen: Auf dem BMX-Rad die Dorfstraße entlang sausen, am Haus der Eltern und der Großeltern vorbei und immer weiter – die Räder rollen auf dem Asphalt und der Fahrtwind sprengt die Grenzen der Kindheit.
Sympathisch persönlich steigt Mathijs Deen in sein neues Buch "Über alte Wege" ein. Darin spürt er der Geschichte des europäischen Fernwegenetzes nach, das auf tausenden von Kilometern Europas Orte miteinander verbindet und sogar weit bis nach Asien reicht.

Europas Straßen sind kein Vergleich zur Route 66

Doch während die Route 66 oder die Panamericana vielbesungene Sehnsuchtsstraßen sind, lässt die E 30 kein Herz höher schlagen. Warum? Viele alte Wege Europas entstanden infolge konfliktbehafteter Völkerwanderungen und Eroberungsfeldzüge, erläutert der Autor, und lösten immer auch Angst aus vor dem verfeindeten Clan, dem konkurrierenden Nachbarn. "Wo Straßen kamen, folgten Armeen", schreibt Mathijs Deen. "Überregionale Straßen brachten nur selten Gutes."
In einem schönen ersten Kapitel zeichnet er nach, wie sich die europäischen Länder nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs zusammentaten, um im Wirrwarr der europäischen Straßen Muster zu entdecken und sich auf ein gemeinsames Fernwegenetz zu einigen. E1, E2, E3 – die ersten Verbindungen folgten alten römischen Straßen.
Doch als sich das Netz immer mehr verdichtete, wurden auch die Nummerierungen immer undurchschaubarer. Manche Fernstraße führte sogar über den Boden des Mittelmeers oder des Atlantischen Ozeans und endete an einem Schlagbaum irgendwo in der Türkei oder in China – kein Europäer kann sich damit identifizieren, erklärt der Autor.

Fesselnder Auftakt, hölzerne Dialoge

Nach diesem klassischen Sachbuch-Auftakt driftet Deen ins Reich des literarischen Schreibens und spinnt in jedem der folgenden zehn Kapitel Geschichten rund um alte europäische Streckenverbindungen. Warum wurde der berühmte, mehr als 2000 Jahre alte silberne "Kessel von Gundestrup", angefertigt von Thrakern an den Ufern der Donau in Bulgarien, mit keltischen Darstellungen geschmückt und viele tausende Kilometer weiter nördlich in einem dänischen Torfmoor gefunden?
Der Autor stellt sich vor, dass Boiorix, ein König aus dem Stamm der Kimbern, den Kessel auf alten Wegen zwischen Elbe und Donau verschleppt haben könnte. Eine andere Geschichte befasst sich mit der Verbindung zwischen Byzanz und Rom und lässt "Bulla den Glücklichen" auftreten, einen legendären Räuber und Wegelagerer auf alten Straßen.
So fesselnd sich der Auftakt des Buches liest, so mühsam wird es, den dramatischen Ideen des Autors zu folgen – die Dialoge bleiben hölzern, die Szenen blass, die Wendungen vorhersehbar. Schade! Mathijs Deen hätte das Geschichtenschreiben denen überlassen sollen, die sich darauf verstehen. Er hätte seinen Kindheitstraum wahrmachen, sich in ein Gefährt setzen, die Straßen Europas persönlich abklappern, Reiseerlebnisse mit europäischer Geschichte verweben und bei dem bleiben sollen, was er richtig gut kann: Sachbuch schreiben.

Mathijs Deen: "Über alte Wege: Eine Reise durch die Geschichte Europas"
Aus dem Niederländischen übersetzt von Andreas Ecke
DuMont Verlag, Köln 2019
416 Seiten, 24 Euro

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