Mars-Experte: Wir sind nicht allein

Moderation: Joachim Scholl · 18.05.2012
Wird die Menschheit in den nächsten Jahrzehnten den Mars besiedeln? Michael McKay von der Weltraumbehörde ESA über das Faszinosum des roten Planeten, die Gefahren einer Erkundungsmission und die Wahrscheinlichkeit für Leben auf anderen Planeten.
Joachim Scholl: In seinen berühmten Science-Fiction-Erzählungen "Die Mars-Chroniken" hat der amerikanische Schriftsteller Ray Bradbury schon 1950 von einer Besiedelung des Mars geträumt. Dieser Traum wird jetzt wissenschaftlich und öffentlich unterfüttert durch eine interaktive Ausstellung über den Mars, die derzeit auf origineller Wanderschaft durch deutsche Einkaufszentren ist und ab heute in Leipzig Station macht. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und die ESA, die Europäische Weltraumbehörde, waren Kooperationspartner der Wanderausstellung. Bei der ESA arbeitet der irische Mars-Experte Michael McKay, er ist jetzt am Telefon, guten Tag, Mister McKay!*)

Michael McKay: Guten Tag!

Scholl: "Vision und Mission" heißt die Ausstellung. Sie, Herr McKay, waren verantwortlich für die Mission, den Mars-Express nämlich, der Sonde, die 2003 auf dem Mars gelandet ist bei der ESA. Wie nah sind sich denn Vision und Mission gekommen? Also, die Vision, dass einst Menschen den Mars besiedeln werden?

McKay: Das ist immer eine Vision, nicht nur von der ESA, aber ich glaube, von der Menschheit. Wir kreisen immer noch mit unserem Weltraumschiff Mars-Express um diesen kleinen roten Planeten und liefern tolle, dreidimensionale Bilder, wo wir glauben, es war viel Wasser einmal auf der Oberfläche des Mars, und der Mars war wahrscheinlich ein feuchter, warmer Planet (…). Und natürlich stellt sich die Frage, war einmal Leben auf dem Mars in der Vergangenheit? Vielleicht gibt es noch Leben unter der Oberfläche? Und das sind die Fragen, die wir beantworten müssen im nächsten Schritt unserer Erforschung von unserem Nachbarplaneten Mars.

Scholl: Ray Bradbury hat für seine literarische Kolonisierung den Zeitraum von 1999 bis 2026 veranschlagt. Wie ist denn momentan eigentlich der Stand der Dinge, welche Pläne gibt es, an welchen praktischen, technischen Visionen wird gearbeitet?

McKay: Ich glaube, er war nicht so falsch mit der Zeit. Ich würde schätzen, vielleicht 2030 und noch weiter werden wir europäische Astronauten auf der Oberfläche des Mars haben. Ich glaube, es wird keine große Kolonie, aber es wird eine internationale Mission zum Mars geben in diesem Zeitraum, etwa 2030. Und ich sage international, weil, es ist ein sehr, sehr komplexes und sehr, sehr teures Unternehmen, zum Mars zu fliegen mit Astronauten.

Scholl: Er ist ja wirklich weit entfernt, zehn mal so weit weg wie zum Mond, mindestens 45 Millionen Kilometer im günstigsten Fall, je nach Umlaufbahn, es können dann aber auch 450 Millionen Kilometer sein. Was sind denn die konkreten Schwierigkeiten, Herr McKay, den Mars für die Menschheit also so begehbar zu machen? Also, außer dass er so endlos weit entfernt ist?
McKay: Das Licht braucht 20 Minuten, um vom Mars zur Erde zu kommen. Aber um dahin zu fliegen, brauchen wir eine Reise von mindestens sieben Monaten. Wenn Sie sich vorstellen, was Sie für Vorräte, Wasser und so weiter brauchen, die Klamotten, die Sie anziehen möchten und so weiter, einfach die Logistik, eine Mannschaft zu unterstützen für sieben Monate Flug dahin, ein paar Monate an der Oberfläche und mindestens sieben Monate zurück, das sind zwei Jahre Mission.
Natürlich, im Weltraum sind wir ein bisschen mehr gefährdet durch die Sonnenpartikel, die ausgeströmt werden, die sind auch gefährlich für die Menschheit. Und wenn es einen riesigen Sonnenausschlag gibt, dann ist es natürlich eine große Gefahr für Astronauten. Also, Schutz ist auch anderes Problem.

Aber wenn wir auf den Mars kommen und landen: Wir wissen schon, dass es viel Wasser gibt auf dem Mars, es ist eingefroren, manchmal unter der Oberfläche des Mars, und es gibt auch Methangas. Das ist ein Gas, das kommt entweder von Vulkanen oder von Lebewesen. Und deswegen ist es sehr spannend, dahin zu gehen.

Aber von diesem Gas können wir schon mit industriellen Prozessen Kunststoff entwickeln. Wir können Werkzeuge oder ein Habitat bauen. Und von dem Wasser können wir spalten in Sauerstoff zum Atmen und natürlich mit Methangas, und Sauerstoff haben wir einen Treibstoff, dass wir unser Raumschiff noch mal auftanken können, vielleicht um zurück zur Erde zu fliegen.

So gibt es mehrere logistische Probleme, die wir überwinden müssen. Aber bei der ESA haben wir auch teilgenommen an einem Mars-500-Projekt, das ist in Moskau gelaufen im letzten Jahr, wo wir eine Mannschaft von Astronauten haben und sie für 500 Tage in einem virtuellen Mars-Schiff zum Mars geflogen sind.

