Martin Schäuble: "Endland"

Deutschland macht dicht

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Zwei Grenzsoldaten und ein äthiopischer Flüchtling stehen im Mittelpunkt von Martin Schäubles Roman "Endland" © Foto: picture alliance / dpa / Robert Ghement, Cover: Hanser-Verlag
Von Ulrich Noller · 05.08.2017
Durchweg "böse" Nationalisten gegen Demokraten reinsten Herzens - in Martin Schäubles Dystopie "Endland" über Deutschland unter einer nationalen Regierung sind die Rollen klar verteilt. Spannend, aber zu schlicht und eindimensional, meint unser Rezensent.
Was wäre, wenn in Deutschland eine nationale Bewegung an die Macht käme? Das ist das Thema des Jugendromans "Endland" von Martin Schäuble, das der Autor aus zwei Perspektiven aufrollt: Einerseits geht es um Fana, eine junge Frau aus Äthiopien, die in ihrer Heimat keine Perspektive sieht und sich auf Anraten einer Ärztin auf die Flüchtlingsroute ins – eigentlich abgeschottete – Deutschland macht, um dort Medizin zu studieren.
Zum anderen stehen Anton und Noah im Fokus, zwei Bundeswehrsoldaten, die an der Grenze zwischen Deutschland und Polen ihren Dienst tun. Noah ist eher regimekritisch, im Gegensatz zu Anton, der von der Politik der "Nationalen Alternative" an der Macht überzeugt ist.

Ein Bundeswehrsoldat als Flüchtling getarnt

So kommt es, dass Anton für einen sinistren Plan bestimmter Kräfte ausgewählt wird, denen die harte (Abschottungs-) Politik der Nationalen noch zu wenig radikal ist: Als ukrainischer Flüchtling wird Anton in eine Massenunterkunft eingeschleust, sodass ohne sein Wissen, aber mit seiner Hilfe dort eine Bombe platziert werden kann.
Deren Detonation soll die Öffentlichkeit aufschrecken und weiter gegen Einwanderung mobilisieren - und so die Grundlagen schaffen, um die Politik weiter zu radikalisieren. Allerdings macht die mittlerweile in der Festung Deutschland angekommene Fana, klar, dem Ganzen den einen oder anderen Strich durch die Rechnung...
Realität und Fiktion: Als im Frühjahr 2017 der Fall des Bundeswehrsoldaten Franko A. bekannt wurde, der als "Syrer" einen Asylantrag gestellt hatte und wohl terroristisch aktiv werden wollte, war die Geschichte, die Martin Schäuble lang vorher erfunden hatte, plötzlich in der Realität angelangt, sehr zur Überraschung auch des Autors.
Abgesehen davon zeichnet Schäuble eine Welt, die sich doch von der realen deutlich unterscheidet, eine nationale Bewegung hat in Deutschland eben die Macht übernommen und vom ersten Tag an daran gearbeitet, ihre radikalen Forderungen auch in die Tat umzusetzen, insbesondere was Flüchtlinge und Asylbewerber angeht, die von den Nationalen nur "die Invasoren" genannt werden. Es herrscht zudem ein Klima der Kontrolle, des Misstrauens – und der Besinnung auf "das Deutsche", was auch immer das bedeuten mag.

Den pädagogischen Zeigefinger erhoben

Interessant und spannungszuträglich ist, dass Schäuble die Story aus zwei Perspektiven erzählt: von außen, indem er als Erzähler bei Fana ist, die von Äthiopien aus auf Deutschland schaut; von innen, indem er Anton und seinen Freund Noah begleitet. Alles in allem ist die – offensichtlich dicht recherchierte - Geschichte schnell und packend erzählt; eine Dystopie für Jugendliche auf Grundlage der gesellschaftlichen Gemengelage 2017, inszeniert mit den Mitteln des Thrillers.
Sprachlich ist das Buch allerdings weniger überzeugend, es ist zwar fluffig geschrieben, stößt aber immer wieder an Grenzen, wenn der Autor sich an "junger Sprache" versucht und dabei den Protagonisten seine Rechercheerkenntnisse, Analysen und Meinungen unterschiebt. Da ist der pädagogische Zeigefinger dann doch nicht zu übersehen, und zwar deutlich – so interessant die Zustände im "nationalen Deutschland" atmosphärisch auch geschildert werden.
Problematisch ist auch, dass "Endland" letztlich viel zu eindimensional operiert – hier die durch und durch "bösen" Nationalen, dort die reinsten Herzens "Guten", die für demokratische Werte stehen, ganz klar getrennt, ohne Brüche oder Zwischentöne. Dafür muss Anton herhalten, der zum "Guten" bekehrt wird, was viel zu simpel und geradlinig inszeniert wird. In der Beziehung ist das Buch zwar gut gemeint, aber nicht gut gemacht – und man fragt sich, ob diese Art der Reduktion von Komplexität der komplexen Realität gerecht werden kann.

Martin Schäuble: Endland
Verlag Carl Hanser, 2017
224 Seiten. 15 Euro

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