Mario Adorf wird 85

Ein Stück lebendige Filmgeschichte

Der Schauspieler Mario Adorf posiert am 26.08.2015 anlässlich der Vorstellung seines Buchs "Schauen Sie mal böse - Geschichten aus meinem Schauspielerleben" in Frankfurt am Main. Foto: Andreas Arnold/dpa
Der Schauspieler Mario Adorf posiert bei der Vorstellung seines Buchs "Schauen Sie mal böse" in Frankfurt. © picture-alliance / dpa / Andreas Arnold
Von Wolfgang Martin Hamdorf · 08.09.2015
Mario Adorf wurde am Anfang seiner Karriere gerne als Schurke besetzt, doch die waren ihm oft zu eindimensional. Durch seine Zusammenarbeit mit Autorenfilmern in den 1970er-Jahren etablierte er sich als Charakterdarsteller. Jetzt wird er 85.
1963 tötete er Winnetous Schwester und stürzte am Ende in die aufgestellten Speere der Apachen. Aber trotz der gerechten Strafe, so Mario Adorf, werde ihm bis heute die Ermordung Nscho-tschis zum Vorwurf gemacht:
"Dieser Santer in 'Winnetou', den habe ich nicht gerne gespielt. Ich wollte ihn auch absagen, aber da hat mich nun ein Kritiker, der mir damals die Laudatio auf meinen Bundesfilmpreis gehalten hat, der hat mich dazu überredet, das doch zu machen, weil er sagte: Karl May, Herr Adorf, das müssen Sie machen, das ist deutsches Kulturgut! Aber diese Rolle war so eindimensional böse, ohne jeden Hintergrund und das hat mich dann wenig interessiert. Es ist eine meiner ungeliebten Rollen eigentlich und dann ausgerechnet in einem so erfolgreichen Film."
Dabei liebt er eigentlich die bösen Charaktere, aber eben die vielschichtigeren. 1957 spielte er den debilen Serienmörder in Robert Siodmaks "Nachts, wenn der Teufel kam" und erhielt dafür den Bundesfilmpreis als bester Nachwuchsschauspieler. Aber auch in weniger brillanten Filmen des kommerziellen Kinos der BRD der 50er- und 60er-Jahre war sein Image zunächst auf kleinere und größere Schurkenrollen festgelegt:
"Wichtig ist, dass man im Geschäft bleibt. Ich habe wunderbare Schauspieler kennengelernt, die so selektiv waren, dass sie im Laufe weniger Jahre keinen Marktwert mehr hatten. Ich habe immer gesagt, man muss von den vorhandenen Angeboten, muss man, um irgendwie im Geschäft zu bleiben, auch manchmal etwas machen, das nicht die erste Qualität ist, sondern nur das relativ Beste gerade, aber wie gesagt, man weiß auch, dass das nicht die reine Sahne ist."
Keine Angst vor den Filmrebellen
Reine Sahne waren dann aber durchaus die Rollen, die Mario Adorf ab Mitte der 70er-Jahre im "Jungen Deutschen Film" spielte. Er hatte im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen keine Berührungsängste zu den Filmrebellen um Volker Schlöndorff, Rainer Werner Fassbinder und Edgar Reitz. Auch in ihren Filmen verkörperte Mario Adorf wieder den vielschichtigen Schurken, und bereicherte die oft eindimensional angelegten Figuren mit seinen eigenen Erfahrungen. Etwa 1981 für Rainer Werner Fassbinders Wirtschaftswundersatire "Lola" den korrupten Bauunternehmer Schuckert:
"Ich hatte nun selber nach dem Krieg die Erfahrung gemacht, ich habe auf dem Bau gearbeitet und hatte ein Vorbild wie diesen Schuckert, und das war nun ein Mann, der genau so war wie der Schuckert: also ausbeuterisch. Aber er hatte auch eine Seite, leben und leben lassen. Er war bärenstark und er war lustig. Er hat Witze gemacht. Und diese Witze, die in der 'Lola' sind, wenn er sagt, 'Warum müssen Mädchen um acht ins Bett? Damit sie um zehn nach Hause gehen können.' Solche Witze gibt's da in dem Film und so andere, die hab ich improvisiert und der Fassbinder, der eigentlich nicht so viel Sinn für die Komik hatte, der hat das zugelassen damals."
Mario Adorf wurde schon früh ein weit über den deutschen Sprachraum hinaus bekannter Schauspieler. Besonders erfolgreich war er in Frankreich und Italien. In Hollywood gab er dagegen nur ein kurzes Gastspiel:
"Das hat nichts damit zu tun, dass man sagt, die Trauben hängen zu hoch, sondern das war eine grundsätzliche Entscheidung, Teil einer sehr kapitalistisch geprägten Welt zu werden, das widerstrebte mir. Das war mir zu anstrengend auch, muss ich sagen."
Bis heute mit Begeisterung dabei
Spätestens in den 90er-Jahren wurde aus dem schwarzhaarigen Bösewicht ein weißhaariger Patriarch, wie etwa 1993 als Unternehmer in Dieter Wedels Fernsehfilm "Der große Bellheim", oder ganz liebenswert 2004 in "Der letzte Mentsch", ein alternder Jude auf der Suche nach seiner Vergangenheit in Osteuropa. Bis heute spielt er mit Begeisterung:
"Natürlich, es gibt die ganz großen Rollen, die sind natürlich für mich auch schon vorbei, jetzt gibt es mehr kleinere Rollen im Angebot . Ich spiele die auch sehr gerne und das werde ich auch weiter gerne machen."
In einer Winnetou-Neuverfilmung von Phillip Stölzl soll er jetzt den Vater des Bösewichts Santer spielen. Ob in großen oder in kleinen Rollen hat Mario Adorf seit Anfang der 50er-Jahre mit vier Generationen deutscher Filmemacher gearbeitet. Mit seiner exakten Erinnerung wirkt der joviale 85-Jährige heute selbst wie ein Stück lebendiger Filmgeschichte.
"Ich habe das immer positiv gesehen, habe allerdings auch die 50er-Jahre nicht so verdammt, wie es dann natürlich die Jungfilmer taten, weil für die natürlich alles schlecht war, was vorher war. Aber ich muss die Entwicklung sehen, dass sie weitergeht und dass es vor allen Dingen sehr viele gute junge Regisseure gibt, daran ist natürlich auch zum Teil das Fernsehen beteiligt, manchmal zuviel, störend eingreifend, aber letzten Endes geht es weiter und das ist erfreulich."
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