Massiver Lehrermangel

"Die Kultusminister haben gepennt"

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Überall gibt es Proteste gegen den Lehrermangel, wie hier in Thüringen. © imago
Moderation: Katrin Heise  · 25.08.2018
Zu Beginn des neuen Schuljahres fehlen bundesweit fast 40.000 Pädagogen. Wir sprechen darüber mit dem Bildungsforscher Jörg Ramseger und der Bundesvorsitzenden der jungen Lehrer in der Bildungsgewerkschaft VBE, Kerstin Ruthenschröer.
"Lehrer verzweifelt gesucht!" Zu Beginn des neuen Schuljahres fehlen bundesweit fast 40.000 Pädagogen, meldet der Deutsche Lehrerverband. Um die Lücken zu schließen, werden die Stellen kurzfristig mit Quereinsteigern und pädagogischen Laien besetzt, Pensionäre reaktiviert, Junglehrer mit Prämien und der Aussicht auf Verbeamtung gelockt. Behoben ist das Problem damit nicht. Was tun gegen den Lehrermangel?

Kritik an Einsatz von Quereinsteigern

"Wir beobachten eine Deprofessionalisierung, die wir bis vor Kurzem nicht für möglich gehalten haben", sagt Prof. Dr. Jörg Ramseger, Bildungsforscher und emeritierter Professor für Grundschulpädagogik an der Freien Universität Berlin. "Die Kultusminister der Länder in Deutschland haben einfach gepennt." Ramseger kritisiert den vermehrten Einsatz von Quereinsteigern: "Wir unterschätzen, wenn wir Laienpädagogen in der Grundschule einsetzen, die Anforderungen in fachlicher Hinsicht."
Ein Mädchen geht eine Schultreppe hinauf, von der der Farbe abblättert.
VIele Schulen haben hohen Sanierungsbedarf.© dpa/Marijan Murat
Dies habe nicht nur fatale Auswirkungen auf die Kinder, es berge auch Konfliktstoff in den Kollegien. Unter den Laienpädagogen gebe es vielleicht zehn bis 15 Prozent an "Naturtalenten". Viele unterschätzten aber die Arbeitsbelastung und schmissen nach wenigen Wochen wieder hin. In der derzeit akuten Situation sei es allemal besser, Gymnasiallehrer in die Grundschule zu versetzen oder Pensionäre kurzzeitig in den Unterricht zurückzuholen. "Ich halte es sogar für denkbar, in Grundschulen nur noch vier oder fünf Stunden ordentlichen Unterricht von qualifizierten Lehrkräften anzubieten und die Kinder dann nach Hause oder in den Hort zu schicken. Immer noch besser, als wenn sie von Menschen unterrichtet werden, die keine Ahnung von Entwicklungspsychologie und Didaktik haben."

Chancen für junge Lehrer und Lehrerinnen

"Es ist eine gute Zeit für junge Lehrer", sagt Kerstin Ruthenschröer, stellvertretende Leiterin einer Grundschule in Nordrhein-Westfalen und Bundesvorsitzende der jungen Lehrer in der Bildungsgewerkschaft VBE. "Sie sind in der Situation, wo sie sich die Stellen aussuchen können. Das wissen auch die Regierungen und versuchen sie mit Prämien zu locken, mit Verbeamtungen."
Eine junge Lehrerin schreibt am 17.08.2016 an eine Schultafel im Mathematikunterricht einer 8. Klasse an einer Integrierten Gesamtschule in Hannover (Niedersachsen). 
Gerade junge Lehrer und Lehrerinnen können sich die Schule derzeit aussuchen. © dpa/ picture alliance/ Julian Stratenschulte
Oft sei daran aber die Bedingung geknüpft, dass die jungen Pädagogen zunächst einige Jahre in weniger beliebten Schulen unterrichten, zum Beispiel in sozialen Brennpunkten. Das sei für viele Nachwuchskräfte unattraktiv: "Sie wollen nicht nach zwei Jahren ausgebrannt sein."

Es bleibt viel zu tun

Lehrer zu sein sei für sie immer noch ein Traumberuf, aber es gebe zu viele Baustellen: Die Klassengrößen müssten dringend verringert werden, Schulen mit Inklusionsklassen und vielen Kindern mit Migrationshintergrund benötigten mehr Personal; die Gebäude müssten renoviert werden. Dann würden sich auch mehr junge Menschen für den Beruf entscheiden.
Ihr Fazit: "Ich glaube, das Problem ist zu beheben, wenn mehr Geld in die Hand genommen wird. Wenn wir eine gute Wirtschaft haben wollen, dann müssen wir auch in Bildung investieren."

Was tun gegen den Lehrermangel? Darüber diskutiert Katrin Heise heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit Kerstin Ruthenschröer und Jörg Ramseger. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de – sowie auf Facebook und Twitter.

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