Massnahmenpaket

Wie Europas Luft sauberer wird

Wasserdampf steigt aus den Kühltürmen eines Braunkohlekraftwerks in Jänschwalde und spiegelt sich dabei in einem abgelassenen Fischteich.
Wasserdampf steigt aus den Kühltürmen eines Braunkohlekraftwerks in Jänschwalde. © picture alliance / ZB / Patrick Pleul
Matthias Groote im Gespräch mit Nana Brink · 18.03.2014
Der Vorsitzende des Umweltausschusses im EU-Parlament, Matthias Groote, sieht Europa auf einem guten Weg zu besserer Luft: Er rechnet mit 60.000 weniger Todesfällen durch das Maßnahmenpaket der EU-Kommission.
Nana Brink: Durchatmen – das können im wahrsten Sinne des Wortes viele Pariser, nicht nur, weil die Luft in den letzten 24 Stunden besser geworden ist, sondern auch, weil das Fahrverbot aufgehoben worden ist. Das hat es in Frankreich schon lange nicht mehr gegeben, 17 Jahre lang nicht, um genau zu sein: ein Fahrverbot wegen Luftverschmutzung. Da durften dann nur noch Autos und Motorräder in Paris fahren, deren Nummernschilder mit einer ungeraden Ziffer enden. Also ich hätte da erst mal auf mein Nummernschild gucken müssen.
Der Smog ist nicht nur ein Problem asiatischer Großstädte also: Rund 90 Prozent der Stadtbewohner in der EU sind einer Luftverschmutzung ausgesetzt, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO als gesundheitsgefährdend eingestuft wird. Matthias Groote, für die SPD im Europaparlament und dort Vorsitzender des Umweltausschusses – schönen guten Morgen, Herr Groote!
Matthias Groote: Guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Die EU hat in einer Studie diese Zahl genannt: 400.000 Menschen starben 2010 an den Folgen von hoher Luftverschmutzung in Europa. Das sind mehr, als bei Verkehrsunfällen ums Leben kommen, und trotzdem gibt es nur Fahrverbote wie in Paris – wie kann das sein?
Groote: Weil man sehr zaghaft ist, die Quellen versiegen zu lassen, das heißt, wenn es an neue Abgasnormen geht für Pkws, dann entbrennt eine Lobbyschlacht, und dann entscheidet man sich, dass man einen Kompromiss eingeht, aber meistens ist dieser Kompromiss sehr zaghaft.
"Das ist nicht Schall und Rauch"
Brink: Die EU-Kommission hat ja im letzten Dezember mehrere Maßnahmen vorgestellt, um die Luftverschmutzung zu reduzieren, vor allem neue Emissionsgrenzen und Richtlinien für Verbrennungsanlagen. Das wird also dann alles nicht umgesetzt, ist Schall und Rauch?
Groote: Nein, das ist nicht Schall und Rauch, nur die Grenzwerte, die wir eigentlich haben müssten, um wirklich einen spürbaren Erfolg zu erzielen, … Wir sind schon sehr weit, was das Thema angeht, man hat das erkannt, man hat sich auf neue Grenzwerte geeinigt, die Kommission hat jetzt ein Maßnahmenpaket im Dezember vorgeschlagen, dass einmal die nationalen Emissionshöchstmengen reduziert werden, dass das Programm saubere Luft für Europa weiter nach vorne getrieben wird, und dass es auch bei mittelgroßen Feuerungsanlagen, bei Kraftwerksblöcken für Straßen, für große Gebäude, dass es dort strengere Grenzwerte gibt. Und bei den Pkws haben wir die Euro-5-, Euro-6-Norm auf den Weg gebracht.
Brink: Auf den Weg gebracht, aber Sie sprechen immer noch im Konjunktiv.
Groote: Ja, das dauert natürlich, bis sich eine Fahrzeugflotte erneuert, achteinhalb, neun Jahre dauert das. Das heißt, wenn man eine Maßnahme beschließt, dann muss es noch ins Gesetzbuch, wenn es eine Richtlinie ist, dann dauert es sowieso noch länger, weil es die Mitgliedsstaaten umsetzen – das dauert immer leider seine Zeit und dass man den Erfolg nicht in einer Legislaturperiode spürt und spürbar zu Gesicht bekommt, sondern es dauert … Meistens spricht man da über Dekaden.
"Das kann in Italien anders sein als in Frankreich"
Brink: Bei 400.000 Toten im Jahr, apropos Umsetzung auf Europaebene: Das haben Sie irgendwie hingekriegt. Aber wo hakt es dann – dass viele EU-Staaten das nicht umsetzen?
Groote: Also es gibt verschiedene, verschiedene Maßnahmen, die man treffen kann, da gibt Europa jetzt nicht genau vor, wie exakt das sein muss. Das kann in Italien anders sein als in Frankreich oder in Deutschland. Man muss sich nur ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen.
