Martin Fengel

Tausendsassa der Münchner Subkultur

Wir haben den Illustrator Martin Fengel gefragt, was ihm zum Begriff "Deutschlandradio" einfällt. Das ist das Ergebnis.
Wir haben den Illustrator Martin Fengel gefragt, was ihm zum Begriff "Deutschlandradio" einfällt. Das ist das Ergebnis. © Martin Fengel
Von Andi Hörmann  · 17.07.2014
Er illustriert die Kolumnen von Harald Martenstein im "Zeit"-Magazin und dreht Musikvideos für Deichkind: Martin Fengel, eigentlich gelernter Fotograf, ist ein künstlerisches Multitalent. Wir haben ihn in München getroffen.
Eine Bürogemeinschaft im Münchner Schlachthofviertel: Grafik-Designer klicken auf Farbflächen und verschieben geometrische Formen auf ihren Computer-Monitoren. Der Parkettboden knirscht. Martin Fengel sucht sich sein Arbeitszeug zusammen:
"Hier: Papier, Stifte. Fertig."
Das braune Leder-Mäppchen mit den grünen Bleistiften, ein weißes Blatt Papier, ein Spitzer - mehr braucht Martin Fengel nicht für seine wöchentliche Text-Illustration zu Harald Martensteins Kolumne im "Zeit"-Magazin. Schwarze Outlines auf weißem Hintergrund - gekritzelt, witzig.
"Die Figuren sind ja schon auch immer als Figuren wiedererkennbar. Also das schaffe ich schon, dass ein Mann wie ein Mann aussieht und eine Frau wie eine Frau."
O.k., darf ich dir einen Begriff geben und du zeichnest was dazu?
"Ja, weil du es bist. Sag mir, was es für einer ist."
Ich würde jetzt einfach sagen: Deutschlandradio.
"Deutschlandradio ist natürlich schwierig. Deutschland ist überhaupt schwierig zu zeichnen. Ich würde wahrscheinlich so eine Hand malen. Was heißt ich würde, mache ich ja gerade. Und dann würde das hier so ein Deutscher sein, der so ein Radio in der Hand hat. Wie ein deutscher Michel vielleicht, mit so einem Bart. Natürlich sehen Radios heute überhaupt nicht mehr so aus und den deutschen Michel kennen auch nur noch ganz wenige. Vielleicht aber auch nicht. Hier: Deutschlandradio."
Ein UKW-Radio in der Hand. Mit Antenne.
"Ja, klar. Ein Internetradio, weiß ich nicht wie man das zeichnen soll. So würde das ungefähr ausschauen. Fertig! Schenke ich Dir."
Eigentlich ist Martin Fengel ja Fotograf: Anfang der 80er-Jahre absolviert er in München die Bayerische Staatslehranstalt für Fotografie, assistiert zweieinhalb Jahre in New York und fotografiert in München dann zunächst Kücheneinrichtungen - ein stupider Brotjob.
"Meine damalige Freundin, die Ayzit, die hat abends irgendwann mal zu mir gesagt: Du Martin, die Geschichten aus dem Fotostudio, die sind so langweilig. Pass mal auf, dass du nicht auch so ein Langweiler wirst, das wäre so schade. Und Gott sei dank hat die Süddeutsche damals das jetzt-Magazin erfunden, da ging irgendwie meine Karriere los, da war ich 28."
Kunst in der Münchner U-Bahn - und im Techno-Club
Zuerst waren es nur Fotos, dann auch Illustrationen für journalistische Texte - heute ist Martin Fengel ein Künstler mit vielen Tätigkeitsfeldern: Da gibt es etwa die Musikclips aus videoanimierter Flora - für Freunde wie DJ Hell. Da sind die auf blanke Kacheln projizierten Naturaufnahmen in der Münchner U-Bahnstation Moosach. Im März 2014 hat Martin Fengel für das KONG - einen Club in der Münchner Innenstadt - eine etwa zehn Meter lange Wand gestaltet. Auf seinem Schreibtisch zieht er aus einem Stapel mit Magazinen eine DIN-A4-Mappe hervor, beim Öffnen fallen bunte Papierschnipsel auf die Computertastatur.
"So sieht das aus: einfach nur so Tonpapier. Und dann habe ich hier so Sachen ausgeschnitten und die lege ich dann einfach so drauf. Ich mag so Fehler auch gerne, dass man hier sieht, dass das Auge ausgeschnitten ist, oder dass das nicht ganz plan liegt und man hier so einen kleinen Schatten sieht. Also so kleine Sachen sind irre wichtig."
Analoge Schnipsel, digital auf eine Wandtapete gedruckt - sie wecken Assoziationen an Zirkus und Jonglieren, an das Spielen mit bunten Bauklötzchen. Geometrische Formen und wilde Schwarz-Weiß-Motive: Clown, Gorilla, High-Heel-Clogs.
"Ich habe einfach bei Google ´Grimasse` eingegeben und mal gekuckt, was da kommt. Und meine Eltern, die hatten mal Freunde, die hießen Schmidtkonz und die Frau Schmidtkonz hatte immer diese Schuhe an, die ich wahnsinnig sexy fand an ihr, aber da war ich erst sieben, oder so."
Nach Bleistift, Schere und Kamera, so klingt der Arbeitstag von Martin Fengel. Früher hat er auch Musik gemacht: aus der braven Schüler-Klarinette ist das Ska-Saxofon geworden - zuerst bei ´Die Angeber`, später den ´Merricks`:
"Das hat superviel Spaß gemacht! Dann bin ich eben nach der Fotoschule nach Amerika, dann ging das mit dem Fotografieren los und wir waren ja zu zehnt - irgendwie ist das dann auseinander gebrochen. Die haben sogar mal ein Lied für mich gemacht, wie ich nach Amerika gegangen bin."
Vor dem Büro tost der Verkehr. Um die Mittagszeit schaut Martin Fengel auf einen Teller Pasta bei seiner italienischen Frau Emanuela vorbei - direkt um die Ecke, keine 100 Meter entfernt. In dem kleinen Lokal legt er seine Kunststoffbrille mit transparentem Gestell auf den Tisch, reibt sich die Augen und erzählt eine Anekdote zu der kleinen Schramme auf seiner Stirn.
"Da bin ich vorgestern Nacht gegen eine Tür gelaufen, so im Halbschlaf. Wir haben ja drei Katzen und die eine Katze hat wahrscheinlich nachts, wo es relativ dunkel in unserer Wohnung ist, die Tür ein bisschen bewegt und da, wo es durchgeht, stand so eine halb schräge Tür im Weg, gegen die bin ich genau gelaufen. Nicht so schlimm. Ich meine, was erwartet man von jemand um vier Uhr morgens in der Nacht. Klar passieren mir manchmal Schusseligkeiten, aber das macht ja nichts."