Scholl: Ja, das war spektakulär, das haben wir alle in den Nachrichten damals verfolgt.

McKay: Und das ist auch ein anderes Element: Wie kann man mit all den psychologischen Problemen eine solche lange Reise überwinden?

Scholl: "Vision und Mission", so heißt die erste deutsche interaktive Mars-Ausstellung, ab heuten ist sie in Leipzig zu sehen. Und wir sind hier im Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem Luftfahrtingenieur von der ESA, Michael McKay. Mister Mckay, warum ist es eigentlich gerade der Mars, der die Menschen anscheinend stärker fasziniert als andere Planeten? Also, wenn man sich Bücher und Filme anschaut, was ist denn so besonders am Red Planet, dem roten Planeten?

McKay: Ich glaube, wir haben das zuerst mit einem Teleskop beobachtet und haben das Schattenausmaß gezeichnet als Kanäle. Und die Leute haben gedacht, Kanal, Wasser, intelligentes Leben? Es war die Struktur, die man durch die Teleskope gesehen hatte, dass man dachte, sind es vielleicht große Autobahnen oder Städte oder Bewässerungskanäle...

Und natürlich hat es diese Vorstellung von intelligentem Leben auf dem Mars erweckt. Und durch Orson Welles "War of the Worlds" natürlich auch, diese Sendung in Amerika, viele Leute haben es gehört und nicht gewusst, dass es eine Radiosendung ist, also ein Theaterstück. Und sie haben wirklich geglaubt, dass Marsianer die Erde angegriffen haben. Und das hat totales Chaos ausgelöst und die Straßen in New York waren blockiert, weil Leute versucht hatten zu fliehen. Und das verstärkt noch diese Idee, intelligentes Leben auf dem Mars.

Scholl: Ein erklärtes Ziel dieser Ausstellung ist auch, verstärkt junge Menschen für die Raumfahrt zu interessieren. Man hört nämlich, Herr McKay, dass es hier Nachwuchsprobleme gibt. Ist das so?

McKay: Nicht nur bei dem Weltraumprogramm, aber bei Technologiewissenschaftlern, auch als Ingenieur. Natürlich ist es schwierig jetzt in ganz Europa junge Leute zu interessieren, diese Fläche noch mal zu studieren.

Scholl: Aber früher hatten kleine Jungs doch immer so auf den Lippen, wenn es hieß, was willst du denn mal werden: Ja, Astronaut! Ist das nicht mehr so, ist der Astronaut out?

McKay: Ich glaube, Astronaut ist nicht out, aber es scheint ein bisschen mehr für Supermänner und -frauen. Und durch diese Ausstellung zeigen wir den jungen Leuten, was es eigentlich bedeutet, ein Wissenschaftler zu sein, was man für Technologie entwickeln muss. Und sie fliegen wirklich eine virtuelle Mars-Landschaft und versuchen, den Mars zu erforschen, Steinproben zu nehmen und dann zu analysieren, und dann auch zu sehen, was bedeutet es, als Astronaut dahinzufliegen in Schwerelosigkeit. Zum Beispiel kann man nicht immer Zahnpasta rausholen von der Tube auf die Zahnbürste, zum Beispiel. Und da haben wir entwickelt eine Zahnbürste mit Zahnpasta schon drin. Und trockenes Shampoo zum Beispiel. Im Weltraum ist es immer schwer zu duschen und sich sauber zu halten. Und wir haben solche Technologien entwickelt und ...

Scholl: ... na, ob das so charmant ist, Herr McKay, wenn ich mir das trockene Shampoo in die Tolle, ja, ich weiß gar nicht, verstreue ... Aber was fasziniert Sie am meisten, Herr McKay, Sie, der Sie sich schon so intensiv mit dem Mars und, ja, der Vision einer Reise, einer Kolonisierung, einer Besiedelung des Mars befasst haben?

McKay: Für mich war es immer das Ziel: Gibt es Leben auf dem Mars, gibt es Leben außerhalb unseres eigenen Planeten? Das ist unglaublich, wenn man in den Himmel am Abend rausschaut: In unserer eigenen Galaxie gibt es über 500 Milliarden andere Sonnen. Das sind die Sterne, die wir am Nachthimmel beobachten. Und wir sind nur eine Galaxie von vielleicht noch 400 Milliarden anderen Galaxien in unserem Universum, das wir bis jetzt kennen. Dass wir alleine sind, finde ich von einem statistischen Standpunkt nicht möglich. Der nächste Ort ist unser Nachbarplanet, Mars. Und Leben auf dem Mars zu entdecken, das wäre ein fantastisches Ergebnis, einfach Leben zu finden außerhalb eines kleinen, grün-blauen Planeten, der um eine kleine Sonne kreist, in unserer Galaxie. Und das würde mich wirklich faszinieren.

Scholl: Der Mensch auf dem Mars. "Vision und Mission", so heißt die Ausstellung, die ab heute in Leipzig zu sehen ist noch bis zum 2. Juni im Nova Eventis. Michael McKay von der ESA hat uns von der Faszination Mars erzählt, herzlichen Dank dafür!

McKay: Vielen Dank!

*) Redaktioneller Hinweis: Die verschriftete Fassung weicht an dieser Stelle von der Audio-Fassung ab.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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