Marine Le Pen vor Gericht

Die bürgerliche Fassade bekommt Risse

Marine Le Pen und ihr Vater Jean-Marie. Er schaut starr geradeaus, sie unfreundlich zur Seite.
Marine Le Pen und ihr Vater Jean-Marie im April 2015 auf einem Kongress des Front National in Tours. © dpa / FRANCOIS LAFITE
Von Andreas Teska · 20.10.2015
Ihren eigenen Vater hatte sie aus der Partei ausschließen lassen und seit einiger Zeit bemüht sich die Chefin des rechtsextremen Front National, ihrer Partei einen bürgerlichen Anstrich zu verpassen. Doch jetzt steht Marine Le Pen selbst vor Gericht wegen rassistischer Äußerungen.
Marine Le Pen wandelt auf den Spuren ihres Vaters Jean Marie - allerdings höchst unfreiwillig. Der Parteigründer des rechtsextremen Front National stand häufig wegen rassistischer Äußerungen vor Gericht, heute nun erwischt zum ersten Mal seine Tochter und Nachfolgerin an der Parteispitze. Der Vorwurf lautet: Anstiftung zu Diskriminierung, Gewalt oder Hass gegen eine Gruppe von Personen wegen deren Religionszugehörigkeit.
Der Vorfall, der am Nachmittag in Lyon verhandelt wird, ereignete sich vor fünf Jahren. Damals befand sich Marine Le Pen im Wahlkampf um den Parteivorsitz. Auf einer Veranstaltung kritisierte sie vor Parteimitgliedern öffentliche Gebete von Muslimen:
"Es hat Gebete gegeben auf öffentlichen Straßen. Es gibt 10 oder 15 Stellen, wo regelmäßig eine gewisse Zahl von Leuten kommen, um sich des öffentlichen Raums zu bemächtigen."
Das wäre vielleicht noch durchgegangen, aber dann legte Marine Le Pen nach und verglich diese Gebete auf der Straße mit der Besetzung Frankreichs durch die Wehrmacht:
"Es tut mir leid, aber für diejenigen, die so gerne über den Zweiten Weltkrieg reden: Wenn es darum geht, über Besatzung zu sprechen, dann kann man das in diesem Fall wohl tun. Sicher, es gibt keine Panzer, es gibt keine Soldaten, aber es handelt sich trotzdem um eine Besatzung."
Imageschaden für die Partei
Diese Äußerungen lösten in Frankreich Empörung aus und führten zu Strafanzeigen. Die Ermittlungen zogen sich hin über mehrere Jahre, schließlich hob das Europaparlament die Immunität seiner Abgeordneten Le Pen auf und machte damit den Weg frei für den heutigen Prozess.
Dabei drohen der Parteichefin nicht nur ein Jahr Gefängnis und 45.000 Euro Geldstrafe. Zusätzlich besteht die Gefahr eines Imageschadens. Denn seit sie die Partei führt, versucht Marine Le Pen, dem Front National einen bürgerlichen Anstrich zu geben. Nicht nur einfache Parteimitglieder, sondern selbst ihren eigenen Vater hat sie ausschließen lassen, um sich zu distanzieren von rassistischen und antisemitischen Äußerungen.
Der schöne Schein einer ideologisch runderneuerten Partei steht auf dem Spiel, wenn Marine Le Pen verurteilt würde wegen rassistischer motivierter Angriffe auf Muslime.
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