Market Gardening

Gemüseanbau auf kleinstem Raum

08:24 Minuten
Links sitzt ein Mann im Karohemd und mit Schiebermütze auf einem Baumstumpf, rechts hlten zwei Hände mit Tattoos eine Ochsenherz-Tomate.
Was zu Beginn Neugier und Freizeitbeschäftigung war, ist für Linus Keutzer zur Profession geworden. © Heike Reingen, Linus Keutzer
Linus Keutzer im Gespräch mit Marietta Schwarz · 18.04.2020
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Market Gardening – klingt neu, geht aber auf Anbautechniken aus dem 19. Jahrhundert zurück. Dabei wird Gemüse sehr dicht gepflanzt, um auf kleinem Raum große Ernte zu erzielen. Linus Keutzer ist hier Vorreiter und kennt die Kniffe.
Linus Keutzer ist ausgebildeter Lehrer. Allerdings arbeitet er inzwischen als sogenannter Market Gardener und zieht mitten in Hessen Karotten, Sellerie und Gurken für seine Biokistenkunden. Alles begann vor sechs, sieben Jahren als Hobby mit einem kleinen Hochbeet.
"Irgendwann hatte ich so viel Ernte, dass ich die an Freunde, Familie und Arbeitskollegen verteilen konnte, und so nach und nach reifte die Idee, dass ich vielleicht ein bisschen Gemüse verkaufen könnte", erzählt Keutzer. Dann informierte er sich, wie man Gemüse vermarkten kann – und wurde auf Market Gardening – ein biointensiver Anbau auf kleinstem Raum – aufmerksam.
Das Anbaukonzept stammt aus dem 19. Jahrhundert aus Frankreich. Das Gemüse wird sehr dicht gepflanzt, was in der konventionellen Landwirtschaft gar nicht möglich wäre, da dort Traktoren die Bodenbearbeitung übernehmen.
"Die Techniken sind teilweise uralt, mit Handarbeitswerkzeugen, da hat sich nicht viel getan", sagt Keutzer. "Was wirklich neu ist, das sind die Erfahrungen aus den ganzen letzten Jahrzehnten, wie man auf kleinster Fläche möglichst viel ausreizen kann."

Weniger Arbeit, hohe Erträge

Kleine Kniffe sorgten dafür, dass weniger Arbeit anfällt und auf kleinster Fläche hohe Erträge erzielt werden könnten – wie der "Blattschuss". "Das heißt, es dringt kein Licht mehr auf den Boden", erklärt Linus Keutzer. "Die Sachen stehen so eng, dass es gerade funktioniert, aber auch so eng, dass sich kein Unkraut mehr dazwischen bildet."
Angebaut wird alles, was nicht allzu raumgreifend ist: von Salat über Sellerie bis hin zu dem klassischen Wurzelgemüse. Und noch etwas macht die Technik aus.
"Der große Unterschied im Vergleich zur Landwirtschaft ist, dass man mit permanentem Leben arbeitet", sagt Linus Keutzer. "Die Beete werden einmal angelegt und möglichst wenig gestört. Man bearbeitet nur die obersten fünf Zentimeter, und auch die nur, um den Boden ein bisschen zu zerkrümeln, um dann gut einsäen und pflanzen zu können. Alles darunter, bleibt wie es ist, und man ernährt das dann durch regelmäßige Kompostgaben oder organische Düngemittel."

Aufräumen mit verbreiteten Gartenmythen

Den Spaten braucht Keutzer höchstens, wenn er Obststräucher pflanzen möchte. Die Methode räume auch mit vielen Gartenmythen auf - wie zum Beispiel damit, dass schöne und gerade Möhren einen zweispatentiefen, gelockerten Boden bräuchten.
"Ich habe auf eine völlig verdichtete, lehmige, steinharte Wiese 20 Zentimeter Kompost ausgebracht und da Möhrensamen eingesät, und die sind tatsächlich aufgegangen", freut sich Keutzer. "Die sind dann teilweise auch 20, 30 Zentimeter lang geworden, riesige Möhren waren das, und die sind kerzengerade runter in die lehmige, verdichtete Wiese gewachsen."
Noch ist dieses Anbaukonzept eine Graswurzelbewegung, aber Linus Keutzer wünscht sich, dass es in Deutschland mehr und mehr als Alternative sichtbar wird.
(cwu)
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