Wir haben ja diesen 35-Tage-Wert, dass die Feinstaubbelastung da nicht über einem bestimmten Wert sein darf, und daran misst es sich. Und da kann man verschiedenste Maßnahmenpakete auf den Weg bringen, notfalls auch Fahrverbote, wobei das wirklich das Äußerste ist, so wie wir es jetzt in Paris gestern erlebt haben.
SPD-Europaparlamentarier Matthias Groote
SPD-Europaparlamentarier Matthias Groote© picture alliance / dpa
Brink: Heißt das denn, dass zum Beispiel Frankreich sich ernsthaft dann damit auseinandersetzt und andere Staaten nicht? Benennen Sie doch mal, wer.
Groote: Also man kann verschiedenste Maßnahmen auf den Weg bringen, einmal: Wir haben in Deutschland die Umweltzonen, die auch nachweislich gewirkt haben. Da gibt es auch Kontroversen, die ja …
"420.000 Sterbefälle sprechen eine deutliche Sprache"
Brink: Aber trotzdem sind wir zum Beispiel in Deutschland noch weit über den Normen, wir dulden das noch.
Groote: In einigen Städten haben wir Probleme. Das liegt natürlich auch daran: Liegt es in einem Kessel, haben wir dort eine Kessellage? Aber die Umweltzonen wirken, die neuen Fahrzeuge wirken auch, muss man sagen. Es geht aber nur langsam voran.
Ich hätte mir gewünscht, dass … Gerade bei den Normen für Pkws hätte man noch ganz andere Dinge auf den Weg bringen können, die auch bezahlbar gewesen wären und die spürbar zu einer besseren Luft geführt hätten, weil ich finde, 420.000 vorzeitige Sterbefälle in der Europäischen Union, die sprechen eine deutliche Sprache.
Brink: Wo sind denn dann die schwarzen Schafe?
Groote: Einmal sind es Lkws und so weiter, im mobilen Bereich. Wir haben aber auch die mittleren Feuerungsanlagen, wo man jetzt rangeht. Und das ist ein Paket, was dort dazu beiträgt, dass die Luft dick wird sozusagen.
"Einige fangen es radikal an"
Brink: Ich meinte eigentlich eher die Länder, ich meinte eigentlich diejenigen Länder in Europa, die da nicht mitziehen.
Groote: Es gibt verschiedene Städte. Einige Städte fangen es vernünftig an, muss man sagen. Man kann jetzt nicht mit dem Finger drauf zeigen. Zum Beispiel in Norditalien haben wir Probleme, massive Probleme mit der Luftqualität. Da arbeitet man auch mit dem Mitgliedsstaat zusammen, aber auch mit der Kommission, dass es besser wird, da … zum Beispiel der Transportbereich spielt da eine Rolle.
Einige fangen es radikal an, sage ich mal, London oder in Stockholm, wo es eine Citymaut gibt. Ich weiß nicht, ob ich das gut finde, dass man für die Einfahrt in die Stadt bezahlen sollte.
Diejenigen, die es sich leisten können, nehmen das dann gerne in Anspruch, und diejenigen, die auch pendeln müssen, weil sie aufs Auto angewiesen sind, aber es nicht können, werden ausgegrenzt. Da habe ich meine Bedenken. Ich glaube, dass man an der Quelle ansetzen muss generell, dass im Mobilitätsbereich dieses ganze Segment sauberer wird.
Brink: Weil Luftverschmutzung macht ja bekanntermaßen vor nationalen Grenzen nicht Halt. Gibt es denn überhaupt in der Wirtschaftskrise eine große Neigung für Luftverbesserungsmaßnahmen? Ich habe da so meine Zweifel.
"Zahl der Toten um fast 60.000 verringern"
Groote: Ich glaube, dass man damit sogar Jobs schaffen kann im Umweltbereich. Wenn man sich mal anschaut, wo haben wir steigende Zahlen, was Jobs angeht, dann ist es in dem Bereich.
Wenn man sich auf moderate, machbare, bezahlbare Lösungen einigt, profitiert auch die gesamte Volkswirtschaft davon. Durch das Maßnahmenpaket, was die Kommission jetzt auf den Weg gebracht hat, versprechen wir uns, die Zahl der Toten um fast 60.000 zu verringern.
Brink: Aber überzeugt das zum Beispiel auch eine Wirtschaft in Griechenland oder in Südspanien?
Groote: Ich sage mal, die haben elementare Probleme da, elementare Probleme. Aber nichts desto trotz haben sie Riesenkosten für den Gesundheitsapparat. Die Probleme verschwinden ja nicht, was die Gesundheit, was die öffentliche Gesundheit angeht oder was die Luftqualität angeht.
Wenn man neue Normen auf den Weg bringt, gerade für Pkws, für andere Träger, Mobilitätsträger, dann wird es spürbar besser werden – nicht sofort, das ist ja das Problem, sondern in einer Dekade. Man braucht dafür mindestens eine Dekade.
Brink: Matthias Groote, er sitzt für die SPD im Europaparlament und dort ist er Vorsitzender des Umweltausschusses. Schönen Dank, Herr Groote, dass Sie mit uns gesprochen haben.
Groote: Vielen Dank, Frau Brink!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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