Mark Danner: "Spiral – Trapped in the Forever War"

Sind die USA ein vor Muskeln strotzender Troll?

George W. Bush bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus am 26. Januar 2006
George W. Bush bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus am 26. Januar 2006 © dpa / picture alliance / Martin H. Simon
Von Nana Brink · 30.07.2016
Der Autor Mark Danner ist ein Kritiker des ausgerufenen "war on terror". Für Danner ist dieser Krieg eine Endlosspirale - ohne Aussicht auf Erfolg. Dabei blickt Danner nicht auf militärische Aktivitäten, sondern auf die politische Dimension des "war on terror".
"On September the 11th enemies of freedom committed an act of war against our country ... Our war on terror begins with Al Qaeda but it does not end there. It will not end until every terrorist group of global reach has been found, stopped and defeated...."
Die Rede, die Georg W. Bush am 20. September 2001 vor dem Kongress hält, läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Unser Land ist überfallen worden, sagt der Präsident mit versteinerter Mine. Unser Krieg gegen den Terror beginnt mit Al Quaida, aber er wird dort nicht enden. Er wird erst enden, wenn wir jede Terrorgruppe der Welt gefunden und besiegt haben. Dann schwenkt die Kamera auf die Obersten Richter, den Generalstab der Streitkräfte, das Kabinett und die Abgeordneten. Am Abend spielen die New Yorker Philharmoniker die Nationalhymne. Ein Land rüstet zum Krieg. Vereint.

Die Welt in Gut und Böse teilen

Nur zwei Jahre später – kurz nach dem Einmarsch in den Irak 2003 - kritisiert Mark Danner, Kommentator des New York Time Magazine, diesen "war on terror" – eine damals noch einsame Stimme unter den Intellektuellen in den Vereinigten Staaten:
Mark Danner: "9/11 – the attacks of 9/11... since that time President Bush with great eloquence and great determination has put forward a certain view of the world, it devides the world into the good and the evil. The US is here to defend the good ... those who are not with us are against us. The war in Irak ... has fit under this rubric."
In einer Diskussionsveranstaltung wirft er Präsident Bush vor, die Welt in Gut und Böse zu teilen. Amerika sei auf der Seite der Guten: Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns. So funktioniere auch der Krieg im Irak. Mark Danner, mittlerweile Journalistik-Professor in Berkeley, einer der Elite-Universitäten in Kalifornien, nimmt mit dieser Einschätzung die These seines gerade erschienenen Buches schon vorweg. "Spiral – Trapped in the Forever War" heißt es, - übersetzt so viel wie: "Gefangen im Ewigen Krieg". Wie in einer Spirale hätten sich die Vereinigten Staaten in diesen Krieg hineinmanövriert, - ohne Aussicht auf Erfolg. Bis heute.
"Wenn Sie diese Sätze lesen, befinden sich die Vereinigten Staaten seit 14 Jahren im Krieg. Dieser Krieg gegen den Terror ist der längste in der Geschichte dieses Landes. Der Krieg begann eine Woche nach den Anschlägen vom 11. September, als der Kongress und Präsident Bush den Einsatz von Waffengewalt autorisierten. Keiner weiß, wann er enden wird. Auch wenn Präsident Obama die meisten amerikanischen Truppen aus Irak und Afghanistan abgezogen hat, ist es ihm nicht gelungen, das zu beenden, was er selbst einen 'andauernden Kriegszustand' genannt hat."
Im ersten Kapitel beschäftigt sich Danner mit der wie er es nennt: "Verhängung der Ausnahme". Ihn interessieren weniger die militärischen Aktivitäten als die politischen Dimensionen: Die Einrichtung von Guantanamo, die Verweigerung des Kombattanten-Status für die festgenommen Taliban- und Al Quaida-Kämpfer und vor allem die Anwendung von Foltermethoden. Detailliert schildert Danner die "gloves came off"-Doktrin, die vor allem Vize-Präsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld vorangetrieben haben.
Cover von Mark Danner: Spiral. Trapped in the Forever War
Cover von Mark Danner: Spiral. Trapped in the Forever War© Simon & Schuster
Kaum zwei Wochen nach den Anschlägen vom 11. September erklärte Cofer Black, Chef des Counterterrorism Center der CIA, vor dem Geheimdienst Komitee des Senats: "Alles was Sie wissen müssen: Es gab ein 'vor' dem 11.September und ein 'nach' dem 11. September. Nach dem 11. September wurden die Samthandschuhe abgelegt." The gloves came off... Diese Worte erklären den Ausnahmezustand. Aber was genau sind diese "Samthandschuhe?

Spirale "war on terror" dreht sich weiter

Kurz und präzise beschreibt Danner diese "Handschuhe", - ein mittlerweile geflügeltes Wort in den USA für die aufgegeben Grundwerte. Obwohl Präsident Obama – dem er das zweite Kapitel widmet – Folter offiziell verboten hat, gibt es keine Strafverfolgung für die Verantwortlichen dieser "gloves-off"-Doktrin. Bis heute nicht. Am Ende seines überaus pointierten, oftmals sehr sarkastisch geschriebenen Essays – in vielen Zuspitzungen erkennt man den geübten Journalisten – kommt Danner zu dem Schluss, dass die Spirale dieses "war on terror" sich weiter drehen wird.
Unsere institutionalisierte Überreaktion auf den Terrorismus ist ein Segen für die Terroristen, weil es die Macht ihrer Aktionen vervielfacht.
Danners Buch ist eine selbstkritische Zusammenfassung von Amerikas Umgang nicht nur mit Terrorgruppen wie Al Quaida oder dem so genannten Islamischen Staat, sondern überhaupt mit der islamischen Welt. Zugespitzt mündet sie in der Frage: Was für ein Land wollen wir sein? Ein vor Muskeln strotzender Troll oder jemand, der mit anderen zusammenarbeitet, um die Welt besser zu machen.
Mark Danner: "What kind of a country we are going to be? On what basis will we act in the world? Will it be out of fear an distruss of the rest of the world, acting as a muscle bound troll? ... Or will we act cooperativly? Trying to make the world better."

Mark Danner: Spiral. Trapped in the Forever War
Simon & Schuster, New York
288 Seiten, 22 Euro

Mehr zum Thema