Massenarbeitslosigkeit durch Digitalisierung?

"Solche Prognosen haben noch nie gestimmt"

Ein Roboter mit der Bezeichnung "ARMAR IIIb" steht in einem Raum des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).
Was hat er, was wir nicht haben? Ein Roboter mit der Bezeichnung "ARMAR IIIb" steht in einem Raum des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). © dpa-Bildfunk / Christoph Schmidt
Bertolt Meyer im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 20.04.2018
Pflegeroboter, fahrerlose Taxis oder Drohnen, die Pizza ausliefern - geht uns bald die Arbeit aus? Psychologe Bertolt Meyer widerspricht: "Künstliche Intelligenz wird uns einfache Arbeiten nicht einfach wegdigitalisieren."
Durch Digitalisierung und Automatisierung könnten schon in den nächsten Jahren 50 Prozent der Arbeitsplätze wegfallen: Solche Prognosen kann man in letzter Zeit gelegentlich lesen. Folgt man dem Wirtschaftspsychologen Bertolt Meyer, Professor an der TU Chemnitz, steckt dahinter jedoch nichts als übertriebener Alarmismus.

Die Wahrnehmung von Robotern

"Es ist überhaupt nicht so, dass die künstliche Intelligenz in den nächsten zehn Jahren alles an einfachen Arbeiten wegdigitalisieren wird", sagte er im Deutschlandfunk Kultur. "Zum Beispiel ist es heute einem Industrieroboter an einer Fertigungsstraße in einem Automobilwerk nicht möglich, einen Kabelbaum zuverlässig zu erkennen, weil Industrieroboter nur Dinge erkennen können, die ihre Form nicht verändern können."
Bertolt Meyer mit seiner bionischen Hand
Bertolt Meyer mit seiner bionischen Hand© picture alliance / dpa / Philipp Brandstädter
Dass Jobs durch Digitalisierung durchaus wegfallen werden, räumt der Chemnitzer Organisations- und Wirtschaftspsychologe ein. Aber das sei nichts Neues, Technologie habe schon immer die Arbeitswelt verändert. So seien beispielsweise durch das Internet und die Digitalisierung im Bereich Schriftsatz und Druckerei zehntausende Arbeitsplätze verloren gegangen:
"Heute bevölkern aber nicht Heere arbeitsloser Drucksetzer die Straßen, sondern es haben sich gleichzeitig neue Betätigungsfelder aufgetan."

Im Alter besser und mit Freude arbeiten

Zum Problem werde die Digitalisierung erst, wenn sich gesellschaftliche Wertschöpfung und Lohnarbeit entkoppelten, meint Meyer. "Wenn industrielle Wertschöpfung gar nicht mehr auf Menschen angewiesen ist." Dies sei momentan allerdings noch nicht absehbar.
Insofern plädiert der Psychologe für einen differenzierten Blick auf die Digitalisierung der Arbeitswelt, die sowohl Chancen biete als auch Risiken berge. Die Chance liegt für ihn vor allem darin, dass die Arbeit körperlich weniger belastend werde und es auch älteren Menschen erleichtert würde, zu arbeiten. "Dort werden Assistenzsysteme und andere Dinge uns dabei helfen, auch gute Arbeit mit Freude bis ins höhere Alter zu vollbringen."

15 bis 30 Milliarden Euro Schaden durch psychische Belastung

Was Meyer hingegen als Problem ansieht, ist die höhere psychische Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die die Digitalisierung mit sich bringe: "Die Menschen sind heute subjektiver gestresst."
So hätten sich in den letzten zehn Jahren die Arbeitsunfähigkeitstage in Deutschland aufgrund psychischer Belastungen und Erkrankungen mehr als verdoppelt. Das sorge inzwischen für einen gesamtwirtschaftlichen Schaden von - je nach Schätzung - 15 bis 30 Milliarden Euro jährlich. "Da müssen wir tatsächlich gesamtgesellschaftlich ansetzen. Ich halte das für eine der größten Herausforderungen der Digitalisierung."
(uko)

Hören Sie zum Thema "Zukunft der Arbeitswelt" auch die Sendung "Wirtschaft denken: Wie werden wir arbeiten?" in unserer Reihe "Zeitfragen" am Dienstag, den 24. April, um 19.30 Uhr im Deutschlandfunk Kultur.

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