Martin Schulz verzichtet aufs Amt

"Nicht Schulz ist das Problem, sondern die SPD und ihr Selbstbild"

Der SPD-Parteivorsitzende Martin Schulz fasst sich auf einer Pressekonferenz an die Nase.
Martin Schulz geht. Verdient er Mitleid? Nein, meint der Philosoph Wolfram Eilenberger. © picture alliance /dpa /Kay Nietfeld
Wolfram Eilenberger im Gespräch mit Marietta Schwarz · 09.02.2018
Die SPD wirkt nach Martin Schulz Abgang wie ein Scherbenhaufen - eine Partei, mit deren Personal man eigentlich Mitleid haben muss. Doch das sei falsch, sagt der Philosoph Wolfram Eilenberger: Man solle die Politiker lieber danach beurteilen, wie sie ihre Arbeit machen.
"Nicht Martin Schulz ist das Problem, sondern die SPD und ihr Selbstbild ist das Problem" - ein vernichtendes Urteil zur Situation der Sozialdemokraten in der Krise von Wolfram Eilenberger, Philosoph und Publizist.
Indes lässt Eilenberger auch Schulz selbst nicht ungeschoren. Angesichts des Rücktritts als designierter Außenminister, könne kaum "von menschlicher Größe in diesem Kontext die Rede sein", die ihm etwa Andrea Nahles nun bescheinigt. "Das ist ja eine Entscheidung, die Martin Schulz nicht aus eigenen Stücken getroffen hat, sondern treffen musste." Dies entspreche der Eigenheit von Martin Schulz: Er sei im zurückliegenden Jahr nicht als Handelnder, sondern als Getriebener wahr genommen worden.

"Mitleid ist keine genuin politische Kategorie"

Erwecken Politiker wie Schulz und Gabriel nach ihren Schlappen beim Wähler berechtigterweise Mitleid? Natürlich werde Politik von Menschen betrieben, die verletzlich seien, sagt Eilenberger. Aber:
"Mitleid ist keine genuin politische Kategorie und sie sollte in die Bewertung unseres Handelns auch nicht eindringen. So wie ein Arzt, der jemanden operiert, auch nicht Mitleid mit dieser Person haben sollte, sondern gut operieren sollte - so sollten wir die Politiker danach beurteilen, wie sie ihre Aufgaben erledigen."
Wolfram Eilenberger
Der Philosoph Wolfram Eilenberger© Deutschlandradio / Manfred Hilling
Martin Schulz hat nach Eilenbergers Meinung seinen Job nicht gut erledigt. Dazu gehöre Aktivität und Souveränität. An beidem fehle es sowohl der Partei als auch Martin Schulz: "Man hat nicht das Gefühl, dass man es mit einer erwachsenen, reifen und über ihre Emotionen kompetent verwaltenden Person zu tun hat."

Schulz hat sich zu früh auf unhaltbare Positionen festgelegt

Zudem sei Schulz ein Anti-Charismatiker - somit seien die großen Gefühlskategorien bei ihm fehl am Platze. Der SPD-Parteichef hat in der Kommunikation versagt - er habe "nach draußen zu viel, nach innen zu wenig" kommuniziert. Dazu gehöre auch, dass Schulz sich zur früh auf Positionen festgelegt habe, "die nicht haltbar waren".
Ist Schulz nun der Sündenbock für eine Partei, die sich danach selbst reinigen und erneuern will? Dass die Partei sich durch den Abgang von Schulz erneuern könne, sagt Eilenberger, "ist eine illusorische Hoffnung".
Mehr zum Thema