Mark Honigsbaum: „Das Jahrhundert der Pandemien“

Von der Spanischen Grippe bis zu Covid-19

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Cover des Buchs "Das Jahrhundert der Pandemien" von Mark Honigsbaum.
Überzeugt durch seine Fülle an sorgfältig recherchierten Details: "Das Jahrhundert der Pandemien". © Piper / Deutschlandradio
Von Michael Lange · 03.02.2021
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Viele Jahre hat der Medizinhistoriker Mark Honigsbaum Informationen zur Geschichte der Pandemien gesammelt. Nun legt er ein Buch vor, das lebendig und anschaulich geschrieben ist und einen fundierten Überblick bietet.
Taucht ein neuer Erreger auf, tappt die Wissenschaft zunächst im Dunkeln. Sobald die Experten glauben, etwas verstanden zu haben, kommt schon die nächste Seuche und fordert sie aufs Neue heraus. Diese Geschichte scheint sich bei jeder Pandemie zu wiederholen.
Mark Honigsbaum hatte lange vor Covid-19 begonnen, Informationen zur Historie der Pandemien zu sammeln. Zehn Jahre stöberte der Medizinhistoriker und Journalist in Archiven, las Tagebücher und sprach, wenn noch möglich, mit Zeitzeugen.
Seine lebendig und anschaulich erzählte Pandemie-Geschichte reicht von der Spanischen Grippe 1918 über Pestausbrüche in den USA bis zur AIDS-Pandemie, die bis heute anhält. Mit Covid-19 befasst sich nur das letzte, eher kurze Kapitel seines Buches.

Die Geschichte vom "blauen Tod"

Gerade deshalb ist es aber für Pandemiegeschädigte von heute lesenswert. Statt durch eine Vielzahl aktueller Nachrichten zu verwirren und verunsichern, sorgt das Buch für einen fundierten, historischen Überblick.
Besonders groß sind die Parallelen zwischen Covid-19 und der Spanischen Grippe. Anhand vieler Einzelschicksale erläutert Mark Honigsbaum, wie sich "der blaue Tod" zunächst unter Soldaten in den USA verbreitete.
Als ob er dabei gewesen wäre, schildert der Autor die Situation in riesigen Militärlagern, wo 1917 junge Männer aus unterschiedlichen Regionen und verschiedensten Lebensverhältnissen zusammenkamen.
Unter miserablen hygienischen Bedingungen lebten sie wochenlang eingepfercht auf engstem Raum. Ideale Bedingungen für Krankheiten aller Art. Von hier aus gelangte die Spanische Grippe auf die Schlachtfelder Europas und verbreitete sich über die ganze Welt. Bis 1920 waren schätzungsweise 50 Millionen Menschen gestorben. Kaum jemand machte sich Gedanken über geeignete Gegenmaßnahmen.

Viren waren noch unbekannt

Die Wissenschaft versuchte, wie in dieser Zeit üblich, ein Bakterium zu isolieren und geriet auf zahlreiche Irrwege. Viren waren damals noch nicht nachweisbar. Nur wenige Experten vermuteten einen kleineren Erreger, der durch die damals üblichen Filter hindurchschlüpfte, und nannten ihn Virus. Hilfreiche Informationen oder gar ein wirksames Gegenmittel konnte die Wissenschaft nicht liefern.
Das Buch von Mark Honigsbaum überzeugt durch seine Fülle an sorgfältig recherchierten Details. Doch hier liegt zugleich auch eine Schwäche des Buches. Die schiere Menge grausamer Schicksale ist nicht leicht zu ertragen, und die vielen Namen von Ärzten und Wissenschaftlern erfordern Konzentration beim Lesen. Seinen Fokus legt Honigsbaum auf die USA und England. Der europäische Kontinent kommt nur am Rande vor. Und Afrika und Asien tauchen allenfalls als Ursprung einiger Seuchen auf.

Mark Honigsbaum: "Das Jahrhundert der Pandemien"
Aus dem Englischen übersetzt von Monika Niehaus und Susanne Warmuth
Piper Verlag, München 2021
480 Seiten, 24 Euro

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